Für Jho Low, dem Drahtzieher in der Korruptionsaffäre rund um dem 1MDB-Staatsfonds, war es eine Frage der Ehre, dass die Tessiner Bank BSI seine Millionen von Dollar wusch.
Mehrere Milliarden Dollar aus dem malaysischen Staatsfonds 1MDB sind auf wundersame Weise verschwunden und mutmasslich teilweise in die private Schatulle des ehemaligen BSI-Kunden Jho Low gewandert. Licht in die Sache brachte erst ein Schuldeingeständnis von Yak Yew Chee, dem ehemaligen Berater von Jho Low bei der BSI, worüber auch finews.ch berichtete.
Jho Low, der laut der Singapurer Staatsanwaltschaft als Architekt der rechtswidrigen Finanztransaktionen im Zusammenhang mit 1MDB gilt, reagierte höchst verstimmt, als ihm der besagte Yak Yew Chee auf den Zahn fühlen wollte, wie das Singapurer Magazin «The Edge» berichtete (Artikel bezahlpflichtig).
Er verwies Jho Low auf die geltenden Geldwäscherei-Bestimmungen und verlangte von ihm eine Erklärung der millionenhohen Geldtransfers, die innerhalb seiner Familie stattgefunden hatten.
Familienehre in Gefahr
Low konterte, solche Fragen würden die Ehrbarkeit seiner Familie verletzen, was in seiner Kultur ein Affront sei. Würden die Geldtransfers nicht ausgeführt, verliere er sein Gesicht.
Jho Low (Bild links), der aus der malaysischen Region Penang stammt, studierte an der renommierten Harrow School im Vereinigten Königreich aus. Dort freundete er sich mit Riza Aziz an, dem Stiefsohn des malaysischen Premierministers Najib Razak. Laut US-Staatsanwaltschaft haben die beiden mit Geldern aus dem Staatsfonds 1MDB den Hollywood-Streifen «The Wolf of Wall Street» finanziert.
Die Strafuntersuchungsbehörde beschuldigt Low, die Gelder zwecks Verschleierung der Herkunft auf diversen Konten seines wohlhabenden Vaters hin- und hergeschoben zu haben. Dies war auch der BSI aufgefallen und stellte Fragen.
Regeln mit kulturellen Argumenten ausgehebelt
In einer im November 2012 verfassten E-Mail an Yak Yew Chee und sechs weitere ehemalige BSI-Banker antwortete Low: «Es gibt überhaupt keinen Anlass daran zu zweifeln, dass es sich bei den Transfers um Gelder meiner Familie handelt».
«Werden Vermögenswerte generiert, dann stehen wir als Kinder in der Pflicht, davon einen Teil an unsere Eltern auszuhändigen. Dies gehört zu unserer Kultur», schrieb Low und schloss mit den Worten: «Ich hoffe, die Sache damit zu beenden, da es sich hierbei um ein kulturell sensitives Thema handelt. In unserer Familie ist der Respekt gegenüber älteren Generationen sehr wichtig.»
Die Antwort der BSI auf Low’s Schreiben wurde zwar nicht publik gemacht. Aber es ist davon auszugehen, dass er mit dieser Argumentation bei der BSI reüssierte.
Finma rüffelte BSI
In der Vergangenheit haben Private Banker ihre Kunden mit Samthandschuhen angefasst und waren bestrebt, ihnen jeden Wunsch von der Lippe abzulesen und auch zu erfüllen. Kundenbeziehungen wurden deswegen sehr selten aufgekündigt, wie ein Experte kürzlich auf finews.com ausführte.
«Der für die Führung dieser Beziehungen verantwortliche Kundenberater fiel wiederholt aufgrund seiner unkooperativen Haltung bezüglich Compliance-Anliegen auf, insbesondere bei der Behandlung von ungenügenden Transaktionsabklärungen. Die Vorgesetzten hatten hiervon Kenntnis, unterstützten aber nicht die Compliance-Funktion, sondern den Kundenberater», schrieb die Finma letzten Mai, als sie zusammen mit der Singapurer Finanzaufsicht MAS der BSI die Bankbewilligung entzogen hatte.
Yak Yew Chee bekannte sich kürzlich schuldig, Dokumente gefälscht und verdächtige Transaktionen dem Regulator nicht gemeldet zu haben.
Private Banker sind gefordert
Der Fall BSI zeige, für Private Banker spielten Kenntnisse fremder Kulturen und deren Gepflogenheiten neben technischem und finanzwirtschaftlichem Know-how eine wichtige Rolle, schrieb kürzlich der Wirtschaftssoziologin Brooke Harrington im angelsächsischen Online-Magazin «Aeon».
Der Stadtstadt Singapur ist geographisch in einer speziellen Situation. Umgeben von Ländern wie Malaysia und Indonesien mit teils grossen kulturellen und wirtschaftlichen Unterschieden, ist die Finanzbranche gefordert, einen adäquaten und gleichzeitig rechtmässigen Umgang mit Kunden zu pflegen.
Wie es scheint, hat Low diese heikle Lage für sich zu nutzen gewusst. Sein Aufenthaltsort ist nach wie vor nicht bekannt.