Die Schweizer Banken müssten sich mehr mit der Kryptowelt auseinander setzen. Dies sei in ihrem eigenen Interesse, schreibt Rino Borini, Gründer von Finance 2.0 und House of Satoshi in einem Gastbeitrag für finews.ch.

Erst einige wenige der insgesamt 235 Bankinstitute bieten ihrer Kundschaft Zugang zur Kryptowelt. Das erstaunt, denn das Kundeninteresse ist zweifelsfrei vorhanden. Es wäre interessant, genauer zu erfahren, wie viele Vermögen über die letzten Jahre aus Schweizer Banken abgeflossen sind, hin zu Kyptobörsen und -brokern. Es dürften Milliarden sein.

Warum Banken sich mit Bitcoin & Co. beschäftigen müssen, geht jedoch weit über den Zugang zu dieser Anlageklasse hinaus. Es geht um die Reaktion auf fundamentale Veränderungen und Herausforderungen im globalen Finanzsystem.

Finanzsystem ist anfällig für Krisen

Das globale Finanzsystem ist fragil und anfällig für Krisen. In den vergangenen Jahren haben die Schulden weltweit neue Rekordstände erreicht, und viele Staaten sind mit einem enormen Schuldenberg konfrontiert. Und wer Schulden macht, muss Zinsen zahlen.

Die stark gestiegenen Zinsen in den letzten zwei Jahren führen nun dazu, dass diese Staaten massiv mehr Schuldzinsen zahlen müssen. So musste beispielsweise Deutschland am Ende der Niedrigzinsphase 2021 weniger als drei Milliarden Euro für seine Schulden in Form von Zinsverpflichtungen zahlen – Ende 2023 waren es dann um die 40 Milliarden Euro.

Zinslast stellt eine erhebliche Belastung dar

Nicht viel besser sieht es beim Schuldenkönig USA aus. Sie sitzen auf einem rekordhohen Schuldenberg. Das führt derzeit zu Brutto-Schuldzins-Zahlungen in der Höhe von einer Billion US-Dollar pro Quartal. Zum Vergleich: Das US-Budget für Verteidigung pro Jahr liegt bei rund 900 Milliarden US-Dollar.

Diese Gelder fehlen in essentiellen Bereichen wie Bildung, Klimawandel, Infrastruktur und Innovation. Die enorme Zinslast stellt eine erhebliche Belastung dar und zeigt, wie angespannt die finanzielle Lage vieler Staaten ist.

Schleichende Geldentwertung

Inflation, also die Entwertung des Geldes, ist weltweit ein ernstes Problem. Ein Mitauslöser sind eben auch diese Schuldenberge. Während die Inflation in der Schweiz auf einem niedrigen Niveau liegt, leiden weltweit über 1,5 Milliarden Menschen seit Jahren unter einer jährlichen Inflation von über 10 Prozent.

Doch auch in der Schweiz ist eine schleichende Geldentwertung zu beobachten. Im Beobachtungszeitraum von 1960 bis 2023 lag die durchschnittliche Inflationsrate in der Schweiz bei 2,4 Prozent pro Jahr. Wer 1960 beispielsweise 100'000 Franken auf dem Konto hatte, hat heute bedeutend weniger Kaufkraft. In dieser Zeitphase fand ein Wertverfall von fast 20 Prozent statt. Das Geld heute ist weniger wert als damals. Dies macht deutlich, dass Sparer, die ihr Geld einfach auf einem Bankkonto liegen lassen, kontinuierlich Kaufkraft verlieren.

Doch gutes Geld muss berechenbar sein, oder?

Die Rolle von Bitcoin & Co.

In diesem Kontext gewinnt vor allem Bitcoin an Bedeutung. Er bietet eine alternative Möglichkeit, Vermögen zu speichern und zu transferieren, die nicht von der Inflation betroffen sind. Bitcoin ist dezentral, nach einem klaren Regelwerk aufgebaut, limitiert auf 21 Millionen und unabhängig von staatlichen Eingriffen, was Bitcoin zu einer attraktiven Option für Investoren macht, die sich vor der Entwertung ihres Geldes schützen wollen.

