Hat der Bund mit Wertloserklärung der AT1-Anleihen der Credit Suisse gegen Recht verstossen? In der Schweiz und den USA sind Klagen hängig. Zumindest bei einem Rechtsstreit fällt demnächst ein wichtiger Vorentscheid.
Die Zeit läuft. Noch bis 3. Februar haben die Anwälte des Bundes Zeit, Position zu beziehen im Rechtstreit um die Wertloserklärung der AT1-Klagen vor dem New Yorker Gericht (SDNY).
Der Bund steht unter Zugzwang. Quinn Emanuel Urquhart & Sullivan, die federführende Kanzlei in den USA, hat am 8. Januar ihre im Sommer vergangenen Jahres eingereichte Klage in einem so genannten Amended Complaint verschärft.
Streitwert mehr als drei Mal so hoch
Die Klageschrift wurde mit weiteren Klägern und auch inhaltlich mit Informationen aus dem PUK-Bericht ergänzt. Unter anderem erhöhte sich auch der Streitwert von ursprünglich rund 82 Millionen auf neu 372 Millionen Dollar; finews.ch berichtete darüber.
Allgemein wird erwartet, dass die Schweiz auf eine Ablehnung der Klage plädieren wird, also auf eine so genannte Motion to dismiss.
Wichtiges Treffen am 5. Februar
Ob der Richter darauf eingehen wird, wird er aufgrund der zweiten Eingaben der beiden Parteien entscheiden. Der erste Schriftenwechsel war nicht mehr als ein juristisches Warmlaufen.
Bis wann mit diesem Entscheid zu rechnen ist, dürfte sich am 5. Februar zeigen. Dann findet die Case Management Conference statt. An der Koordinationssitzung wird unter anderem der Zeitplan festgelegt.
Wenn der Richter nicht von sich aus eine Deadline setzt, bis wann er entscheiden will, ob es zu einem Gerichtsverfahren kommt, dürften ihn die Kläger zu einer verbindlichen Aussage drängen, wie Recherchen von finews.ch zeigen.
Schweiz befindet sich in der Defensive
Damit steht fest: Im Verfahren vor einem Gericht in New York hat die heisse Phase begonnen. Spätestens im Sommer dürfte klar sein, ob es zu einem Prozess kommt oder nicht.
Für die Schweiz könnte es im ersten Fall delikat werden. Denn dann könnten die Kläger den Bund zwingen, weitere Daten, unter anderem auch Chatverläufe, öffentlich zu machen. Die Schweiz würde dies mit grösster Wahrscheinlichkeit verweigern, was wiederum die Kläger nicht akzeptieren würden – das juristische Ping-Pong-Spiel beginnt.
Der Bund befindet sich nach der Publikation des Parlamentarischen Untersuchungsberichts so oder so in der Defensive.
Die Klägerseite will in dem Bericht zahlreiche Stellen gefunden haben, die die Position der Schweiz schwächen beziehungsweise aufzeigen, dass die Wertloserklärung der AT1-Bonds Bedingung waren für eine Übernahme der Credit Suisse durch die UBS und dabei das Eidgenössische Finanzdepartement sowie das Staatssekretariat für Finanzfragen eine entscheidende Rolle spielten.
«Die Abschreibung der AT1-Anleihen wurde dem Verwaltungsrat als <notwendiger, unverhandelbarer Teil und damit Eckwert des Deals für die UBS> beschrieben», schreibt die Parlamentarische Untersuchungskommission auf Seite 354 ihres Berichts.
An anderer Stelle heisst es im Bericht: «Die PUK hält es ferner für glaubwürdig, dass die UBS dem Zusammenschluss mit der CS ohne Abschreibung der AT1-Anleihen nur zugestimmt hätte, wenn der Bund weitaus höhere Garantien zugesprochen hätte.»
Bundesrat entschied im Alleingang?
Wenn man den Amended Complaint liest, steht für die Anwälte der Anleihegläubiger fest: Der Untersuchungsbericht zeigt, dass die Schweizer Regierung im Alleingang entschied, dass die UBS der einzige Käufer war, den sie für die Credit Suisse in Betracht zog. Zudem werde deutlich, dass die Wertloserklärung der AT1-Anleihen eines der Schlüsselelemente war, um die Forderungen der UBS zu erfüllen und die Übernahme zum Abschluss zu bringen.
Die UBS hat Sicherheiten über 25 Milliarden Franken verlangt; eine Zahl, die der Bund nie und nimmer erfüllen konnte. Noch am 19. März 2023 wurde aber seitens UBS festgehalten, dass sich diese Sicherheit nun aus 9Mia Garantie des Bundes und den abgeschriebenen AT1 zusammensetzt.
Die Kläger verweisen in der Klage auf eine Passage auf Seite 360 des PUK-Berichts. Dort steht: «Nachdem der CS-Verwaltungsratspräsident erneut den zu tiefen Preis von 1 Milliarde Franken kritisiert hatte, verteidigte die Staatssekretärin diesen zuerst mit Verweis auf die Garantien des Bundes und unterbreitete anschliessend ein Angebot von 2 Milliarden Franken. […] Gemäss Aussagen des UBS-Verwaltungsratspräsidenten vor der PUK habe er den Preis nicht mit der CS, sondern mit den Behörden verhandelt. Die UBS sei am Sonntag von den Behörden gefragt worden, ob sie auch 3 Milliarden Franken bezahlen könnte. Im Verlauf des Sonntagnachmittags erhöhte die UBS das Kaufangebot auf drei Milliarden, nachdem der Bund die Garantie von 5 auf 9 Milliarden Franken erhöht hatte. Auf dieser Basis wurde schliesslich eine Einigung erzielt.»
Unklarheit im Rechtsfahren in der Schweiz
Während in den USA die beiden Seiten sich warmgelaufen haben und ein Verfahren immer näher rückt, bleibt ungewiss, wie es in der Schweiz weitergeht. Die Beschwerde, die 2023 beim Bundesverwaltungsgericht eingereicht worden ist, ist noch immer hängig.
Das Bundesverwaltungsgericht hat laut Recherchen von finews.ch die Beschwerdeantwort der UBS und der Finma den Beschwerdeführern noch nicht zugestellt. Es ist ungewiss, bis wann mit dieser gerechnet werden kann.
Das Bundesverwaltungsgericht macht keine Angaben zu laufenden Verfahren.