Der in Grossbritannien inhaftierte ehemalige UBS-Banker Tom Hayes sucht nach Beweisen, die ihn im Skandal um die Liborzins-Manipulationen entlasten. Nun zeigt er mit dem Finger Richtung Schweiz.
Für die einen ist er das klassische Bauernopfer. Noch dazu eines, das wegen seiner Asperger-Erkrankung besonders leidet. Die andern halten ihn für den grössten Finanzbetrüger aller Zeiten: Den ehemaligen UBS-Banker Tom Hayes, der 2015 als Drahtzieher im Libor-Skandal zu elf Jahren Gefängnis verurteilt wurde. Das ist das bislang härteste Urteil, welches ein Gericht in der weltweiten Affäre um die Manipulation der wichtigen Libor-Zinssätze gefällt hat.
Sicher ist: Der einst als brillanter Händler geltende Hayes, den die Schweizer Grossbank 2006 von der Konkurrenz abwarb und 2010 bereits wieder an die amerikanische Citigroup verlor, ist keiner, der still und leise in der Versenkung verschwindet.
Gang durch die Instanzen gebremst
Stattdessen wehrt er sich aus dem britischen Lowdham-Grange-Gefängnis heraus mit Händen und Füssen gegen das Urteil. Verschiedentlich ist er damit schon abgeblitzt. Letztes Jahr wurde ihm gar untersagt, an die oberste Instanz in Grossbritannien zu gelangen. Doch der 37-jährige Ex-Banker gibt nicht auf.
Wie die britische Zeitung «Guardian» berichtete, will Hayes dieser Tage an die Criminal Cases Review Commission (CCRC) gelangen, eine Art Verfahrensaufsicht. Dieser will er erklären, dass das über ihn verhängte Verdikt auf «unsicheren» Grundlagen beruht.
Hayes, der seinen kleinen Sohn ausserhalb der Mauern aufwachsen sieht, verweist auf entlastendes Material, das bei seiner Verurteilung jedoch nicht bereit lag. Insbesondere spricht er von nicht weniger als 8 Millionen Akten, die ihm zufolge im Hauptquartier der UBS in der Schweiz unter Verschluss gehalten werden.
UBS auf Bewährung
Die Grossbank nahm dazu gegenüber dem britischen Blatt keine Stellung. Dennoch kann das Institut nicht damit rechnen, dass es still wird um die Libor-Affäre.
Die UBS führt diverse hängige Verfahren im Libor-Komplex weiterhin als Rechtsrisiken in ihrem Geschäftsbericht. «Angemessene» Rückstellungen seien dafür getroffen worden, heisst es dort, ohne genaue Zahlen zu nennen. Die UBS wurde bereits im Jahr 2012 wegen ihres Parts in den Zinsmanipulationen von diversen Behörden mit rund 1,5 Milliarden Dollar gebüsst. Hinzu kamen 2015 eine zusätzliche Busse in den USA von 203 Millionen Dollar sowie eine dreijährige Bewährungsperiode.
In der Schweiz untersucht die Wettbewerbskommission (Weko) die Akte UBS weiter, wie die Behörde letzten Dezember mitteilte.
Schadloses Management
Derweil konnte sich das Top-Management in der Affäre schadlos halten. Der ehemalige Co-Chef der UBS-Investmentbank Carsten Kengeter etwa, den Hayes in seinem Prozess schwer zu belasten suchte, amtet sei Mitte 2015 als Chef der Deutschen Börse.
Anders als Hayes kamen diverse andere in die Libor-Manipulationen involvierte Händler mit einem blauen Auge davon. Einer startete gar eine zweite Karriere als House-DJ.
Hayes selber kämpft derweil auf ziemlich verlorenem Posten – die Aufsicht CCRC tritt durchschnittlich nur auf 3,5 Prozent aller an sie gerichteten Gesuche ein.
Lebende Legende
Hingegen ist der inhaftierte Ex-Trader auf dem besten Weg, zur Legende zu avancieren. So figuriert er als eine Art Anti-Held in «The Fix» (Bild oben), einem neuen Buch zum Libor-Skandal, das vom Medienhaus «Bloomberg» verlegt wird. In «The Spiders Network», einem weiteren Band, der demnächst erscheinen soll, widmet sich ein «Wall Street Journal»-Reporter dem verschwiegenen Händler-Netzwerk rund um die Figur von Hayes. Bauernopfer oder Betrüger – das letzte Urteil ist noch nicht gefällt.