Die UBS geht in ihrer Werbung den Fragen des Lebens nach. Marketing-Chef Johan Jervøe sprach mit finews.ch über die Resonanz der Kampagne.


Herr Jervøe, die UBS präsentiert sich vollkommen anders als noch vor zehn Jahren – die Bank gibt sich jetzt persönlicher, beinahe schon philosophisch. Warum?

Wir haben viele Personen aus unserer Zielgruppe interviewt und sind zum Schluss gekommen, dass wir eine direkte Kundenansprache wählen sollten, die transparent ist und auch ein wenig charmant. Es ist wichtig, die Sprache der Kunden zu verwenden, ansonsten riskiert man, an ihnen vorbei zu kommunizieren.

Wie haben Sie denn erkannt, was Ihre Kunden möchten?

Wir haben zum Beispiel während der Interviews Bilder und Videos gezeigt, um die Reaktionen der einzelnen Leute zu testen. Eines dieser Videos zeigte einen Mann in den Mitfünfzigern, der gerade in sein Privatflugzeug steigt, seine Frau sitzt bereits drinnen. Sein Private Banker steht daneben und erhält noch eine Unterschrift, bevor auch er im Flugzeug Platz nimmt. Die Reaktion unserer Kunden war: «Keiner von uns sieht so aus und lebt so ein Leben.»

Und daraufhin haben Sie beschlossen, mit der Fotografin Annie Leibovitz eine Kampagne zu starten?

Wir realisierten, dass wir Personen aus dem wahren Leben zeigen müssen, und Annie Leibovitz hat dafür ein besonderes Talent: Sie erfasst in einem Bild auf einmalige Art und Weise das Wesen einer Persönlichkeit.

«Das ist nun die schnelle Version der Story»

Und so ist es auch in der Kampagne: Sie zeigt reale Menschen in authentischen Situationen. Es könnten Kunden sein, die eine bestimmte Kundengruppe repräsentieren.

Wie ist die Partnerschaft mit Annie Leibovitz entstanden?

Als wir mit ihr erste Gespräche über die Fotos für unsere Kampagne führten, bemerkte sie, dass die UBS eine grosse Diversität-Agenda führt. Diversität ist eines der grossen Themen in der Arbeit und im Leben von Annie Leibovitz. Als sie sagte, sie würde gerne ihr Projekt «Women» weiterführen, das sie vor 15 Jahren begonnen habe, sagten wir zu. Das ist nun die sehr schnelle Version der ganzen Story.

In der laufenden Kampagne stellt die UBS dauernd Fragen – teilweise solche, die man gar nicht beantworten kann. Was soll das?

Markenkampagnen stehen in einem grösseren kulturellen Kontext. Sie sollten ein Spiegel des Unternehmens sein, wie es in seinem Inneren aussieht. Niemand kann ein anderes Bild seines Unternehmens vermitteln als es selber. Ich habe immer geglaubt, dass die UBS-Angestellten die wichtigsten Markenbotschafter sind.

«Das Management der Bank hat bereits sehr viel korrigiert»

Aus diesem Grund haben wir die Kampagne einige Monate vor dem offiziellen Start intern gezeigt. So haben wir die Reaktionen der Mitarbeiter getestet. Wir wollten ihr Feedback und ihre Inputs. Wir hatten ein enormes Feedback und dieses war sehr positiv.

Was ist die Botschaft Ihrer Kampagne?

Die Kampagne ist die Konsequenz unserer strategischen Transformation. Sie öffnet das nächste Kapitel.

Das letzte lautete «Wir werden nicht ruhen» und war eine Folge der Finanzkrise. Was unterscheidet das jetzige Kapitel vom vorherigen?

Während der Interviews für diese Kampagne haben wir realisiert, dass die Ereignisse der Finanzkrise 2008 und 2009 ausser im Schweizer Heimmarkt nicht mehr eine allzu grosse Rolle spielen. Das Management der Bank hat bereits sehr viel korrigiert.

«Offensichtlich bin ich nicht der typische Marketingleiter einer Finanzinstitution»

Die «Wir werden nicht ruhen»-Kampagne reflektierte das, was vor der Finanzkrise bei der Bank schief gelaufen war. Wir waren transparent, haben die Fehler benannt und gesagt, wir werden diese korrigieren, bis wir das Vertrauen unserer Kunden zurückgewonnen haben.

Das war eine glaubwürdige Art, zu kommunizieren. Wir konnten nicht alles wieder gutmachen, gestanden aber die Fehler ein und versprachen Besserung. Ich glaube nicht, dass dies durch eine fröhlich-bunte Kampagne möglich gewesen wäre.

Sie kommen aus der Konsumgüterbranche und haben lange für McDonald's gearbeitet.

Offensichtlich bin ich nicht der typische Marketingleiter einer Finanzinstitution. Was man aber in dieser Industrie sehr schnell lernt, ist, dass Geldsachen sehr ernst genommen werden. Und gerade darum kann man manche Themen mit einer gewissen Leichtigkeit angehen – nicht in Bezug auf den Inhalt oder die Botschaft. Sondern absichtlich: Wir wollen tatsächlich eine aktive Konversation darüber führen, was Kunden wünschen und erreichen möchten. Wir tun dies, indem wir den Kunden einige Fragen stellen.

Sagen das nicht die meisten Privatbanken von sich auch?

Das stimmt schon. Wir aber sagen es mit der Stimme des Kunden. Weil wir auf die Kunden fokussieren, wissen wir, wie sie denken. Menschen wollen ihre Probleme gelöst haben, und sie wollen aktiv mitentscheiden, was ihre Finanzen betrifft. Dies haben Untersuchungen gezeigt.

«Wir wissen dank unserer Interviews, dass die Kunden nicht einfach Antworten möchten»

Die meisten Finanzunternehmen sprechen über sich und ihre Produkte. Wenn ein Kunde mit seiner Bank spricht, erwartet er ab einem bestimmten Punkt, dass die Bank ihn über Folgen und Konsequenzen eines Engagements aufklärt. Wir wissen dank unserer Interviews, dass die Kunden nicht einfach Antworten möchten. Sie wünschen sich ein Spektrum von Fragen. Im Sinne von: «Woran habe ich noch nicht gedacht?»

Wie würden Sie das Marketing der UBS mit dem der Konkurrenz vergleichen?

Ich glaube, alle unsere Mitbewerber sind Unternehmen, die um die Aufmerksamkeit der Kunden buhlen. Also würde ich den Vergleich zu den besten Marketingkampagnen anderer Unternehmen ziehen, nicht zu denen anderer Banken.


Johan Jervøe ist seit 2013 Marketing-Chef der UBS. Er startete seine Karriere als Vermarkter der Milka Schokolade. Er war während 13 Jahren für den Fast-Food-Riesen McDonald's tätig. Jervøe ist Däne und studierte Betriebswirtschaft in Wien. Er sprach mit finews.ch anlässlich des Starts einer Markenkampagne, welche auf Frauen und Diversität fokussiert.