Die Karriere des einstigen Fussball-Profis Luca Pedrotti verlief nicht immer linear. Auch bei der UBS musste er sich auf einige Überraschungen gefasst haben. Trotzdem hält er der Bank seit mehr als 30 Jahren die Treue. Warum?
Luca Pedrotti steht seit bald 34 Jahren im Sold der UBS. Als er 1989 bei der damaligen Schweizerischen Bankgesellschaft (SBG, heute UBS) in Locarno anfing, arbeitete er täglich nur zwei Stunden – von 9 Uhr bis 11 Uhr am Wertschriftenschalter für die Einlösung von Obligationen-Coupons. Denn damals war Pedrotti nebenher noch Profifussballer beim FC Locarno, nachdem er zuvor beim Grasshopper Club Zürich sowie beim FC Lugano gespielt hatte.
«An einem bestimmten Punkt meiner Karriere habe ich jedoch gemerkt, dass mir der Fussball nicht mehr genügt. Ich hatte meinen Traum verwirklicht und wollte nun meine Zukunft abseits des Spielfelds gestalten», erinnert sich der heute 57-Jährige im Gespräch mit finewsticino.ch. So wechselte er 1996 vollständig zur UBS.
Ganz unten angefangen
«Ich habe ganz unten angefangen», sagt der gebürtige Luganeser, der heute die gesamte Marktregion Tessin mit rund 720 Mitarbeitenden verantwortet. Ganz linear ist seine Bankkarriere allerdings nicht verlaufen.
Die UBS-Chefs erkannten zwar früh, dass sie es da mit einem Talent zu tun hatte und ernannten ihn mit 37 Jahren zu einem der jüngsten Managing Directors im Konzern. Und sie gaben ihm die Möglichkeit, sich im In- und Ausland in verschiedenen Funktionen zu bewähren, nicht zuletzt auch im Nahen Osten und in Afrika.
Auch Rückschläge
«Das waren einzigartige Erfahrungen, die ich nie missen möchte», betont Pedrotti. Doch er musste auch Rückschläge hinnehmen; etwa als sein Posten aufgrund einer Reorganisation wegrationalisiert wurde. So kehrte er in die Heimat zurück. Obschon er Angebote von anderen Finanzinstituten hatte, wäre es ihm nie in den Sinn gekommen, die UBS zu verlassen, sagt er: «Die UBS ist meine Bank.»
Pedrottis Heimat respektive der Finanzplatz Lugano gilt in der Wahrnehmung vieler Leute als Auslaufmodell, nachdem die italienischen Behörden zwischen 2001 und 2009 mehrere Steueramnestien durchgeführt und so grosse Vermögen, die in der Südschweiz parkiert waren, zurückgeholt hatten.
Weniger Banken – aber viel Substanz
Tatsächlich schrumpfte die Masse der verwalteten Kundengelder im Tessin substanziell. Entsprechend reduzierte sich auch die Zahl der Banken von gut 70 auf heute noch rund 40 Institute. «Diese Rückgänge waren massiv», räumt Pedrotti ein, «doch was geblieben, hat immer noch viel Substanz.»
Die Entwicklung ging auch an der UBS nicht spurlos vorüber. In den vergangenen fünf Jahren reduzierte die Bank ihre Geschäftsstellen von 19 auf 13 Filialen; der Personalbestand schrumpfte von 800 auf nunmehr 720 Personen.
Mitarbeitende aus vier Generationen
«Diese Zahlen sind jetzt stabil», versichert Pedrotti und betont auch, dass sich das Anforderungsprofil für die Mitarbeitenden aufgrund der Digitalisierung stark verändert habe. Gefragt seien heute eine viel grössere Bereitschaft zur Mobilität sowie eine verstärkte Anpassungsfähigkeit, was nicht immer einfach sei, zumal in der Bank Menschen aus vier Generationen zusammenarbeiten würden. «Jede Generation geht unterschiedlich schnell mit Veränderungen um», stellt Pedrotti fest.
Tatsächlich sind das Tessin und sein Finanzplatz in mehrfacher Hinsicht im Wandel. Seit rund zwei Jahren ist das Bestreben spürbar, zwischen Bellinzona und Chiasso ein Cluster der (Finanz-)Technologie zu etablieren.
Zentrum für Künstliche Intelligenz
Startups sollen sich in der Region ansiedeln, die verschiedenen Hochschulen haben ihre Lehrgänge auf zukunftsträchtige Wissensgebiete ausgeweitet, und die Stadt Lugano versucht sich als internationale Blockchain-Metropole zu profilieren. Innovation ist auch bei UBS ein sehr wichtiges Thema.
