Die Künstliche Intelligenz wird grosse Auswirkungen auf die Finanzbranche haben. Allerdings haben vier von fünf Anbietern in diesem Bereich noch keine langfristige Strategie, wie eine neue Studie feststellt. Die generative KI liefert gute Voraussetzungen, um dem Margenschwund entgegenzuwirken.

Die Schweiz bleibt als Finanzplatz für «grenzüberschreitende Vermögen» oder «Cross-Border Assets» die Nummer 1. Doch die verwalteten Offshore-Vermögen der Konkurrenz in Singapur und in den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) sind 2023 rascher gewachsen.

Das ist eine der Kernaussagen, die sich dem jüngsten «Global Wealth Report» entnehmen lässt, eine jährliche Studie des Beratungsunternehmens Boston Consulting Group (BCG) über die weltweite Entwicklung der Finanzvermögen und Sachwerte, die Privatpersonen halten, und der entsprechenden Verbindlichkeiten.

Die Schweiz profitiere davon, dass die Investoren in Krisenzeiten sichere Häfen im Ausland suchten, hält Michael Kahlich, BCG-Partner in Zürich und Co-Autor der Studie, fest. Das in der Schweiz verwaltete ausländische Vermögen ist denn auch 2023 auf 2,2 Billionen Franken gestiegen, was einem Wachstum gegenüber dem Vorjahr von 4,8 Prozent entspricht.

Finanzplatz Hongkong schwächelt

Noch mehr zulegen konnten allerdings im vergangenen Jahr Singapur und die VAE mit einem Plus von 7,8 und 8,9 Prozent. BCG macht für diese Entwicklung «eine steigende Nachfrage nach geografischer Diversifizierung und einem steigenden Vermögen in den Märkten des Nahen Ostens und Asiens» verantwortlich. Etwas schwächer als in der Schweiz fiel allerdings der Zuwachs mit 3,2 Prozent in Hongkong aus, das mit einem Volumen von 2 Billionen Franken in dieser Disziplin direkt hinter der Schweiz liegt.

BCG erwartet, dass die Schweiz ihre führende Rolle als internationaler Finanzplatz trotz erstarkender Konkurrenz beibehalten und «bis 2028 einen bedeutenden Anteil des neu generierten grenzüberschreitenden Vermögens für sich beanspruchen kann».

Weiteres Wachstum prognostiziert

Das Gesamtnettovermögen der Schweiz stieg 2023 um 1,7 Prozent auf 5 Billionen Franken. Überdurchschnittlich gewachsen ist mit 3,3 Prozent das Finanzvermögen, das sich aus Bargeld, Kontoguthaben, Obligationen, Aktien und Fonds sowie Pensionen) zusammensetzt und 3,2 Billionen ausmachte. Die zweite Vermögenskomponente, das Sachvermögen (Immobilien, Edelmetalle und andere physische Anlagen) stagnierte auf rund 2,8 Billionen Franken. Um das Nettovermögen zu ermitteln, sind von der Summe aus Finanz- und Sachvermögen sind die Verbindlichkeiten abzuziehen, die leicht auf 1 Billion Franken zulegten.

Die Studienautoren gehen davon aus, dass das Finanzvermögen in der Schweiz von 2023 bis 2028 jährlich um durchschnittlich 3,1 Prozent wächst und in diesem Zeitraum auf bis zu 3,7 Billionen CHF anwächst. Dieses Szenario basiert darauf, dass sich globalen Aktienmärkte erholen, die Inflationsraten sinken und das Vertrauen der Investoren in das Schweizer Finanzsystem anhält (ein Punkt, der nach jähen Aus für die CS besonders wichtig ist).

Ein Siebtel gehört den Superreichen

In der Schweiz leben auch 800 Superreiche oder etwas nüchterner Ultra-High-Net-Worth-Individuals (UHNWI), also Privatpersonen mit einem Finanzvermögen von über 100 Millionen Dollar. Weltweit besitzen die 73'000 Superreichen 14 Prozent des Finanzvermögens. Die meisten davon, mehr als 26’000, leben in den USA, gefolgt von China (8’200) und Deutschland (3’300). Insgesamt verfügt diese Gruppe über ein Finanzvermögen von 32 Billionen Franken, was einem Anteil von knapp 14 Prozent am Total entspricht.

Nach einem schwachen Vorjahr sind die Finanzvermögen 2023 dank besserer Märkte weltweit um 7 Prozent auf 231 Billionen Franken gewachsen. Besonders stark fiel der Zuwachs mit 9 Prozent in den USA aus, wo sich das Finanzvermögen auf 100 Billionen erhöhte. Dahinter folgen China (27,4 Billionen), Japan (13 Billionen) und Deutschland (7,8 Billionen). Die Autoren rechnen damit, dass sich die Finanzvermögen bis 2028 weltweit um 77,1 Billionen Franken vermehren wird.

Generative künstliche Intelligenz, ein Umsetzungsproblem

Der Bericht von BCG umfasst aber nicht nur eine Datensammlung, sondern beschäftigt sich auch mit dem transformativen Potenzial von generativer künstlicher Intelligenz (KI) in der Vermögensverwaltung. Angesichts der anhaltenden Margenschwunds im Vermögensverwaltungsgeschäft sollten sich Wealth Manager mit den Möglichkeiten von (generativer) Künstlicher Intelligenz (KI) auseinandersetzen. Studienautor Akin Soysal: «Die Branche hat kein Erkenntnisproblem, es hapert eher noch an der Umsetzung.»

85 Prozent der Wealth Manager rechnen damit, dass KI grosse Auswirkungen auf die Branche haben wird, allerdings haben vier von fünf Anbietern in diesem Bereich noch keine langfristige Strategie festgelegt. Mit generativer KI könne die Produktivität um bis zu 30 Prozent erhöht und gleichzeitig die Qualität der Beratung enorm gesteigert werden, stellt Soysal in Aussicht.

Für den «Global Wealth Report» analysiert BCG 97 Märkte, auf die zusammen 98 Prozent des weltweiten Bruttoinlandprodukts entfallen, und berücksichtigt Daten von mehr als 100 Vermögensverwaltern.