Die Umstellung der Banken auf den Corona-Betrieb gelang rasch. Die Kunden zeigten digitalen Services gegenüber eine hohe Akzeptanz. Die Coronakrise ist insofern ein Augenöffner für die strategische Bedeutung der Digitalisierung, schreibt Martin Hess von der Schweizerischen Bankiervereinigung.
Martin Hess ist Leiter Wirtschaftspolitik bei der Schweizerischen Bankiervereinigung
Wir lesen es überall: Wenn es eine positive Auswirkung der Coronakrise gibt, dann ist es die Beschleunigung der Digitalisierung der Wirtschaft. Digitale Geschäftsmodelle haben in der Krise teilweise deutlich zugelegt, und Firmen mit digital ausgerichteten Abläufen haben die Umstellung auf den Corona-Betrieb leichter, schneller und sicherer geschafft. Dies gilt auch bei den Banken. In der Öffentlichkeit werden sie zwar teilweise als träge, langsam und wenig innovativ wahrgenommen.
Stresstest bestanden dank Digitalisierung
Im Zuge des Lockdowns haben sie indes bewiesen, dass sie schnell und flexibel auf unvorhergesehene Entwicklungen reagieren können. Niemand hatte einen fixfertigen Plan für einen Lockdown in der Schublade. Doch die Banken konnten interne Strukturen und Abläufe rasch in den Krisenmodus umschalten und den Service für ihre Kunden jederzeit in gewohnter Qualität erbringen.
Ohne digitale Abläufe wäre es den Banken im Homeoffice-Betrieb nicht möglich gewesen, innert weniger Tage einen Prozess aufzusetzen, mit dem täglich bis zu 12’000 Kreditanträge von KMU in kürzester Zeit abgewickelt werden konnten. Im Tagesrhythmus wurden dabei Verbesserungen im Antragsprozess bis hin zum Einsatz von Software-Robotern für die automatisierte Abwicklung der Kreditanträge umgesetzt.
Unumkehrbare Trends führen zum «New Normal»
Solche Beispiele illustrieren nicht nur die Innovationsfähigkeit der Banken, sondern sie funktionieren auch als Augenöffner für die Möglichkeiten der Digitalisierung. Zweifellos wird die Krise hier zu einem «New Normal» im Finanzgeschäft führen. Die Schweizerische Bankiervereinigung zeigt deshalb in einem am (heutigen) Dienstag veröffentlichten Diskussionspapier sechs unumkehrbare digitale Trends auf, die in Zukunft den Finanzplatz prägen werden.
Die sechs Trends im Überblick
- Beschleunigung der medienbruchfreien Ausgestaltung von Arbeitsabläufen in Banken
- Weiter zunehmende Nachfrage nach Finanzprodukten und -dienstleistungen über digitale Kanäle
- Zunehmende Diversität und Vielschichtigkeit im Zahlungsverkehr
- Verstärkte Tendenz zu «Smart Working»-Lösungen
- Verstärkte Investitionen in eine erstklassige und sichere digitale Infrastruktur
- Erhöhte Anstrengungen auf Seiten Behörden für eine durchgängige E-Fähigkeit
Effizienz und Sicherheit kein Gegensatz
Standen bislang vor allem Effizienz und die Möglichkeit neuer Geschäftsmodelle bei strategischen Digitalisierungsentscheiden als Treiber im Zentrum, so rückt aufgrund der Corona-Erfahrungen vermehrt auch die Krisenfestigkeit in den Vordergrund. Diese dürfte zukünftige Risikoabschätzungen bei Digitalisierungsvorhaben wesentlich prägen. Beispielsweise dürfte die unter hohen, Corona-bedingten Zusatzbelastung bewiesene Betriebssicherheit von Cloudlösungen in die entsprechenden strategischen Entscheidungsfindungen einfliessen.
Das Potential der Digitalisierung muss also nicht auf Kosten der Sicherheit gehen. Es ist im Gegenteil die Vereinbarkeit dieser Ziele, welche die Unumkehrbarkeit des Digitalisierungstrends begründet.
«Smart Working» Lösungen
Das robuste Funktionieren der Systeme hat es den Banken erlaubt, praktisch über Nacht in einen weitgehenden Homeoffice-Betrieb umzuschalten. Ab dem 16. März 2020 arbeiteten rund 80 Prozent der Bankangestellten aus dem Homeoffice.
Auch nach der Lockerung der Corona-Vorschriften arbeiten noch grosse Teile der Belegschaft im Homeoffice. Man kann davon ausgehen, dass dies heute in wesentlich geringerem Umfang der Fall wäre, hätten das Vertrauen der Kunden und die Bedürfnisse der Mitarbeitenden nicht jederzeit erfüllt werden können.
Kunden steigen auf den Zug auf
Gerade in Krisenzeiten ist für viele Kunden eine persönliche Ansprechperson sehr wichtig. Dass die Kontaktnahme verstärkt auf digitalen Kanälen geschehen ist, illustriert deren Akzeptanz seitens der Kunden. Ihr hohes Vertrauen wird auch auf den digitalen Kommunikationskanälen erfüllt. Aufgrund der guten Resonanz haben viele Banken die Möglichkeiten der verstärkten Kundenbetreuung über digitale Kanäle erkannt.
Auch die durch die Corona-Umstände forcierte Benutzung von digitalen Services hat sich als positiv herausgestellt. Unter anderem hat die Nachfrage nach digitalen Bezahlmitteln stark zugenom-men. Auch in anderen Bereichen waren die Kundenerfahrungen sehr positiv. Dass die Nachfrage nach digitalen Finanzdienstleistungen weiter zunehmen wird, ist ein naheliegender Schluss.
Rahmenbedingungen sind zu verbessern
Damit der Schweizer Finanzplatz auf diesem Weg erfolgreich weitergehen kann, bedarf es verstärkter Investitionen bei der Infrastruktur. Die sicheren und stabilen Datenverbindungen sind auf einen stark zunehmenden Datenverkehr und noch häufigere Cyberattacken auszurichten. Auch ein erstklassiges Stromnetz bildet eine unverzichtbare Voraussetzung für eine innovative und flexible Volkswirtschaft.
Weiter ist konsequent auf digital untaugliche Formvorschriften zu verzichten. Die digitale Wirtschaft bedarf auch der vermehrten Anwendung von digitalen Signaturen (zum Beispiel durch die qualifizierte elektronische Signatur (QES)) und eine staatlich anerkannte elektronische Identität (E-ID), aber auch der Vertrautheit aller Akteure mit diesen neuen Mitteln.
Nötige Strategie: Digital First
«Digital First» ist je länger je mehr die nötige Strategie, um den sich verändernden Kundenbedürfnissen und zunehmendem Wettbewerb zu begegnen. Dies betrifft aber nicht nur die Privatwirtschaft. Aufgrund der gemachten Erfahrungen werden insbesondere auch staatliche Stellen ihre Bestrebungen zur durchgängigen E-Fähigkeit weiter verstärken müssen.