Das Kräfteverhältnis zwischen den rivalisierenden Finanzplätzen Singapur und Hongkong ist in Bewegung. Für Schweizer Banken wird das Taktieren in Asien noch schwieriger.
«Dieses Verhalten ist nicht gerade erwachsen», ereiferte sich die Hongkonger Börse jüngst über die Rivalin Singapore Exchange. Deren Mitarbeitende hatten auf einer Marketingreise offenbar zuvor die Konkurrenz aus Hongkong schlecht geredet.
Der Schlagabtausch ist symptomatisch für die Rivalität zwischen den beiden aufstrebenden asiatischen Finanzplätzen – unter der meist freundlichen Oberfläche in Asien verbirgt sich oft ein tiefer Antagonismus.
Ansiedlung des Chefs ein Politikum
Schweizer Banker, die an beiden Plätzen unterwegs sind, müssen deshalb ein gutes Gespür für diese Rivalität entwickeln. So ist etwa die Ansiedlung des Asienchefs ein heikles Politikum, wie sich vor nicht allzu langer Zeit bei der Bank Julius Bär zeigte. Damals erhielt Singapur den Zuschlag, und auch die Schweizer Grossbanken UBS und Credit Suisse sind in Singapur stärker aufgestellt.
Zumindest noch, denn das Kräfteverhältnis zwischen den beiden asiatischen Finanzzentren gerät mehr und mehr in Bewegung. Das macht das Taktieren der Schweizer Banken in Asien noch schwieriger. Hongkong, bisher der Junior unter den beiden konkurrierenden Finanz-Hubs, gewinnt gegenüber dem reiferen Singapur rasant an Terrain. Dies zeigt eine neue Studie der Beratungsfirma Deloitte zu den weltweit führenden Finanzzentren mit aller Deutlichkeit.
Vermögen mehr als verdoppelt
So haben sich die in Hongkong von Banken verwalteten Vermögen zwischen 2010 und 2017 mit einer Zunahme um 122 Prozent mehr als verdoppelt – das höchste Wachstum aller in der Studie verglichenen Finanzplätze. Das Private Banking in Singapur wuchs in dieser Zeit nur um einen Zehntel dessen, nämlich rund 12 Prozent. Mit 790 Milliarden Dollar an verwalteten Vermögen liegt die ehemalige Kronkolonie ebenfalls vor den 470 Milliarden Dollar des Singapurer Stadtstaats (siehe Grafik unten).
«Hongkong wächst viel schneller als Singapur», stellen die Deloitte-Experten denn auch fest. Die Geldschwemme hat der Finanzplatz ihrer Meinung nach vor allem Festlandchina zu verdanken, wo Hongkong als präferierte Destination für Auslandinvestments gilt und auch so manches Schlupfloch genutzt wird. So ist laut Deloitte der Anteil der in Hongkong investierenden reichen Chinesen von 19 Prozent im Jahr 2011 auf 56 Prozent im 2016 geklettert.
Singapur mit Schweizer Problem
Singapur, das seit Jahrzehnten als das am höchsten geachtete Finanzzentrum Asiens gilt, droht da ins Hintertreffen zu geraten. Ganz ähnlich wie der Schweizer Finanzplatz wissen die Banken im Stadtstaat mit hoher Effizienz und damit starken Margen zu punkten. Das ebenso wirtschaftsfreundliche wie stabile Umfeld zieht zudem Vermögen aus aller Welt an. Doch ebenfalls wie in der Schweiz nützen alle diese Vorzüge wenig, wenn das Wachstum ausbleibt.
Allerdings stellt sich diese Problematik zunehmend auch in Hongkong. Mit dem höheren Reifegrad der dortigen Anbieter sind auch die Kosten gestiegen. Umso sensibler ist laut Deloitte die Frage, wie viel Spielraum das chinesische Regime dem vorgelagerten Finanzplatz in Zukunft zugesteht.
In den letzten Monaten hat sich Festlandchina dem weltweiten Finanzmärkten weiter geöffnet: So können auch Schweizer Banken ihr Engagement in der Volksrepublik weiter ausbauen – wohl nicht immer zugunsten des Hubs in Hongkong.