Der Branchenverband sensibilisiert seine Mitgliedbanken dafür, Kunden aus der Rüstungsindustrie differenziert und individualisiert zu beurteilen. Ein Problem bildet dabei die zu starre ESG-Regulierung.

Weiss bei der Schweizerischen Bankiervereinigung (SBVg) die eine Hand nicht, was die andere tut? Am Dienstag hat sich finews.ch in einem Kommentar darüber gewundert, wie gross die Diskrepanz zwischen den Worten von Marcel Rohner, seines Zeichens Präsident der SBVg, und dem Verhalten seiner Mitglieder ist, wenn es um das Thema militärische Sicherheit respektive Rüstungsindustrie geht.

Am diesjährigen Bankiertag am 12. September hatte Rohner nämlich vor seinen versammelten Mitgliedern für einen Finanzmarktexponenten ungewohnt martialische Töne angeschlagen. Seine Diagnose: Die Schweiz habe ihre Verteidigungsfähigkeit eingebüsst. Das habe man mit dem Ausbruch des Ukraine-Kriegs vor zwei Jahren erkennen müssen.

Diskrepanz zwischen Worten und Taten

Rohner plädierte folgerichtig dafür, wieder eine starke und glaubwürdige Armee aufzubauen. «Wir werden im Minimum unser Land und seinen Luftraum zuverlässig schützen können müssen», gab er das Ziel vor.

Umso mehr Erstaunen rief ein Bericht in der jüngsten «SonntagsZeitung» hervor, wonach die hiesige Rüstungsindustrie moniert, es werde für sie immer schwieriger, mit Schweizer Banken Geschäfte abzuschliessen und Konten zu eröffnen. Als Grund dafür wurden Auflagen der Banken im Bereich Nachhaltigkeit genannt. Die Finanzinstitute gewichteten Kriterien wie Menschenrechte und Ökologie stark und würden in der Folge auch Kredite verweigern.

Weichgespülte Stellungnahme...

Entsprechend empört gab sich denn auch Stefan Brupacher, Direktor von Swissmem. Dass Schweizer Rüstungsunternehmen, die einen unverzichtbaren Beitrag zur Sicherheit leisteten, von den Banken schikaniert würden, sei skandalös.

Die Stellungnahme der SBVg, die im Beitrag abgedruckt wurde, fiel ziemlich weichgespült aus und ging nicht konkret auf das Problem ein. Die Banken sähen vorderhand keinen Anlass, ihre Praxis zu ändern, schrieb die «SonntagsZeitung», um dann aus der Antwort der SBVg zu zitieren: «Als zentrale Akteure im Finanzwesen haben Banken die Verantwortung, nicht nur ökonomische, sondern auch ethische und nachhaltige Aspekte in ihrer Geschäftstätigkeit zu berücksichtigen». Und weiter: «Insbesondere bei nachhaltigen Vorgaben setzen sich Banken dem Vorwurf des Greenwashings aus, wenn diese nicht eingehalten werden.»

...mit einer knackigeren Fortsetzung 

Wie lässt sich der flammende Aufruf des Präsidenten des SBVg für eine wehrhafte Schweiz mit dem Geschäftsgebaren der Banken gegenüber Schweizer Rüstungsunternehmen vereinbaren? Auch finews.ch war einigermassen ratlos und konnte zudem die zahme Stellungnahme des Verbands nicht richtig einordnen. Die Empfehlung an die Adresse der SBVg im erwähnten Kommentar lautete denn, sich mit ihren Mitgliedern darüber austauschen, wie die Schweizer Bankbranche zur Erreichung des von Rohner gesteckten Ziels der Wiedergewinnung der Verteidigungsfähigkeit beitragen könnte.

Nun hat die SBVg reagiert und finews.ch den integralen Text der Stellungnahme zur Verfügung gestellt, die sie für die «SonntagsZeitung» verfasst hatte. Dass diese die Stellungnahme nur auszugsweise wiedergegeben hat, entspricht gängiger journalistischer Praxis. Allerdings wurde der ganze zweite Teil weggelassen, der zeigt, dass sich der Branchenverband der Problematik durchaus bewusst ist und aktiv geworden ist.

Bestehende ESG-Regulierung ist zu starr

Er lautet (ganz ohne Kürzungen) wie folgt: «Die Rüstungsindustrie bietet eine Bandbreite von Produkten und Dienstleistungen an, wie beispielsweise Rüstungsgüter oder Sicherheitssysteme. Diese Thematik bedingt deshalb eine entsprechende Sensibilisierung auf Stufe Einzelkunde. Gleichzeitig muss berücksichtigt werden, dass die bestehende ESG-Regulierung wenig Individualität auf Einzelkundenstufe zulässt. Die SBVg befürwortet eine differenzierte und individualisierte Beurteilung entlang der regulatorischen Vorgaben. Deshalb sensibilisiert die SBVg ihre Mitglieder und empfiehlt, eine entsprechende Individualisierung auf Einzelkundenstufe.»

Man kann also davon ausgehen, dass in den Gremien der SBVg die Thematik Umgang mit Kunden aus dem Rüstungssektor zurzeit angeregt diskutiert wird.

Den Kunden differenziert und individualisiert beurteilen

Immerhin besteht die Hoffnung, dass Bewegung in die ESG-Regulierung kommen könnte. Seit Ausbruch des Ukrainekrieges bröckelt nämlich auch international die Gewissheit, dass Produzenten von Rüstungsgütern per se nicht nachhaltig sein können. Ein neuer tragfähiger Konsens hat sich allerdings noch nicht herausgebildet, was angesichts der Tatsache, dass Waffen Menschen mit guten oder bösen Absichten schützen oder töten können, nicht überraschend kommt.

Auch an dieser Front ist die SBVg, die seit Jahren Sustainable Finance – also ein Finanzsystem, das den Übergang von Wirtschaft und Gesellschaft in Richtung Nachhaltigkeit unterstützt – propagiert, gefordert. Sie kann ihren Einfluss geltend machen, um dafür zu sorgen, dass die ESG-Regulierung hierzulande künftig eine «differenzierte und individualisierte Beurteilung» zulässt.