Vielerorts hat man sich mit dem Ausgang der US-Wahlen und den damit verbundenen Folgen an den Kapitalmärkten gründlich vertan. Umso mehr gilt es, die Trump’schen Aussagen nicht auf die leichte Schulter zu nehmen, findet Franz Wenzel.
Franz Wenzel ist Anlagestratege für institutionelle Kunden bei AXA Investment Managers. Er schreibt abwechselnd mit Stephan Heitz monatlich für finews.ch.
Die Hypothese der «secular stagnation» ist ein Dauerbrenner in der Wirtschaftspresse. Allerdings verliert sie an Kontur. Insbesondere in den USA zeichnet sich nach Jahren extrem expansiver Geldpolitik eine durchaus passable, vom privaten Verbrauch getragene Expansion ab.
Mit einer Arbeitslosenquote von unter 5 Prozent kann man ruhigen Gewissens von Vollbeschäftigung in den USA sprechen. Es kann daher kaum verwundern, dass sich das Lohnwachstum langsam wieder der Drei-Prozenz-Marke nähert.
Beschleunigter Preisanstieg
In diesem Umfeld hat der neue US-Präsident weitere, prozyklische Stimuli angekündigt. Sowohl längst überfällige Infrastrukturmassnahmen als auch Steuersenkungen sind im Gespräch, zumal Donald Trump versprochen hat, die USA wieder «great» zu machen. Dafür braucht es Wachstum.
Allerdings sollten Investoren die Gefahr eines beschleunigten Preisanstieges im Auge behalten. Dies gilt umso mehr, als das Produktivitätswachstum sich nahe der Nulllinie bewegt. Ein signifikanter Teil der Lohnkostensteigerungen wird daher wohl in Form von höheren Preisen an die Konsumenten durchgereicht. Erschwerend kommt hinzu, dass Präsident Trump klare Stellung bezogen hat und laut über Importtarife nachdenkt ‒ mit entsprechenden Konsequenzen für die Preise importierter Güter und Dienstleistungen.
Schwarzes Gold
Angesichts des fortgeschrittenen Konjunkturzyklus' und um der damit verbundenen Gefahr von weiteren Preisanstiegen vorzubeugen, ist es sehr wahrscheinlich, dass die US-Notenbank die kurzfristigen Zinsen sowohl 2017 als auch 2018 weiter anheben wird. Am langen Ende sind höhere US-Zinsen die Folge.
Unabhängig von der Situation in den USA hat die Organisation erdölexportierender Länder (OPEC) jüngst beschlossen, die Ölproduktion zu drosseln, um den Preis für schwarzes Gold zumindest zu stabilisieren. Niedrigere Ölpreise scheinen auf absehbare Zukunft eher unwahrscheinlich.
Expansiv aufgestellt
Die Situation hier in Europa ist zweifellos ganz anders. Das Wachstum bleibt deutlich hinter dem in den USA, die Arbeitslosenquote liegt, mit Ausnahme von Deutschland und der Schweiz, deutlich über den gewünschten Zielgrössen und die Europäische Zentralbank (EZB) wie auch die Schweizerische Notenbank (SNB) sind weiterhin sehr expansiv aufgestellt.
Damit stellt sich die Frage, inwieweit sich europäische langfristige Zinsen von denen in den USA abkoppeln können. Trotz der unterschiedlichen Wachstumsraten halten wir die Wahrscheinlichkeit für sehr gering. Seit Anfang der 1990er-Jahre betrug die Korrelation zwischen US- und europäischen Staatsanleihen etwa 65 Prozent und sogar über 75 Prozent, wenn man den Zeitraum ab der Jahrtausendwende betrachtet.
Zwei Zeitfenster
Diese Durchschnittswerte wurden in mehreren Perioden zum Teil deutlich unterschritten. Insbesondere sind zwei Zeitfenster hervorzuheben. Der Beginn der 1990er Jahre mit der deutschen Wiedervereinigung ist unumstritten eine solche Periode. Die massiven politischen Verschiebungen spiegelten sich ebenfalls in einer mehrere Jahre dauernden konjunkturellen und damit geldpolitischen Phasenverschiebung wider.
Die globale Rezession von 2008/9 und die geldpolitische Drift bezüglich «Quantitative Easing» (QE) zwischen den USA (Kaufprogramm endete im Oktober 2015) und Europa, insbesondere die Entscheidung der EZB im Januar 2015, ebenfalls ein Anleihekaufprogramm zu starten, sind Beispiele für jüngere Perioden, während deren die Korrelation der Zinsen in den USA und Europa temporär sank.
Dauerhaft hohe Korrelation
Derartig massive Divergenzen sind heute nicht zu erkennen. Die aktuelle geldpolitische Ausrichtung der EZB ist nur temporärer Natur, zumal diese wohl im nächsten Jahr ihr Kaufprogramm zurückfahren wird und die diametrale Geldpolitik sich langsam dem Ende nähern wird. Investoren sind daher wohl beraten, weiter von der Prämisse einer dauerhaft hohen Korrelation auszugehen.
Dies hat unseres Erachtens gewichtige Auswirkungen auf die Portfoliostrategie von langfristigen Investoren, insbesondere Pensionsfonds. In Zeiten steigender Zinsen ist sicherlich eine kurzfristige Portfolioduration erstrebenswert. Allerdings sollten Pensionsfonds ihre Absicherungsquoten mit dem erwarteten Renditeanstieg sukzessive nach oben fahren. Timingversuche sind nicht immer von Erfolg gekrönt.
Höhere Volatilität nicht ausgeschlossen
Ferner gilt es, einen effizienten Schutz vor dem erwarteten Inflationsanstieg zu erwägen. Positionen in inflationsgeschützten Anleihen, insbesondere für die USA, sollten einen substantiellen Portfolioanteil ausmachen.
Zu guter Letzt kann mit hoher Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass die Geldpolitik der EZB in der zweiten Jahreshälfte in den Fokus der Anleger rückt. Höhere Volatilität ist nicht auszuschliessen. Dies spricht für alternative, wenig korrelierte Investitionen sowie Strategien der langfristigen Absicherung von Risikoanlagen.
Franz Wenzel gehört seit Oktober 2016 dem Team ‹Multi Asset Client Solutions› von Axa Investment Managers an. Seit Mai 2012 koordinierte er als Chefstratege die Abteilungen makroökonomische Forschung und Investment-Strategie. Zwischen 2005 und 2010 war er stellvertretender Direktor der Abteilung Research & Investment. Wenzel stiess Ende 1997 als Senior Investment Strategist zu Axa IM und war verantwortlich für die makroökonomische Analyse der Eurozone und daran angrenzender Länder. Ab 2000 beschäftigte er sich schwerpunktmässig mit dem weltweiten Aktienmarkt und Rohstoffen als Anlageklasse.
Zuvor hatte er drei Jahre als Chief Investment Officer für das Bankhaus Metzler in Frankfurt/Main gearbeitet. Zu Beginn seiner Karriere war er als Marktstratege und Produktentwickler bei der Commerzbank in Frankfurt/Main tätig gewesen. Von 1985 bis 1988 hatte er einen Lehrauftrag im Fach Banking and Finance an der Universität Würzburg, Deutschland, wo er 1989 in Betriebswirtschaft promovierte.