So betreibt die Bank am Standort Suglio in Manno bei Lugano zwei Geschäftseinheiten, die für den gesamten Konzern tätig sind; zum einen ein Call-Center mit 70 Beschäftigten sowie zum andern – sozusagen als Prestigeprojekt – ein Forschungs- und Entwicklungszentrum für Künstliche Intelligenz (KI), das sie mit den Tessiner Hochschulen unterhält. Dort beschäftigt die UBS rund 100 Mitarbeitende und will diesen Bestand in den nächsten Jahren weiter ausbauen, wie Pedrotti gegenüber finewsticino.ch erklärt.
Brückenkopf zwischen zwei Finanzmetropolen
Dass sich mit dem im September 2020 eröffneten Ceneri-Basistunnel die Reisezeit mit dem Zug zwischen Zürich und Lugano auf weniger als zwei Stunden reduziert hat, trägt zusätzlich zur neuen Attraktivität des Tessins bei. «Lugano übernimmt mittlerweile eine wichtige Brückenfunktion zwischen der Deutschschweiz mit der Finanzmetropole Zürich und der italienischen Grossstadt Mailand – ebenfalls ein bedeutendes Finanzzentrum», unterstreicht Pedrotti.
Im Zuge der Corona-Pandemie verlagerten tatsächlich viele vermögende Familien aus Italien, aber auch aus anderen Ländern, ihren Wohnsitz oder ihr Vermögen ins Tessin. Den Ausschlag dafür gab nicht nur das milde Klima in der Südschweiz.
Ungewisse Entwicklung in Europa
Genauso massgebend waren unter anderem die relativ liberale Politik der Schweizer Behörden während der ganzen Covid-Epidemie sowie Sicherheitsüberlegungen oder der starke Franken gegenüber dem Euro. Die weitere, eher ungewisse politische Entwicklung in Europa dürfte dem Tessiner Finanzplatz aller Voraussicht nach noch weitere Zuzüger bescheren.
Trotzdem sind die Wachstumsaussichten begrenzt, wie Pedrotti einräumt, zumal weiterhin kein Abkommen zwischen der Schweiz und Italien existiert, das den im Tessin tätigen Instituten erlauben würde, proaktiv Kundinnen und Kunden im südlichen Nachbarland zu akquirieren.
Sture Italiener
Pedrotti geht – wie viele andere Berufskollegen – nicht davon aus, dass sich daran in absehbarer Zeit etwas ändern werde. Italien habe kein Interesse daran, seine eigenen Banken durch ausländische Konkurrenz zu schwächen.
Umso wichtiger ist es, aus den existierenden Möglichkeiten das Beste herauszuholen. Für eine UBS, die in der Region – je nach Kundensegment – bereits Marktanteile von 20 Prozent bis 30 Prozent auf sich vereinigt, ist dies kein einfaches Unterfangen. Umso mehr setzt Pedrotti auf die Digitalisierung im Banking, lässt sich doch damit die jüngere Klientel ansprechen; und gleichzeitig können vermögende Privatkundinnen und -kunden umfassender und individueller bedient werden.
Das älteste Filmfestival der Schweiz
«Dank der Technologie werden Ressourcen frei, die sich in Bereiche investieren lassen, die mit dem direkten Kundenkontakt zu tun haben», erklärt Pedrotti und betont, dass das Bankwesen immer eine Domäne bleiben werde, die den persönlichen Austausch benötige.
Was das heisst, beweist die UBS im Tessin unter anderem seit 42 Jahren: So lange ist die Bank Partner des grössten und ältesten Filmfestivals der Schweiz: das Locarno Film Festival, das heuer sein 75-jähriges Bestehen feiern konnte.
Dreh- und Angelpunkt Locarno
«Es ist das älteste Sponsoring der UBS», unterstreicht Pedrotti, der sich im Rahmen dieses zehntägigen Anlasses jeweils im August stets an vorderster Front engagiert, indem er mehrere Hundert höchst unterschiedliche Leute zusammenbringt, wie er selbst mit Begeisterung erzählt.
«Für uns ist das Festival ein ganz wichtiger Kundenanlass», sagt er; gleichzeitig sei es für ihn auch jedes Jahr eine Rückkehr zu seinen Ursprüngen bei der UBS in Locarno – dort, wo er die Profifussball-Schuhe an den Nagel gehängt und seine zweite Karriere gestartet habe.
Vom Fussball zum Marathon
«Vielleicht verstehen Sie jetzt, warum die UBS meine Bank ist», sagt Pedrotti. Er interessiert sich heute auch weniger für Fussball, stattdessen betreibt er Ausdauersport. Derzeit trainiert er für den New York City Marathon, der Anfang November stattfindet.