Ein in der Schweiz wohnhafter Fintech-Unternehmer fasziniert mit seiner Digitalbank WB21 zurzeit die amerikanischen Medien – während man in Deutschland an seiner Erfolgsstory laut zweifelt.
Vermutlich wäre Michael Gastauer (er verbot die Publikation seines Fotos) nur einer von vielen Rednern, die am nächsten Wochenende an der US Money20/20 in Las Vegas auftreten. An der grössten Fintech-Messe der Welt wird der Schweizer Fintech-Unternehmer seine Digitalbank WB21 präsentieren.
Doch zahlreiche US-Medien wie «Forbes», «BusinessInsider» oder «Wall Street Journal», haben ihn bereits als Finanzmogul, Fintech-Erfolgsmensch und Unternehmer klassifiziert. Denn Gastauer soll in weniger als einem Jahr mit WB21 eine der grössten Digitalbanken der Welt aufgebaut haben.
Grosser Auftritt in Berlin
Die Amerikaner bejubeln solche Erfolgsstories gerne und vorbehaltlos. In Europa hingegen, namentlich in Deutschland, herrschen Zweifel, insbesondere an Gastauer – und daran ist er nicht unschuldig.
Publizitätswirksam hatte er Ende September im Berliner Nobelhotel Adlon den Umzug seines Unternehmens von Singapur in die deutsche Hauptstadt angekündigt, inklusive der Schaffung von 200 Arbeitsplätzen. Wegen des Brexit habe London das Nachsehen, verkündete er damals.
Und dann die Zweifel
Offenbar hat Gastauer, der zeitweise in Zug lebt und dort auch Büros hat, den Mund etwas voll genommen. Kurz nach seinem Auftritt in Berlin erschienen in mehreren Publikationen – darunter in der «Financial Times» und in der «Süddeutschen Zeitung» – Artikel, in denen unverhohlen Zweifel an der Erfolgsstory des 41-Jährigen geäussert werden.
Zweifel an den angeblich mehr als eine Million registrierten Kunden, die über die WB21-Software Gelder in Echtzeit in der Höhe von mehr als fünf Milliarden transferiert haben sollen. Zweifel an der Unternehmensbewertung von 2,2 Milliarden Dollar und Fragen nach den vorhandenen Banklizenzen.
Ein sogenannter Serial Entrepreneur
Gemäss eigener Darstellung auf seiner Family-Office-Seite und seinem publizierten Lebenslauf ist Gastauer Financier, Philanthrop und Fintech-Unternehmer. Er hat mit 24 Jahren eine Vermögensverwaltung gegründet und diese nach fünf Jahren an eine Schweizer Investmentgruppe verkauft.
Sein zweites Unternehmen war bereits im Paymentbereich tätig, es hiess Apax Global Payment, und er verkaufte es offenbar 2008 für 480 Millionen Dollar an die malaysische CIMB-Bank. Seither hat er die WB21 aufgebaut.
Vermögensverwalter – und Hochstapler?
Soweit die Laufbahn gemäss Gastauer als Serial Entrepreneur. Doch auch diese ist mit Vorbehalt zu geniessen.
Denn bislang hat noch niemand die Verwicklungen Gastauers mit dem wohl grössten Finanzbetrüger der Schweiz aufgerollt – nämlich mit dem jüngst verurteilten Finanzbetrüger Dieter Behring. So geht aus Einträgen aus dem Schweizer Handelsregister hervor, dass Gastauer in der Schweiz ein Finanzunternehmen besass, die G&S Vermögensverwaltung. Und just diese Firma übernahm Behring Ende 2003.
Aus Zeitungsartikeln geht weiter hervor, dass der Geschäftsführer der G&S als Finanzbetrüger vom Bezirksgericht in Zürich zu einer bedingten Haftstrafe verurteilt wurde.
Hirngespinste und Grössenwahn
Tatsächlich hat der damaligen G&S-Geschäftsführer, noch keine 30 Jahre alt, den damals schon um seinen Ruf als Finanzgenie kämpfenden Behring um einen zweistelligen Millionenbetrag betrogen.
