Mit Valora steigt ein Handelsunternehmen ins Schweizer Banking ein. Und eine Kantonalbank führt der Branche vor, welche Chancen Fintech bietet. Das sind die Fakten zu den neusten Valora-Plänen.
1. Ein Angriff von aussen
Mit der Kioskbetreiberin Valora greift ein traditionelles Handelsunternehmen die führenden Konsumkreditanbieter frontal an. Es ist ein Angriff von aussen – ein Branchenfremdling macht den Platzhirschen das Revier streitig.
Einen ähnlichen Vorgang hatte der Finanzplatz schon einmal erlebt, als die Detailhandelsriesen Migros und Coop ihrerseits Banken gegründet hatten. Dem friedlichen Nebeneinander in der Schweizer Bankenlandschaft hatte dieser Markteintritt keinen Abbruch getan. Heute sind die Verhältnisse anders: Die Banken kämpfen um den Erhalt ihrer traditionellen Geschäftsmodelle und mit völlig anderen Kundengewohnheiten.
Der Angriff von Valora mag mutig erscheinen. In Zeiten, in denen IT-Konzerne wie Apple oder Facebook sich anschicken, die Wertschöpfungskette der Bankenbranche aufzubrechen, ist der Schritt von Valora aber vielmehr ein Warnzeichen.
2. Eine Flucht nach vorne
Für Valora ist es auch eine Flucht nach vorne. Die Kioskbetreiberin erfährt an vorderster Front, was es heisst, mit sich rasant verändernden Kundengewohnheiten und -bedürfnissen konfrontiert zu sein. Seit Jahren wird am Kioskkonzept und -sortiment herumgebastelt. Zuletzt wurde das Pressegeschäft wegen sinkender Umsätze verkauft.
Gute Erfahrungen machte Valora hingegen mit dem Verkauf von Prepaid-Kreditkarten – vor allem bei jungen Konsumenten. Die ersten Schritte im Finanzdienstleistungsgeschäft machte der Konzern in Zusammenarbeit mit der Cornèr Bank 2013. Im Vergleich dazu ist aber das jetzige Vorhaben ein Quantensprung. Denn Valora will offenbar eine ganze Palette von Finanzdienstleistungen anbieten – digital und auch mobil. Sie macht den Sprung ins Banking.
3. Digitale Innovationen
Valora gründet nicht einfach eine Bank, wie es Migros und Coop getan haben. Das Unternehmen setzt bei seiner Expansion ins Finanzdienstleistungsgeschäft auf die Karte Fintech. Das heisst, Angebote und Dienstleistungen werden online und mobil zu haben sein.
Das bestehende Vertriebsnetz mit den über 900 Kiosken dient dabei als Geschäftsmotor. Kern des zukünftigen Valora-Geschäfts bildet aber das neu gegründete Fintech-Unternehmen, im Handelsregister zurzeit noch als Almond Retail Services eingetragen.
4. Zielgruppe «Digital Natives»
Es ist offensichtlich, dass Valora mit dem geplanten Angebot im Kreditbereich auf eine junge Kundschaft zielt – das tut sie bereits mit ihren Prepaid-Kreditkarten, die von 14-Jährigen gekauft werden können. Der Zeitpunkt für eine neue Fintech-Anwendung im Kreditbereich ist mehr als reif: Denn die «Digital Natives», wahlweise auch Millennials oder Generation Y genannt, sind mit Smartphones, Apps und mobilen Anwendungen erwachsen geworden und stellen eine sehr potente Kundengruppe für die Zukunft.
Sie verspüren nicht die Hemmschwellen älterer Generationen bei der Erledigung von Geldgeschäften über ihr Smartphone. Valora trifft somit auf Bedürfnisse bei den «Digital Natives», die von den etablierten Banken und ihren traditionell gefärbten mobilen Anwendungen bislang nicht erfüllt werden.
5. Eine kluge Partnerwahl
Valora hat weder das Know-how, noch die Lizenz und auch nicht die Bilanz, um ins Banking einzusteigen. Dafür hat sich das Unternehmen die Glarner Kantonalbank ins Boot geholt, welche die Finanzierung bereitstellen soll. Valora geht damit einen goldenen Mittelweg.
Während zahlreiche Fintech-Startups den Erfolg gänzlich ohne Partnerschaft suchen und mit ihren Geschäftsmodellen traditionelle Bankbereiche frontal angreifen, hat sich Valora mit einer Bank zusammengetan, um den Angriff zu wagen. Die Vorteile dieses Vorgehens sind klar: Das finanzielle Risiko bleibt überschaubar und aus regulatorischer Sicht ist der Vorstoss ins Banking mit der Glarner Kantonalbank im Boot wohl einfacher zu handhaben.
6. Wer baut's?
Gemäss Recherchen von finews.ch hat Valora das Zürcher Fintech-Unternehmen Additiv als Technologiepartner gewählt. Gründer und Chef von Additiv Michael Stemmle gehört zu den führenden Fintech-Köpfen der Schweiz. Mit der Wahl des richtigen Technologiepartners kann Valora die nicht unerheblichen Risiken ihres Vorhabens immerhin auf dieser Seite einschränken.
Additiv hat digitale Bankensyteme für Front- und Mid Office gebaut, auch Apps fürs Private Banking. Für die Glarner Kantonalbank hat Additiv zudem den «Investomat» entwickelt, ein Online-Tool für individuelle Vermögensverwaltung.
7. Glarner Kantonalbank macht es vor
Das teilprivatisierte Staatsinstitut spielt als Finanzierer eine Schlüsselrolle in den Plänen von Valora. Doch dahinter steckt natürlich mehr: Über Valora kann auch die Glarner Kantonalbank ihr angestammtes Geschäftsgebiet verlassen und kommt in der ganzen Schweiz zu neuen Kundenkontakten.
Das ist eine kluge Strategie, welche die Bank unter der Leitung von Hanspeter Rhyner auch mit ihren Online-Angeboten «Hypomat», «Kontomat», «Investomat» und «Risikomat» verfolgt und ihr den Beinamen «digitalste Bank der Schweiz» eingebracht hat: Weil das Internet keine Grenzen kennt, kann die Bank auch in Märkten Kunden gewinnen, die nicht zum Stammgebiet des Kantons gehören.
Indem sie sich mit einem bislang branchenfremden Partner wie Valora zusammentut, erhält sie nun erneut genau das, was der Schlüssel für ein erfolgreiches Banking der Zukunft ist: Kunden und Reichweite. Die Glarner Kantonalbank zeigt damit einmal mehr, dass sie ausserhalb der Grenzen denkt, welche andere Kantonal- und Regionalbanken bislang nicht zu sprengen vermochten.