Seit Tidjane Thiam bei der Credit Suisse die Führung übernommen hat, loben viele Börsianer die Grossbank in den Himmel. Alain Dupuis, viel beachteter Bankenspezialist beim französischen Vermögensverwalter Oddo, mag sich jedoch von der Hurra-Stimmung nicht vereinnahmen lassen, wie er gegenüber finews.ch erklärt.
Alain Dupuis (Bild unten) gilt als einer der besten Kenner der europäischen Bankenszene. Das muss er auch sein: Denn für die Kunden des französischen Vermögensverwalter Oddo & Cie verwaltet er von Paris aus den Fonds Oddo European Banks und verantwortet dort ein Vermögen von 170 Millionen Euro. Geld, dass er der Ausrichtung des Fonds zufolge ausschliesslich in europäischen Bankwerten anlegen darf.
Das fällt ihm derzeit leichter als auch schon, wie er im Gespräch mit finews.ch schildert. «Wir sind derzeit sehr optimistisch, was einzelne Banken betrifft», sagt er. Dupuis schaut sich dabei stets die Ländermärkte an und wählt dann die Institute aus – und ist dabei überaus wählerisch.
Wenig Gewinn
Das zeigt sich gut am Beispiel der Schweiz: Hier investiert er in die UBS – jedoch nicht in die Aktien der Erzrivalin Credit Suisse (CS). Und er scheut sich im Gegensatz zu den meisten anderen Fondsmanagern auch nicht, klipp und klar zu sagen, weshalb.
Ganz offensichtlich lässt sich der ruhig und überlegt wirkende Dupuis nicht von der Hurra-Stimmung nach dem Antritt des neuen CS-Chefs Tidjane Thiam vereinnahmen. «Auch wenn Herr Thiam seine Pläne auf sehr glaubwürdige Weise dargelegt hat, erwarte ich nicht, dass die Restrukturierung der Bank rasch abgeschlossen sein wird.»
Vielmehr befürchtet Dupuis, dass die CS sowohl dieses wie auch nächstes Jahr nur relativ wenig Gewinn wird abliefern können.
Übernahme ist keine Option
Derweil hat der Oddo-Fondsmanager klare Erwartungen, was die CS in dieser Zeit zu tun hat. Keine Option sind für ihn Übernahmen im Private-Banking-Geschäft – ein Szenario notabene, über das die Branche seit Monaten spekuliert. «Speziell im Private Banking müssen Käufer in der Lage sein, eine Menge Goodwill auf ihre Bilanzen zu nehmen», erklärt der Fondsmanager. Dafür sei die CS aber nicht ausreichend kapitalisiert.
Besser wäre es, findet Dupuis, wenn CS-Chef Thiam in einem ersten Schritt das Eigenkapital der Grossbank stärkte. «Eine Kapitalerhöhung würde an den Börsen wohl positiv aufgenommen werden, weil die CS damit die Mindestanforderungen an die Kapitalisierung schneller erreichen könnte», ergänzt er.
Nebel des Ungewissen
Ohne Kapitalerhöhung würde das Unternehmen für die nächsten drei Jahre in einer «Nebelbank des Ungewissen» verschwinden, drückt sich der Oddo-Spezialist geradezu prosaisch aus.
Zudem ist Dupuis nicht überzeugt, dass sich mit dem Wechsel auf CEO-Ebene auch die Firmenkultur bei der CS nachhaltig ändere. «Wir sähen es auch gerne, wenn gewisse Mitglieder des Verwaltungsrats ersetzt würden», sagt Dupuis gegenüber finews.ch. Ob er damit auch den Präsidenten Urs Rohner meint, wollte der Oddo-Mann allerdings nicht sagen.
So oder so fürchtet Dupuis, dass sich die CS auf dem inzwischen eingeschlagenen Kurs zu einem Klon der UBS entwickelt – also zu einem grossen Vermögensverwalter mit einem Investmentbanking als Zulieferer. «Für Investoren», gibt er zu bedenken, «ist es kaum interessant, die Wahl zwischen zwei ‹UBS-Banken› zu haben.»
Original mit Potenzial
Lieber investiert er in das Original. «Wir nehmen an, dass der Margenschwund und die Vermögensabflüsse wegen des Steuerstreits nun ihren Höhepunkt durchschritten haben», erklärt Dupuis. Höhere Aktivität der Kunden in den Onshore-Märkten sowie der Rückfluss der immensen Cash-Bestände von der Seitenlinie in andere Anlageklassen böten derweil einiges Potenzial.
Zudem ist er auch seitens der Rechtsstreitigkeiten positiv überrascht von der UBS. «Bisher zahlte die UBS viel weniger Bussen, als wir befürchteten», sagt Dupuis. Dies lasse hoffen, dass die Bank künftig mehr Geld für Ausschüttungen an die Aktionäre übrig habe.
Ein sehr technisches Thema, aber...
Und schliesslich unterschätzten die Börsianer derzeit das Potenzial der rund 20 Milliarden Franken an so genannten Deferred Tax Assets (DTA) – latenten Steuern auf Verlustvorträgen – welche die UBS derzeit in ihren Büchern führe. «Das ist ein sehr technisches Thema, aber es kann die Dividendenpolitik ganz wesentlich beeinflussen», unterstreicht Dupuis – und positioniert sich entsprechend.