Greenwashing-Vorwürfe gegen Schweizer Finanzakteure halten einer genaueren Prüfung oftmals nicht stand. Fakt ist: Der Schweizer Finanzplatz nimmt mit den Selbstregulierungen seine Verantwortung wahr.

Von Aurélia Fäh, Senior Sustainability Expert und Guillaume Toffel, Senior Legal Counsel bei der Asset Management Association Switzerland (AMAS)

Das Prinzip der Selbstregulierungen bewährt sich im Schweizer Finanzsektor seit Jahrzehnten als alternative Regulierungsform und stellt einen wesentlichen Pfeiler der hiesigen Finanzmarktarchitektur. Das tut es auch im Bereich Sustainable Finance und bei der Bekämpfung von Greenwashing.

Der kürzlich kommunizierte Entscheid des Bundesrats, auf eine staatliche Regulierung gegen Greenwashing im Finanzsektor vorläufig zu verzichten, ist somit die Fortführung des Subsidiaritätsprinzips als Leitgedanke schweizerischer Regierungsführung.

Unabhängige Prüfung

Die weiterentwickelte Selbstregulierung der Asset Management Association Switzerland (AMAS) sowie der Schweizerischen Bankiervereinigung (SBVg) und die neue Selbstregulierung des Schweizerischen Versicherungsverbandes (SVV) erfüllen nun weitgehend die Position des Bundesrates, in dem sie Vorgaben für die Definition von nachhaltigen Anlagezielen umsetzen wie auch die Beschreibung der angewendeten Nachhaltigkeitsansätze.

Zudem macht die AMAS-Selbstregulierung Auflagen bezüglich der Reportingpflichten und schreibt eine unabhängige Prüfung der Umsetzung der Nachhaltigkeitsansätze vor. Die AMAS hat ihre Verantwortung bei der Prävention von Greenwashing stets sehr ernst genommen: Greenwashing ist unvereinbar mit dem Erreichen des Zieles eines international führenden Schweizer Hubs für Sustainable Asset Management.

Qualitätsschritt vollzogen

Die nun erfolgte Weiterentwicklung der bereits im Herbst 2022 veröffentlichten Selbstregulierung Nachhaltigkeit der AMAS hat in wesentlichen Bereichen einen Qualitätsschritt vollzogen, der allen Anspruchsgruppen zugutekommt: Den Anlegerinnen und Anlegern, der Schweizer Asset-Management-Branche sowie dem Finanzplatz Schweiz als Ganzes.

Über 90 Prozent der Schweizer Asset Manager wenden die AMAS-Selbstregulierung bereits an, das entspricht einem verwalteten Vermögen von 1,3 Billionen Franken. Greenwashing-Vorwürfe gegen Schweizer Finanzakteure werden regelmässig von NGO und Umweltverbänden erhoben.

Bewirtschaftung der Empörung

Doch war es im Jahr 2023 ein bisheriges Darling der Schweizer Umweltszene, ein Entwickler und Anbieter von Co2-Zertifikaten, der einen Schweizer Greenwashing-Skandal internationalen Ausmasses verursachte. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren: Viele Greenwashing-Vorwürfe dienen der Bewirtschaftung der Empörung gegen die Finanzindustrie – oder sie gründen schlicht auf mangelndem Verständnis.

Denn viele Greenwashing-Vorwürfe halten einer genaueren Prüfung nicht stand. Dafür gibt es drei Ursachen: Erstens, die Mängel bei Definitionen und Standards sowie bei vergleichbaren Daten aus der Unternehmenswelt. Diese Mängel müssen behoben werden.

Falsche Versprechungen

Zweitens steht dem Mangel an objektiven Kriterien die subjektive Sicht von Anlegerinnen und Anlegern und ihren individuellen Wertvorstellungen gegenüber, die sie in ihren Finanzprodukten und Portfolios abbilden möchten. Wenn ein Anlagefonds nur in Aktien von CO2-emissionsarmen Unternehmen investiert, mag dies zwar einem Kundenwunsch entsprechen, klimaneutral zu investieren.

Kritiker könnten dem Anbieter aber vorwerfen, falsche Versprechungen in Bezug auf die Klimawirkung zu machen. Denn ein CO2-freier Fonds hat auf das Klima keine Auswirkung. Die dritte Ursache: Oft werden Anlageansätze schlicht falsch verstanden.

Dialog mit dem Management

Der bis heute am häufigsten angewandte Nachhaltigkeits-Anlageansatz «Exclusion», beispielsweise der Ausschluss von bestimmten CO2-intensiven Unternehmen oder Sektoren aus einem Anlageportfolio, hat keinen nachweisbaren Effekt: Zwar wird das Anlageportfolio «entkarbonisiert», aber nicht die Realwirtschaft.

Darum macht es oftmals mehr Sinn, ein Anlageportfolio mit Unternehmen zu führen, die einen CO2-Senkungspfad oder andere messbare Nachhaltigkeitsziele verfolgen und diese Unternehmensstrategien regelmässig zu überprüfen, mit dem Management einen entsprechenden Dialog zu führen sowie Druck über die Ausübung der Aktionärsstimmrechte aufzusetzen.

Bedürfnis der Asset-Management-Branche

Investment Stewardship oder Engagement gelten als Anlageansätze, mit denen effektiv Wirkung erzielt werden kann. Mit dem Swiss Stewardship Code haben AMAS und Swiss Sustainable Finance (SSF) im Herbst 2023 einen gemeinsamen Leitfaden für Asset Manager, Asset Owner und Finanzdienstleister zur Förderung der aktiven Ausübung von Aktionärsrechten durch Investoren in der Schweiz geschaffen.

Der Swiss Stewardship Code entspricht einem Bedürfnis der Schweizer Asset Management-Branche nach wirkungsvollen Investitionen und der Förderung von nachhaltigen Unternehmen. Tatsächlich kann sich die Branche dank neuer Standards und Leitlinien stärker darauf konzentrieren, die Realwirtschaft durch die Ausübung von Stewardship grüner zu machen, während sie sich früher auf grüne Anlageportfolios konzentrierte.

Griffige Instrumente

Mit der Selbstregulierung Nachhaltigkeit und dem Swiss Stewardship Code verfügt die Asset Management-Branche über griffige Instrumente, die nicht nur der Prävention von Greenwashing dienen. Mit ihnen können die Nachhaltigkeitsstrategie des Schweizer Finanzplatzes weiter vorangetrieben sowie in der Realwirtschaft konkrete Nachhaltigkeitsziele verfolgt und umgesetzt werden.

Zudem bringen sie dank eines prinzipienbasierten Ansatzes die notwendige Flexibilität mit, mit der Dynamik der globalen Entwicklungen im Bereich Sustainable Finance Schritt zu halten und mit den internationalen Regulierungen kompatibel zu bleiben.