Hongkong, Singapur, Indien und Indonesien, das waren bisher die Hoffnungs- und Wachstumsmärkte der Schweizer Banken. Doch die Perspektiven trüben sich nun zunehmend ein.
Asien gilt heute als der wichtigste Wachstumsmarkt für viele internationale Banken. Das kommt nicht von ungefähr. Seit Jahren nimmt der Wohlstand in dieser Region der Welt am stärksten zu. Sie bringt die meisten Millionäre und Milliardäre hervor, die auf vielfältige Finanzdienstleistungen angewiesen sind.
Auch im vergangenen Jahr war Asien die einzige Region der Welt, in der das «neue» Geld zweistellig, das heisst um 15 Prozent, wuchs, wie der jüngste, diese Woche präsentierte «Global Wealth-Report» der Beratungsgesellschaft Boston Consulting Group (BCG) dokumentiert.
Schwarzgeld auch in Asien
Doch bei genauerem Hinsehen könnte sich dieser Wachstums-Trend, von dem namentlich die Schweizer Banken enorm profitieren, in den nächsten Jahren sehr gut ändern. Denn der weltweite Kampf gegen Schwarzgeld und Steuerhinterziehung verbunden mit neuen, internationalen Transparenz-Richtlinien sind längst keine rein europäische oder amerikanische Angelegenheit mehr.
«Swiss Bank Accounts» mit ihren angeblich unversteuerten Geldern in Milliardenhöhe stellen mittlerweile auch für viele asiatische Staaten oder zumindest für deren Regierungen eine grosse Begehrlichkeit und damit ein Politikum dar. Oder anders gesagt: Asien mutiert langsam aber sicher zu einem potenziellen Brandherd für Schweizer Banken. Beispiele, die diese These untermauern, gibt es bereits einige.
1. Indien: «Wir wollen das Schwarzgeld zurückholen»
Schwarzgeld zurück nach Indien zu holen, war eines der Wahlversprechen von Indiens Premierminister Narindra Modi. Seine annähernd zwei Jahre dauernden Bemühungen blieben bislang fruchtlos. Die Schweiz verschanzte sich hinter den Resten ihres Bankgeheimnisses. Doch diese Woche ist Modi der Durchbruch gelungen.
Bei einem Treffen mit Bundesrat Johann Schneider-Ammann in Genf besprachen die beiden eine beschleunigte Aufnahme des Informationsaustausches (AIA) mit Steuerdaten. Indische Schätzungen gehen von bis zu 3 Billionen Dollar unversteuerter Gelder aus. Wieviel davon tatsächlich bei Schweizer Banken liegt, ist ungewiss. Die Statistik der Schweizerischen Nationalbank (SNB) weist nur wenige Milliarden Franken aus. Doch klar ist, Banking in Indien und mit indischen Kunden wird zu einem heiklen Unterfangen.
2. Singapur: Die «bessere Schweiz» zittert
Das knallharte Vorgehen der Monetary Authority of Singapore (MAS) gegen die Tessiner Bank BSI in Sachen 1MDB-Staatsfonds zeigt: Wenn es um die Reputation des Finanzplatzes geht, liegen im asiatischen Stadtstaat die Nerven blank. Denn Singapur will sein Image als «zweite», wenn nicht gar «bessere» Schweiz auf keinen Fall aufs Spiel setzen oder gar verlieren. Immerhin soll der Stadtstaat laut BCG-Report punkto verwalteter Vermögen bis 2020 den Finanzplatz London überrundet haben.
Darum erwarten Experten auch, dass die dort ansässigen Banken auf Geheiss der MAS ihre Compliance nochmals werden verstärken müssen. Schweizer Institute dürften dabei unter besonders scharfer Beobachtung stehen. Wie finews.ch schon berichtete, ist zu erwarten, dass die Kosten für die Risikoprävention und sonstige Regulierung allein dieses Jahr um rund 20 Prozent zunehmen werden. Insofern könnten die Wachstumsperspektiven vieler Schweizer Banken in Singapur durchaus eine Trübung erhalten.
3. Indonesien: Boom-Markt droht Amnestie
Das mehrheitlich muslimische Indonesien gilt bei den Schweizer Privatbanken als ein ganz wichtiger Boom-Markt. Von ihrem Hub in Singapur aus können die Swiss Banker den Inselstaat, der mit seinen sage und schreibe 250 Millionen Einwohnern zu den Bevölkerungsreichsten Ländern der Welt zählt, ideal bespielen.
Doch auch in Indonesien stehen den Chancen handfeste Risiken gegenüber: So will die Regierung dort kommenden Juli per Gesetz eine Steuer-Amnestie einführen, die mindestens sechs Monate und maximal ein Jahr gelten soll. Ziel ist es, die enorme Kapitalflucht einzudämmen und Gelder für den Aufbau der Realwirtschaft zurückzuholen. Laut Schätzungen sind knapp 900 Milliarden Dollar an undeklarierten Vermögen ausserhalb Indonesiens geparkt, was in etwa dem BIP des Landes entspricht.
