Yves de Montmollin, Chef der Neuenburger Banque Bonhôte, über waghalsige Abenteuer, Adresskarteien, und wie man den Mitarbeitern Perspektiven bietet.
Herr de Montmollin, seit es schwieriger ist, ausländische Kunden zu betreuen, besinnen sich immer mehr Bankhäuser auf die Klientel in der Schweiz. Wird der Markt für Sie damit nicht zu eng?
Der hiesige Markt wächst tatsächlich nicht mehr stark. Es geht eher darum, zusätzliche Marktanteile zu gewinnen. Wenn sich manche Finanzinstitute nun für das Schweizer Geschäft interessieren, dann ist das für sie oftmals etwas Neues.
Denn jahrzehntelang haben sie sich nur um ausländische Kunden bemüht und ihr Geschäftsmodell und ihre Strukturen entsprechend ausgerichtet.
«In Singapur verdienen wenige Banken Geld»
Tatsache ist aber, dass hierzulande die Margen tiefer und die Kosten wesentlich höher sind als im grenzüberschreitenden Geschäft. Da wir den Schweizer Markt aber schon immer bearbeitet haben, sind wir mit unserer Geschäftsstruktur eindeutig im Vorteil. Wir haben uns auch nie in waghalsige Auslandsabenteuer gestürzt, wir waren immer in unserem Einzugsgebiet tätig, nicht beispielsweise in Singapur, wo die wenigsten Banken Geld verdienen.
Wie muss man sich Ihre Klientel vorstellen?
Unsere Kundschaft besteht zu 85 Prozent aus Personen, die in der Schweiz wohnen; der Rest ist ausländische Klientel, wobei ich festhalten muss, dass unsere Bank erst nach der vollständigen Übernahme durch Jean Berthoud im Jahr 1992 zu expandieren begonnen hat, also zu einem Zeitpunkt, da die Steuerthematik schon ziemlich konkret war, so dass wir uns auf Kunden mit deklarierten Vermögen konzentriert haben.
«Diese Zeiten sind vorbei»
Schwarzgeld war also nie ein Problem für Ihre Bank?
Nein. Wir haben keine Kunden, die auf Bergen von Schwarzgeld sitzen. Die Zeiten, als in der Regierungszeit von François Mitterrand in den 1980er-Jahren viele vermögende Franzosen mit Koffern voller Geld über die Grenze gekommen sind, sind definitiv vorbei. Doch damals waren wir auch nicht in diesem Geschäft tätig.
Wir haben heute ein paar angelsächsische Kunden – aber ohne Probleme. Wir sind der zweifelhaften Klientel nie hinterher gerannt, selbst dann nicht, als sie sehr leicht zu haben gewesen wäre und als wir, wie andere Institute das getan haben, dadurch sehr schnell hätten wachsen können.
In den vergangenen zwanzig Jahren haben Sie sich in der Westschweiz als kleine, aber feine Privatbank etablieren können, und darüber hinaus haben Sie eine Niederlassung in Bern eröffnet. Worin besteht Ihre Strategie?
«Wir sind teilweise schon in Zürich aktiv»
Wir folgen unserer Klientel. Die Eröffnung des Genfer Büros ergab sich, weil wir dort einige bedeutende Kunden hatten. Eine neue Geschäftsstelle bedingt allerdings auch, dass man die richtigen Mitarbeiter findet. So haben wir expandiert.
Wird nach Bern bald schon der Schritt in die Finanzmetropole Zürich folgen?
Es ist zu früh, um solche Ankündigungen machen zu können. Tatsache ist, dass wir seit einigen Jahren ein starkes Wachstum verzeichnen und dass wir teilweise schon in Zürich aktiv sind. Mit dem Vermögensverwalter Rieter Fischer Partners arbeiten wir beispielsweise bereits im institutionellen und im Fonds-Bereich zusammen. Auch in unserem Immobilienfonds haben wir viele Investoren aus der Deutschschweiz.
Braucht es denn im Online-Zeitalter überhaupt noch Geschäftsstellen?
Absolut. Jede unserer Filialen ist vor dem Hintergrund entstanden, dass wir unseren Kunden folgen wollen. Sie sollen uns besuchen können, in unseren Räumlichkeiten. Wir wollen persönliche Geschäftsbeziehungen unterhalten. Dies, im Gegensatz zu den Grossbanken, wo man, gerade umgekehrt, grossen Wert darauf legt, dass ein Berater möglichst keine eigenen Kundenbeziehungen unterhält, sodass der Kunde eindeutig der Bank gehört und nicht dem Berater, der jederzeit zur Konkurrenz wechseln kann.
«Unsere Personalfluktuation ist gering»
Das könnte doch auch bei Ihnen geschehen?