Zudem bieten Bitcoin und andere Krypto-Vermögenswerte eine Möglichkeit zur Diversifikation, die in traditionellen Anlageklassen schwer zu erreichen ist. In den vergangenen 12 Jahren war Bitcoin mit Abstand die beste Anlageklasse im Vergleich zu Aktien, Obligationen oder risikoreichen Hedgefonds. Fairerweise muss erwähnt werden, dass in den drei Jahren, in denen Bitcoin nicht an der Spitze war, Bitcoin mit Abstand die schwächste Anlageklasse war.

Bitcoin als Inklusion

Bitcoin, aber auch andere Krypto-Assets wie Stablecoins, sind auch ein Instrument zur finanziellen Inklusion. Für alle, die verantwortliches Handeln grossschreiben, ist dies ein wichtiges Thema. Fast jeder fünfte Weltbürger ist «unbanked» und hat somit keinen Zugang zu traditionellen Bankdienstleistungen. Krypto-Vermögenswerte bieten diesen Menschen eine Möglichkeit, am globalen Finanzsystem teilzuhaben, indem sie einfache und kostengünstige Transaktionen ermöglichen, ohne dass ein Bankkonto erforderlich ist. Dies eröffnet enorme Chancen für wirtschaftliche Entwicklung und persönliche finanzielle Sicherheit in Regionen, die bisher vom traditionellen Bankensystem ausgeschlossen waren.

Wie Banken von digitalen Währungen profitieren können

Für Banken bedeutet die zunehmende Relevanz von Bitcoin & Co. eine enorme Chance. Indem sie ihren Kunden Zugang zu Kryptowährungen gewähren, können sie neue Einnahmequellen erschließen. Dies umfasst Gebühren für den Kauf und Verkauf von Krypto-Assets sowie Depotgebühren für die Verwahrung dieser digitalen Vermögenswerte.

Darüber hinaus können Banken von der wachsenden Nachfrage nach Krypto-Investments profitieren, indem sie spezialisierte Finanzprodukte und Dienstleistungen anbieten. Dazu gehören Bitcoin ETFs, Multi-Asset-Fonds mit Krypto-Beteiligungen und Beratungsdienstleistungen für institutionelle Investoren, die ihre Portfolios diversifizieren möchten.

Digital Assets werden immer wichtiger

Ein weiterer Vorteil besteht in der Möglichkeit, neue Kundensegmente zu erschliessen. Insbesondere jüngere Generationen und technikaffine Investoren zeigen ein starkes Interesse an Kryptowährungen.

Schliesslich können Banken ihre Innovationsfähigkeit und Wettbewerbsposition stärken, indem sie frühzeitig auf die Entwicklungen im Markt für blockchain-basierte Anwendungen reagieren. Die Implementierung fortschrittlicher Technologien zur sicheren Verwahrung und Verwaltung von Krypto-Assets sowie die Entwicklung neuer Finanzanwendungen können ihnen einen Vorsprung verschaffen. Themen wie die Tokenisierung von nichtbankfähigen Anlagen, der Handel und die Abwicklung von Wertpapieren bis zum Zahlungsverkehr – in all diesen Bereichen werden Blockchain und Digital Assets in Zukunft eine Rolle spielen.

Kunden Mehrwert bieten

Banken müssen proaktiv handeln, um mit diesen Entwicklungen Schritt zu halten und weiterhin wettbewerbsfähig zu bleiben. Diejenigen Institute, die diese Entwicklungen erkennen und sich darauf einstellen, können ihren Kunden einen echten Mehrwert bieten und gleichzeitig selbst von den neuen Möglichkeiten profitieren, die Bitcoin und Co. bieten.


Der Nutzen der Krypto-Finanzwelt für die traditionellen Banken wird auch Thema der «Finance 2.0 - Crypto Assets»«Finance 2.0 - Crypto Assets» sein, die am 25. Juni im Kaufleuten Zürich stattfinden. Im Anschluss werden zum zweiten Mal die Swiss Crypto Awards verliehen.

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