Um die Liquidation der Greensill-Fonds voranzubringen, hat sich die Credit Suisse mit dem hoch verschuldeten Sanjeev Gupta auf ein Abkommen eingelassen. Das entpuppt sich als gewagtes Spiel für die Schweizer Grossbank.
Sanjeev Gupta steht am Anfang des Debakels um die Greensill-Fonds. Bereits vergangenen Februar nannte die amerikanische Zeitung «Wall Street Journal» (Artikel bezahlpflichtig) den Namen des indisch-britischen Stahlbarons in Zusammenhang mit möglichen Problemen im Fondsgeschäft der Credit Suisse (CS).
Wenige Tage später schreckte die Schweizer Grossbank die Finanzwelt auf: Die CS warnte, dass sie Fonds mit Vermögen von rund 10 Milliarden Dollar vom Handel ausgesetzt habe. In der Finanzaffäre, die sich mittlerweile über mehrere Kontinente ausgedehnt und schon zwei Banken die Existenz gekostet hat, spielt Gupta seither eine zentrale Rolle.
Überraschung an Pfingsten
Das gilt gerade in Bezug auf die CS. Der mit Stahl schwerreich gewordene Unternehmer versucht nach Kräften, sein hochverschuldetes Firmen-Konglomerat GFG Alliance über Wasser zu halten. Die Grossbank wiederum muss noch rund 4,2 Milliarden Dollar an Fondsvermögen flüssig machen und an ihre Kunden auszahlen. Dazu fordert die CS unter Einsatz harter Bandagen die Summe zurück, welche die Gupta-Firmen den CS-Greensill-Fonds schulden.
Umso überraschender war da die Meldung, dass sich die CS und Gupta am Pfingstwochenende auf ein Stillhalte-Abkommen betreffend der Stahlschmelze Liberty Primary Metals verständigt haben. Die GFG-Alliance-Tochter hat gegenüber den Greensill-Fonds nach Angaben der CS noch 1,2 Milliarden Dollar offen. Sie ist damit die grösste verbleibende Schuldnerin; nachdem die Schweizer Bank mit einer Liquidation der Firma gedroht hatte, ist sie nun auf einen pfleglicheren Kurs umgeschwenkt.
Das Ziel dürfte dasselbe bleiben – schleunigst das Geld hereinzuholen, das den CS-Greensill-Fonds noch geschuldet ist.
Britische Behörde ermittelt
Bei näherer Betrachtung entpuppt sich die neue Taktik aber aus mehreren Gründen als gewagtes Spiel. So ermitteln die britischen Behörden – in erster Linie das für schwere Betrugsdelikte zuständige Serious Fraud Office (SFO) – im Zuge der Greensill-Insolvenz wegen Betrugs und Geldwäscherei gegen die Gruppe des Milliardärs. Medienberichten zufolge läuft schon seit Wochen eine verdeckte Ermittlung zu GFG Alliance.
In einer Mitteilung von letztem Mai wies das SFO explizit daraufhin, dass auch die Finanzierung via Greensill untersucht werde.
Langwierig und belastend
Bis anhin sind die Ermittler auf keine Delikte gestossen. Beobachtern zufolge liegt es aber auf der Hand, dass im Zuge der Ermittlungen auch die Bankverbindungen des Konglomerats untersucht werden. Das SFO werde damit früher oder später bei der CS anklopfen.
Erhärtet sich der Betrugsverdacht, steckt die Grossbank aufgrund ihrer geänderten Taktik in Bezug auf Liberty Primary Metals in einer unangenehmen Lage. Denn dann hätte sich die CS mit mutmasslichen Kriminellen eingelassen, um an die Fondsvermögen heranzukommen.
Ob die britische Behörde die Bank nun als Opfer oder als Komplizin von eventuellen Betrügereien einstuft: Belastend und langwierig droht eine Untersuchung sowieso zu werden. Auf Anfrage von finews.ch wollte sich die zweitgrösste Schweizer Bank weder zu GFG Alliance und Gupta noch zu den SFO-Ermittlungen äussern. Eine interne Untersuchung zum Greensill-Debakel, die auch den Betrugsverdacht abklärt, dauert bei der CS an.
Nicht der einzige Gläubiger
Das Abkommen mit Liberty Primary Metals ist noch aus einem zweiten Grund eine gewagte Wette. GFG Alliance schuldet zahlreichen Gläubigern Geld, und es ist schwierig zu entschlüsseln, wie werthaltig das weit verzweigte Firmengeflecht inzwischen noch ist.
Das zeigt sich anhand des Stahlwerks Liberty Steel in Grossbritannien. Einem Bericht des britischen TV-Senders «BBC» könnten sich die dortigen Anlagen als wertlos erweisen. Interesse zeigt offenbar der chinesische Stahlriese Jingye Group, dem schon British Steel gehört.
Der belgische Arm Liberty Liège-Dudelange hat sich derweil unter einstweiligen Gläubigerschutz begeben. Die 2019 von der Konkurrentin Arcelor Mittal übernommenen Werke können aus kartellrechtlichen Gründen nicht an Arcelor zurückverkauft werden. Es müsste also ein anderer Käufer her, sollten sie liquidiert werden. Werke von Liberty in Italien wiederum könnten im Juni still stehen, weil sie nicht mehr mit Rohmaterialien beliefert werden.
Verzweigte «Swiss Connection»
Die CS ist bei alledem nicht das einzige Schweizer Geldinstitut, dass sich in eine Schicksalsgemeinschaft mit Gupta gezwungen sieht. Wie auch finews.ch berichtete, hat die hiesige Tochter der britischen Barclays Bank dem Unternehmer eine Hypothek vergeben. Mit dem Kredit finanzierte Gupta ein sechsstöckiges Stadthaus im Wert von 42 Millionen Pfund (umgerechnet fast 54 Millionen Franken) im Londoner Bezirk Belgravia.
Der Kaufvertrag wurde gemäss Medienberichten im vergangenen August abgeschlossen. Das Haus, das offiziell Guptas Ehefrau gehört, dient der Familie als Residenz in der britischen Hauptstadt.
Barclays Schweiz wollte die Millionen-Hypothek an die Guptas gegenüber finews.ch nicht kommentieren. In Grossbritannien, wo Tausende von Jobs in den Liberty-Stahlwerken gefährdet sind, hat der Kauf der Nobelvilla allerdings für einen Sturm der Entrüstung gesorgt.
Schon 2018 Fondschliessungen
Gemischte Gefühle ruft der umtriebige Stahlmagnat wohl auch beim in Zürich beheimateten Fondshaus GAM Investments hervor. Wie die CS musste auch GAM im vergangenen März den eigenen Greensill-Fonds schliessen; auch dieser hat offenbar GFG Alliance mitfinanziert.
Einem Bericht der «Financial Times» (Artikel bezahlpflichtig) zufolge hatten die Schweizer Ende 2020 zusätzliche Beziehungen zu Gupta lösen können. Diese hatten weiter bestanden, obschon im Jahr 2018 der Konnex Greensill-GFG den Asset Manager GAM schon einmal zu einer vorübergehenden Schliessung von Fonds gezwungen hatte.
GAM ist ein Indiz dafür, wie lange das Geschick anderer Schweizer Finanzakteure noch mit dem indisch-stämmigen Milliardär verwoben bleiben könnte.