Unter reichen Indonesiern ist die Amnestie ein heisses Thema, wie Erich Pfister, Private-Banking Chef der Schweizer Falcon Private Bank, gegenüber finews.ch unlängst bestätigte. Denn der Staat setzt im Umgang mit Steuerflüchtlingen auch auf die Peitsche: So prüfen die Behörden die Steuersituation von 78 Indonesiern, die im Rahmen der «Panama Papers» genannt wurden. Somit entpuppt sich auch Indonesien als zunehmend schwierige Geschäftsdestination für UBS, Credit Suisse und Co.
4. Härtere Gangart auch anderswo
Die Philippinen gelten in Sachen Transparenz nicht eben als Musterland, entsprechend hoch ist dort die Korruption. Der neugewählte Präsident, Rodrigo Duterte, will knallhart dagegen vorgehen und innert sechs Monaten den Staat von käuflichen Beamten, vom Drogenhandel und von Kriminalität säubern. Das verspricht er zumindest und droht dabei den Polizeioffizieren und Journalisten sogar öffentlich mit dem Tod, sollten sie sich dem widersetzen oder Unwahrheiten verbreiten.
Vor solchen raubeinigen Methoden müssen sich auch die Schweizer Banken in Acht nehmen. Nicht auszumalen, was ihnen drohen könnte, sollten sie in einen Korruptionsskandal oder unter Geldwäscherei-Verdacht geraten. Dies umso mehr als sowohl die UBS als auch die Credit Suisse den pazifischen Inselstaat als einen ihrer Fokusmärkte auserkoren haben. Auch die Bank Julius Bär hat in dem Land jüngst ihre Kapazitäten ausgebaut, wie finews.ch berichtete.
Sri Lanka ist für Schweizer Banken ebenfalls nicht ungefährlich. Zwar versuchen die singalesischen Behörden vorerst noch mit einer Mischung aus Amnestie und Lockangebot an unversteuerte Gelder zu gelangen. Doch dies könnte schnell in eine härtere Gangart umschlagen. Sie vermuten, dass bis zu 8 Milliarden Dollar an heimischen Vermögen auf Schweizer Bankkonti lagern.
Und last but not least interessiert sich auch Australien inzwischen brennend für undeklarierten Gelder seiner Bürger. «Es ist nur eine Frage der Zeit, bis wir euch finden», drohte die dortige Steuerbehörde Anfang Jahr, wie finews.ch berichtete. Auch hier also ist Vorsicht angezeigt.
5. Hongkong unter der Fuchtel Chinas
Als britische Kronkolonie mit der entsprechenden Bankenkultur (Stichwort: HSBC) und als Brückenkopf nach China war Hongkong jahrzehntelang das Finanzzentrum Asiens. Milliardenschwere Unternehmer, allen voran Li Ka-shin, trugen mit ihren Geschäfts-Imperien und ihrem Privatvermögen vollends dazu bei, dass sich diese Stadt zu einer Finanz-Hochburg entwickeln konnte, wo bis heute alle wichtigen Schweizer Banken vertreten sind. Selbst nach der Machtübernahme durch China im Jahr 1997 konnte sich Hongkong zunächst relativ frei weiterentwickeln.
Doch seit rund zwei Jahren ist dies nicht länger mehr der Fall. Die politische Spitze um Xi Jinping in Peking dehnt ihren Einfluss auf die einstige Kronkolonie laufend aus; vor allem die Absicht, die Korruption rigoros zu bekämpfen, hat das Business-Klima vergiftet, vor allem seit diverse Geschäftsleute über längere oder kürzere Zeit verhaftet worden sind und manchen von ihnen gar der Prozess gemacht wurde. Die Verwerfungen an der Börse in China und in Hongkong im Spätsommer 2015 sowie Anfang 2016 haben zusätzlich für Verunsicherung gesorgt, vor allem weil die Behörden so hilflos darauf reagiert haben.
Seit in Hongkong so viel Unsicherheit besteht, wächst auch der Unmut in der Bevölkerung, was sich immer wieder in Demonstrationen oder gar politischen Scharmützeln niederschlägt.
Dieser Cocktail an Unwägbarkeiten ist für jedes Finanzzentrum reines Gift, mit dem über kurz oder lang die Banken kontaminiert werden könnten. Wie jüngst in Singapur zu beobachten war, braucht es nicht viel, bis eine Bank auf Grund zweifelhafter Kundengelder in Teufels Küche gerät. Für die Schweizer Banken bedeutet das ganz klar: Sogar im einst beliebten Hongkong werden künftig die Bäume nicht mehr in den Himmel wachsen.