Der Staatsanwalt hatte den Angeschuldigten an der Gerichtsverhandlung als professionellen Hochstapler bezeichnet, sprach von Hirngespinsten und Grössenwahn des Angeklagten.
Luxuriöser Lebensstil
Offenbar hatte Gastauer mit seiner G&S Vermögensverwaltung ein Potemkinsches Dorf aufgebaut, das weder Kunden hatte, noch Gelder verwaltete. Und er soll Aktien verkauft haben, die ihm nicht gehörten, um seinen luxuriösen Lebenswandel zu finanzieren.
Gegründet hatte Gastauer die G&S 1998. Wenig später beteiligte sich die deutsche Starnberger 5-Seen-Land Vermögensbetreuung, kurz SV-Gruppe, des Financiers Peter Zimmermann, an der G&S.
Aktien veruntreut
Zimmermann war Hauptaktionär einer Beteiligungsfirma namens Realtos, die im Wesentlichen nur aus einem Aktienmantel bestand. Er übertrug rund 200'000 Realtos-Aktien an die G&S zur treuhänderischen Verwaltung.
Doch Gastauer verkaufte gemäss Darstellung Zimmermanns Ende 2003 und Anfang 2004 gesamthaft 60'000 der Realtos-Aktien, was auf eine Veruntreuung hinauslief. Zwischen Gastauer und Zimmermann war das Geschirr aber schon vorher zerbrochen.
Bereits im August 2003 hatte Zimmermann eine Tranche der G&S-Beteiligung an eine von Behring kontrollierte Gesellschaft, die Baklin Finanz, verkauft. Im Oktober ging eine zweite Tranche an Behrings Swisspulse. Die Verkaufsverhandlungen habe dabei Gastauer geführt. Gemäss Gerichtsakten erhielt er dafür 16 Millionen Franken.
Gastauer bestreitet, vorbestraft zu sein
Es war schliesslich Behring selber, der bei der G&S Unregelmässigkeiten entdeckte. Gastauer kam im Februar 2004 für 45 Tage in Untersuchungshaft. Er selber bestreitet dies in deutschen Medien. Auch sei er nicht vorbestraft. Für finews.ch war Gastauer nicht erreichbar.
Auffällig sind an dieser Geschichte zwei Dinge: Erstens scheut sich Gastauer nicht, den Verkauf der G&S Vermögensverwaltung als Teil seiner Erfolgsstory als Entreprenuer darzustellen.
Drei Erfolgsstories – jede zweifelhaft
Zweitens ist es ihm im Anschluss an eine Karriere als Vermögensverwalter innert kürzester Frist gelungen, mit Apax Global Payment ein Fintech-Unternehmen aufzubauen und – gemäss eigener Darstellung – es für eine halbe Milliarde Dollar zu verkaufen.
Seine dritte Erfolgsstory mit der Digitalbank WB21 scheint nahtlos an die vorangegangenen anzuknüpfen. Sein Erfolgsrezept hat Gastauer kürzlich dem «BusinessInsider» verraten.
Einnehmender Charme und Arbeitswut
Gastauer verfüge, ähnlich wie Politiker oder berühmte Schauspieler, über die Fähigkeit, jeden sogleich mit seinem Charme einzunehmen, hiess es da.
Ausserdem sei Gastauer mit einem unheimlichen Arbeitsethos gesegnet. Er besuche im Schnitt 15 Länder im Monat, manchmal nur für ein paar Stunden Aufenthalt. Wenn seine engsten Mitarbeiter um sechs Uhr morgens aufstünden, sei Gastauer bereits seit zwei Stunden am Werk.
Und wenn die Mitarbeiter um sieben Uhr abends Feierabend machten, käme es nicht selten vor, dass sie von Gastauer noch bis Mitternacht Telefonanrufe oder Emails erhielten, schrieb der offensichtlich beeindruckte Autor nach einem persönlichen Treffen.