Ja, schon, doch unsere Personalfluktuation ist sehr gering. Wir können unseren Leuten Perspektiven bieten, weil wir als unabhängige Privatbank nicht gezwungen sind, Quartal für Quartal auf Teufel komm raus höhere Erträge auszuweisen. Wir können langfristig arbeiten und so auch unsere Mitarbeiter besser behandeln. Bei grösseren Banken kommt es nicht selten vor, dass die Kundenberater alle zwei Jahre wechseln. Nicht bei uns.
Wie unterscheiden Sie sich sonst noch von der Konkurrenz?
Wir werden zwar demnächst 200 Jahre alt, aber wir sind jung geblieben und dynamisch. Dass etwa 70 Prozent unseres Kapitals in den Händen des Managements und der Mitarbeiter liegt, trägt sicherlich dazu bei. Dies verleiht ein anderes Verantwortungsgefühl, als wenn jemand für ein grosses Institut arbeitet. Ausserdem liegt das Durchschnittsalter unserer knapp 100 Beschäftigten nicht bei 60 Jahren, sondern viel tiefer.
«Wir verleugnen unsere Wurzeln nicht»
Aber Ihre Klientel ist alt?
Das war sie vor zwanzig Jahren. Wir verleugnen unsere Wurzeln nicht, aber wir suchen heute Privat- und Firmenkunden, die sich mit uns entwickeln. Das verjüngt alle Beteiligten. Rund 70 Prozent unseres Kundenstamms sind Einzelpersonen und Familien, der Rest sind Institutionelle, also Pensionskassen und andere Vorsorgeeinrichtungen.
Wie findet man neue Kunden?
Zuallererst muss jeder Kundenberater eine Adresskartei mit potenziellen Kunden besitzen. Das ist das A und O in unserem Metier. Um Kontakte anzubahnen, organisieren wir regelmässig auch kleinere Veranstaltungen mit etwa 20 Teilnehmern im Haus.
Wir behandeln dann ein aktuelles Thema und verbinden diese Anlässe mit einer Präsentation der Bank und ihrer Dienstleistungen. Für institutionelle Kunden machen wir solche Anlässe in einem grösseren Rahmen, oftmals mit einem bekannten Gastreferenten.
Das klingt alles sehr altmodisch. Ist das noch der richtige Weg im Online-Zeitalter?
Natürlich machen wir uns auch Gedanken über die Bank der Zukunft. Es ist uns klar, dass wir morgen auf dem Smartphone unserer Klientel werden präsent sein müssen. Wir bieten bereits heute solche Online-Tools an. Aber wir stellen uns immer auch die Frage, wie weit man gehen muss.
Denn letztlich sind wir der Überzeugung, dass selbst in einer Zeit, in der fast alles virtuell ist, der Beratung ein enorm hoher Stellenwert zukommt. Denn die Welt wird leider nicht einfacher, sondern komplexer. Dadurch steigt auch im Finanzbereich die Gefahr, sich zu täuschen – umso wichtiger ist daher die Beratung durch Fachleute.
«Man muss die richtigen Fragen stellen»
Betreuen Sie selber noch Kunden?
Ja, das ist wichtig, weil man sonst den Kontakt zur Welt draussen verliert. Es ist ja auch nicht so, dass ich 5'000 oder gar 50'000 Mitarbeiter zu führen habe. Insofern sind die Managementaufgaben überschaubar. Ausserdem bin ich als Direktor der Bank in der wohl allerbesten Position, um neue Kunden gewinnen zu können. Darum begleite ich viele Berater zu Kundenmeetings. Das hinterlässt einen sehr guten Eindruck.
Es gibt auch einige Kunden, die mir über meine ganze Karriere gefolgt sind; diese möchte ich nicht verlieren. Natürlich hat sich das Geschäft extrem gewandelt, sodass ich mich in vielen Belangen heute auf unsere Spezialisten im Haus abstützen muss. Man muss zwar nach wie vor die richtigen Fragen stellen, aber beantworten müssen sie die Experten in unserem Haus.
Yves O. de Montmollin arbeitet seit 2004 für die Bank Bonhôte. Vor seiner Beförderung zum Chief Executive Officer (CEO) war er stellvertretender Direktor des Hauses. Er hat einen Abschluss der Universität St. Gallen (HSG) sowie ein Diplom des Institut de Formation de Gestionnaire de Patrimoine in Genf. Nach seinem Studium war er Mitglied im Beraterstab des damaligen Bundesrats Kaspar Villiger und anschliessend Mitarbeiter von Bundesrat Adolf Ogi. Danach wechselte er zur Genfer Banque Privée Edmond de Rothschild, bevor er zu Bonhôte stiess. Das Neuenburger Institut wurde 1815 gegründet und verfügt neben dem Hauptsitz noch Niederlassungen in Biel, Genf und Bern.
Das Interview ist in einer längeren Fassung auch im «Private Banking Guide 2014» von «Handelszeitung» und «Bilanz» erschienen.