Die eidgenössischen Wahlen stehen vor der Tür. Das neue Parlament sollte in der Finanzmarktpolitik konsequent nach vorne schauen, findet Silvan Lipp von der Schweizerischen Bankiervereinigung.
Silvan Lipp, Leiter Communications & Public Affairs
Finanzmarktpolitik gleichbedeutend mit Vergangenheitsbewältigung: Diese Lösung prägte das eidgenössische Parlament in den letzten zwei Legislaturperioden. Das war auch notwendig und richtig. Es brauchte überzeugende Antworten auf die Finanzkrise. Die Eigenkapital- und die Liquiditätsanforderungen wurden erhöht, der Anleger- und Kundenschutz gestärkt. Gleichzeitig hat sich der Schweizer Finanzplatz mit der Abkehr vom Bankkundengeheimnis gegenüber dem Ausland fundamental gewandelt.
Dies mit Erfolg! Entgegen damaliger Befürchtungen ist die Schweiz auch heute, in Zeiten des automatischen Informationsaustausches, im grenzüberschreitenden Vermögensverwaltungsgeschäft weltweit führend. Der Finanzplatz steht auf sicherem Boden und respektiert die internationalen Standards.
Fundament weiter pflegen
Dieses solide Fundament müssen wir auch in Zukunft pflegen und fortlaufend verbessern. Doch ein solides und verlässliches Fundament alleine reicht nicht aus. Auch in der Finanzmarktpolitik müssen wir den Blick konsequent und überzeugend nach vorne richten. Erfreulich dabei ist: Das geschieht im Parlament auch tatsächlich.
Fintech, Blockchain, Cloud
Eine aktuelle Analyse der Forschungsstelle Sotomo im Auftrag der Schweizerischen Bankiervereinigung (SBVg) hat die Vorstoss- und Themendynamik im Bundesparlament in den vergangenen 20 Jahren untersucht. Diese Analyse zeigt: Die Anzahl parlamentarischer Vorstösse zur Finanzmarktregulierung hat in den vergangenen Jahren klar abgenommen.
Dagegen haben Vorstösse zur Digitalisierung sowie zu Innovationsthemen im Finanzbereich wie Fintech, Mobile Payment oder Blockchain markant zugenommen.
Spielregeln vereinfacht
Noch bis zum Jahr 2014 ging es bei weniger als 2 Prozent aller Vorstösse um die Digitalisierung. Ab 2015 folgte ein steiler Anstieg. Im vergangenen Jahr befassten sich schon 8 Prozent aller Vorstösse mit dem Thema.
Auch der Bundesrat kümmert sich um Innovationsthemen im Finanzbereich: So hat er für Fintech die Markteintrittshürden gesenkt und die Spielregeln vereinfacht. Derzeit beraten die Räte die Vorlage des Bundesrates zur elektronischen Identität (E-ID).
Von der Krisen- zur Zukunftsperspektive
Bundesrat und Parlament haben also die Zeichen der Zeit erkannt: Fragen zur Zukunft und zur Wettbewerbsfähigkeit des Finanzplatzes kommen wieder in den Fokus der Politik. Das ist erfreulich. Doch aus meiner Sicht steht die Bewährungsprobe noch bevor.
Es wird besonders am neu gewählten Parlament liegen, den Paradigmenwechsel hin zur Zukunftsgestaltung konsequent zu vollziehen und sich somit umfassend mit der digitalen Zukunft des Schweizer Finanzplatzes auseinanderzusetzen.
Standortbedingungen auf dem Prüfstand
Es geht dabei um Themen wie attraktive und sichere Rahmenbedingen für Blockchain-Technologien oder für Cloud Banking, aber auch um Fragen beispielsweise im Zusammenhang mit einer digitalen Steuer. Schliesslich geht es aber nicht nur um die Rahmenbedingungen für digitale Dienstleistungen und Technologien im engeren Sinne.
Vielmehr gehören sämtliche Standortbedingungen auf den Prüfstand. Die wichtigste Frage dabei: Stärken sie die Zukunfts- und Wettbewerbsfähigkeit des Finanzplatzes?
Selbst geschaffenes Handicap
Klarer Handlungsbedarf besteht etwa bei den Steuern, namentlich bei der Verrechnungssteuer und den Stempelabgaben. Keiner unserer Konkurrenzfinanzplätze wie Grossbritannien, Singapur, die USA oder Hongkong kennt vergleichbare Steuern wie die Schweiz mit den Stempelabgaben. Es ist Zeit, dieses selbst geschaffene Handicap für die Schweiz aus der Welt zu schaffen.
Mit dem institutionellen Abkommen steht ein Dossier zur Debatte, das für den Standort Schweiz essenziell ist. Für den Bankensektor ist klar: Es gilt, den Marktzugang zur EU zu sichern und zu verbessern. Grundlage dazu ist ein qualitativ hochstehendes und mehrheitsfähiges Rahmenabkommen.
Was gute Regulierung ist
Schliesslich gilt es sich in der Politik immer wieder die Frage zu stellen, was gute Regulierung ist. Der Bundesrat plant diesbezüglich eine neue Verordnung, in der die Rollen und Kompetenzen der Finma in der Regulierung präzisiert werden sollen. Das ist eine Chance, um wichtige Grundsätze in der Regulierung, wie Wettbewerbsfähigkeit und Proportionalität, zu stärken.
Der Schweizer Finanzplatz ist solide und kompetitiv aufgestellt. Es stimmt zuversichtlich, dass die Schweiz nicht nur im klassischen Private Banking die weltweite Nummer 1 ist, sondern auch als Fintech-Standort ganz vorne mitspielt.
Wettbewerb intensiver geworden
Doch der internationale Wettbewerb ist intensiver geworden und wichtige Konkurrenzfinanzplätze wachsen schneller als die Schweiz. Höchste Zeit deshalb, Zukunft zu gestalten.
- Mehr Informationen zu diesem Thema finden sich im Diskussionspapier der SBVg.