Kommt es im Backoffice zum Blutbad? Fahren an der Bahnhofstrasse 1 bald die Zügelwagen vor? Blüht demnächst ein «Zürcher Frühling»? Und was geschieht mit Alexander Classen? Hier sind Antworten auf drängende Fragen zum Thema Coutts.
Mit dem Verkauf an die Genfer Union Bancaire Privée (UBP) hat die Bank Coutts International nach langen Monaten des Verhandelns zwar eine neue Besitzerin. Doch für viele Mitarbeiter von Coutts hält die Ungewissheit an.
Die am vergangenen Mittwoch über finews.chbekannt gewordenen Abgänge des Chefs der Genfer Coutts-Filiale sowie der beiden Leiter des Russland-Desks weisen auf erhebliche Fliehkräfte bei der übernommenen Bank hin. Die Verunsicherung dürfte allerdings auch in Zürich gross sein, denn ein Grossteil der weltweit 1'300 Stellen sind in der Limmatstadt angesiedelt.
Wie sicher diese Jobs noch sind, was aus dem alten Hauptquartier wird und wer künftig das Kommando hat: Das alles sind Fragen, die derzeit die Coutts-Belegschaft am Standort Zürich umtreibt. Dazu fünf Überlegungen:
1. Kommt es im Coutts-Backoffice zu einem Blutbad?
Sofern die Integration der Bank ABN Amro (Schweiz) die Blaupause jeder UBP-Übernahme ist, müssten sich die Backoffice-Angestellten bei Coutts in Zürich gehörig Sorgen machen. Denn damals zeigte sich die Genfer Käuferin ausschliesslich an den Kundenberatern interessiert; die rückwärtigen Dienste hingegen löste die Bank sofort auf.
Droht dem Hauptquartier von Coutts nun dasselbe Los? Nein, beteuert ein UBP-Sprecher auf Anfrage von finews.ch. Mit der Coutts-Mutter RBS sei vielmehr vereinbart worden, dass diese das Backoffice in Zürich weiter betreibe, um das RBS-Wealth Management in Grossbritannien zu unterstützen.
Dabei geht es nicht zuletzt um den Unterhalt einer modernen Avaloq-IT-Plattform, die unter der Ägide von Ex-RBS-Vermögensverwaltungs-Chef Rory Tapner von der Schweiz aus in der ganzen Division eingeführt wurde.
2. Was geschieht mit den Kundenberatern?
Laut Kennern der UBP agieren die Kundenberater dort an der langen Leine – trotz einer kürzlich eingeführten Matrix-Struktur. Ebenso sehr gilt aber auch, dass Neuzugänge bei der Bank richtiggehend «performen» müssen. Ansonsten hätten sie gegenüber den alteingesessenen Kollegen schnell einmal das Nachsehen, heisst es weiter.
Zuletzt waren es vor allem die Kundenberater in den Märkten Asien und Osteuropa, die bei Coutts das Wachstum brachten. Demgegenüber stand bei der europäischen Kundschaft der Bank umfangreiche «Aufräumarbeiten» im Vordergrund – wegen der Steuerthematik. Die UBP wiederum kann es sich leisten, bei der Annahme von Kunden und Beratern wählerisch zu sein. Sie zahlt der RBS am Ende nur für die integrierten Assets.
3. Blüht bald ein «Zürcher Frühling» bei der UBP?
In Zürich müssen sich nun nicht weniger als 200 Coutts-Kundenberater der Integration stellen. Auch wenn nur ein Teil davon bei der UBP in Zürich bliebe, würde der Standort gegenüber dem Genfer Mutterhaus massiv an Gewicht gewinnen.
Die politischen Implikationen innerhalb der von Patron Edgar de Picciotto patriarchalisch geprägten UBP sind schwer abzuschätzen. Wie Kenner des Hauses berichten, wurde die Zürcher Niederlassung unter Hansruedi Huber lange Jahre höchst eigenständig geführt. Der im August 2014 als Zürich-Chef angetretene Ex-Merrill-Lynch-Banker Peter Schmid verbringe hingegen viel Zeit am Genfer Standort, heisst es.
Mit der «neuen Masse» an übernommenen Coutts-Beratern könnte sich der Standort Zürich innerhalb der Bank bald wieder aufmüpfiger gebärden.
4. Fahren an der Bahnhofstrasse 1 bald die Zügelwagen vor?
Mit der Übernahme der Nordfinanz Bank 1995 kam die UBP zum Gebäude an der Bahnhofstrasse 1. Das sie dort fortan logierte, komme nicht von unegfähr, wie Kenner der Bank berichten: Die «erste Bank» an der Zürcher Luxusmeile zu sein, entspreche ganz klar dem Denken des nimmermüden UBP-Gründers Edgar de Picciotto. Entsprechend ist ein Umzug aus dem Blockbau (Bild) mit seiner mattgoldenen Fassade «hors question». Auch wenn das Coutts-Gebäude beim Zürcher Selnau mehr Platz bieten würde.
«Sämtliche in Zürich übernommenen Coutts-Mitarbeiter werden in die bestehenden Räumlichkeiten an der Bahnhofstrasse 1 einziehen», bestätigt die UBP gegenüber finews.ch. Zudem habe die Bank ein weiteres Gebäude angemietet. Dennoch deutet einiges darauf hin, dass es bei der UBP in Zürich doch eher eng werden könnte.
5. Kommt Alexander Classen zu neuen Weihen?
Auch Alexander Classen bleibt keine Zeit zum Rasten. Der Westschweizer, der 2011 das Ruder bei Coutts International übernahm und mit der Bank ambitiöse Ziele erreichen wollte, soll nun die Integration managen. Man habe ihn zu dieser «sehr wichtigen Aufgabe eingeladen», heisst es bei der UBP nobel. Erst nach vollendeter Mission soll dann seine «zukünftige Rolle besprochen» werden.
Classen, der zuvor Führungsaufgaben bei Morgan Stanley, Goldman Sachs und Pictet innehatte und sowohl Europa wie auch den Nahen Osten sowie Asien wie seine Hosentasche kennt, dürfte sich indessen kaum mit einer niedrigen Charge bei der UBP begnügen. Entschliesst er sich zu bleiben, könnte er sowohl Zürich-Chef Schmid wie auch Private-Banking-Leiter Michel Longhini gefährlich werden.
Angesichts der jüngsten Abgängen seiner Vertrauten bei Coutts könnte Classen jedoch auch versucht sein, das Schiff vorzeitig zu verlassen. Doch CEO-Stellen bei Schweizer Privatbanken sind derzeit rar – und angesichts des Umfelds auch wenig attraktiv.
Eher könnte Classen in einem Verwaltungsrat wieder auftauchen – wie Joachim Strähle, der «seine» Bank Sarasin in die Fusion mit der brasilianischen Safra führte, von der Bildfläche verschwand – und dieser Tage das Präsidium der Privatbank EFG antrat.
Die UBP hält derweil fest, sie werde die neue Organisation dem Personal in den kommenden Monaten mitteilen. So darf man auf weitere Antworten gespannt sein.