Prinzipientreue oder Schadensminimierung: Die UBS steht mit dem gestrigen Urteil im französischen Verfahren um Beihilfe zu Steuerbetrug vor einer Grundsatzentscheidung.
Streiten lohnt sich manchmal doch. Nach dem ersten Urteil im Verfahren um die Anwerbung von reichen französischen Kunden vom Februar 2019 drohte der UBS noch eine Rekordstrafe von 4,5 Milliarden Euro, inklusive Schadenersatz. Ein Berufungsgericht in Paris hat diese Summe am (gestrigen) Montag nun auf insgesamt 1,8 Milliarden Euro reduziert.
Die UBS steht damit vor einer Güterabwägung, die sie mit kühlem Kopf treffen sollte. Die Straf-Reduktion kann man auch als eine Brücke sehen, die das Pariser Gericht der Grossbank gebaut hat. Doch ob das Rechts-Team und die Führung der UBS einen Fuss darauf setzen, ist fraglich.
Man werde das Urteil prüfen und alle Möglichkeiten in Betracht ziehen, inklusive einer Berufung, schreibt die Bank in einem Statement.
Zu dicke Kröte?
Einige Tage hat die Bank nun Zeit zu entscheiden, ob sie das Urteil anerkennt oder das Verfahren an das Kassationsgericht als nächste Instanz weiterzieht. Die um immerhin 2,7 Milliarden Euro tiefere Busse könnte ein starker Anreiz sein, einzulenken und zu zahlen. Andererseits müsste die UBS damit akzeptieren, dass sie sich strafbar gemacht hat – mit noch unabwägbaren Folgen in anderen Jurisdiktionen. Das könnte sich als eine zu dicke Kröte erweisen, um sie zu schlucken.
Das nun gefällte Urteil bestätigte die Verurteilung der UBS aus dem Jahr 2019 wegen «illegaler Bankwerbung» und «durch Steuerbetrug verschlimmerte Geldwäscherei».
Eine Frage der Ehre
Insbesondere der frühere UBS-CHef Sergio Ermotti hatte sich in dem Verfahren unnachgibig gezeigt. Doch inzwischen heisst der CEO Ralph Hamers, der dieses Verfahren aus der Zeit vor seiner Ankunft anders bewerten könnte.
Bisher hatte die Bank immer auf ihrer Rechtsposition beharrt, dass man nichts falsch gemacht habe. Den Vorwurf, dass man reiche Kunden gezielt angeworben hat, um deren Geld vor dem französischen Fiskus zu verstecken, wurde als gegenstandslos zurückgewiesen. Ein weiteres Kernargument war zudem, dass nach dem Zinsbesteuerungs-Abkommen zwischen der EU und der Schweiz von 2003 eine rückwirkende Verfolgung von Geldwäscherei nicht möglich sei. Dies harte Position wurde in Frankreich mitunter als arrogant empfunden.
Zwar hat die UBS zwischen dem ersten Prozess und dem Berufungsverfahren ihren Ton etwas abgemildert und ein neues Rechts-Team hatte übernommen. Strafrechts-Spezialist Hervé Temime hatte vom Pariser Staranwalt Jean Veil übernommen. Am Ausgang vermochte dies aber auch nicht grundlegend zu ändern.
Was ist das grössere Übel?
Das Management eines Unternehmens ist gegenüber ihren Aktionären verpflichtet, Schäden abzuwehren. Das wäre ein starkes Argument dafür, weiter zu prozessieren und eine Straf-Verurteilung unter allen Umständen zu vermeiden. Andererseits bedeutet ein Weiterziehen sich noch höher türmende Rechtskosten.
Bleibt die Frage, was den grösseren Schaden bedeutet. Um wie viel würde die Reputation angekratzt, wenn man zahlt? Was ist, wenn man dann auch nach Jahren weitere Prozesse als Straftäter am Pranger steht?
Die Frau, die wirklich zu viel wusste
Im Steuerfall der UBS in Frankreich geht es um Vorgänge, die bereits Jahre zurückliegen. Ins Rollen gebracht wurden sie nicht zuletzt durch die Aussagen und das Buch einer früheren Angestellten. Stéphanie Gibaud hatte von 1999 bis 2012 für die UBS in Frankreich gearbeitet und war dort für Kommunikation und Marketing zuständig. 2014 hatte sie in ihrem Buch «Die Frau, die wirklich zu viel wusste» über die mutmasslichen Steuerbetrugs-Praktiken der Bank berichtet.
Nach Punkten weiter im Rückstand
Die Strafreduktion kann zwar für die UBS als ein Erfolg gesehen werden. Die Urteile sprechen aber bisher eine andere Sprache. Nicht nur im Steuerfall selbst war die Bank bisher unterlegen. Auch gegen die Wistleblowerin Gibaud hatte die Bank einen arbeitsrechtlichen Fall verloren. Eine Klage gegen sie und ihren Verlag wegen Verleumdung hatte die Bank zurückgezogen. Beim Europäischen Gerichtshof in Strassburg war die UBS zudem mit einer Klage gegen die von Frankreich verlangte Sicherheitsleistung von 1,3 Milliarden Euro abgeblitzt.
In Belgien konnte die UBS den Steuerstreit inzwischen ohne ein Schuldeingeständnis abschliessen. Hier kamen die Schweizer gegen Zahlung von 49 Millionen Euro vergleichsweise günstig davon. Der Vorwurf der Geldwäscherei und des Betreibens einer kriminellen Organisation wurde dort fallengelassen.