Für die Schweizer Börsenbetreiberin SIX war 2022 kein einfaches Jahr. Mehrere geplante Börsengänge hätten nicht stattgefunden, sagt SIX-Verwaltungratspräsident Thomas Wellauer im Interview mit finews.tv. Der Einmarsch der russischen Armee in der Ukraine stelle eine Zeitenwende dar, und der Credit Suisse wünscht er etwas mehr Glück.
Für Thomas Wellauer stellt der Krieg in der Ukraine eine Zeitenwende dar. Der Konflikt zeige den Unterschied auf zwischen einem autoritären Regime und der freiheitsliebenden Gesellschaft im Westen, sagt der Verwaltungsratspräsident der Schweizer Börsenbetreiberin SIX Group im Interview mit finews.tv.
Auf die Frage, was er im vergangenen Februar gedacht habe, als er vom Einmarsch der russischen Armee vernommen habe, antwortet er: «Ich war fassungslos. Ich konnte es nicht glauben. Man hat zwar die Zeichen gesehen. Aber ich konnte mir einfach nicht vorstellen, dass ich in meiner Lebzeit noch einen Krieg in Europa erleben würde», so Wellauer, «diese Aggression hat unermessliches Leid über die Menschen gebracht, die davon betroffen sind.»
Wenn man etwas Positives in dem Krieg suchen wolle, dann sei es, dass man auf der ganzen Welt wieder erkenne, was der Wert der Freiheit sei. «Die Ukrainerinnen und Ukrainer kämpfen mit einem unglaublichen Willen für ihre Freiheit. Das ist schon eindrücklich», betont der Präsident der SIX Group.
Vorbereitung auf einen Börsengang
Für die Schweizer Börsenbetreiberin war 2022 kein schlechtes Jahr, aber auch nicht wirklich ein gutes. Insgesamt kam es zu vier Börsengängen im Hauptsegment, zu einem Börsengang im neuen Sparks-Segment, dem neuen Börsenplatz für KMUs, sowie zu acht Kotierungen von Global Repository Receipts (GDR) chinesischer Unternehmen.
«Das liegt im langjährigen Schnitt. Aber es ist schon so, dass viele Börsengänge, die angekündigt waren, nicht stattgefunden haben, weil die Unsicherheit so gross war», räumt Wellauer ein. Er betont im Interview jedoch auch, dass derzeit mehr als 20 Startups an der Sparks IPO Academy teilnehmen würden, um sich auf einen Börsengang vorzubereiten.
Bindeglied zwischen Finanzbranche und Realwirtschaft
Für Schlagzeilen sorgte 2022 auch die Schweizer Grossbank Credit Suisse, für die Wellauer vor rund 20 Jahren ebenfalls tätig war. Ob er froh sei, nicht mehr dort zu arbeiten? Nein, das würde er nicht sagen. Er habe sich immer voll reingestürzt und das Beste gegeben. Doch mit Blick auf seinen heutigen Job sagt er: «Ich könnte mir keinen spannenderen vorstellen.»
Die SIX Group sei eine Tech-Firma und damit zentral sowohl für den Finanzplatz als auch für die Wirtschaft. «Wir sind das Rückgrat und Bindeglied für die Finanzbranche und die Realwirtschaft.»
Credit Suisse braucht auch etwas Glück
Wellauer räumt aber ein, dass sich die CS in einer schwierigen Lage befinde. Sie habe die Probleme zwar angepackt, doch bis zum Erfolg werde es noch einige Weile dauern. «Doch ich bin zuversichtlich. Etwas Glück braucht es dabei manchmal auch.»
Im nächsten Jahr will sich die SIX mit neuen innovativen Produkten profilieren. «Wir sind mit der digitalen Börse SDX und unseren ESG-Produkten sehr gut unterwegs», erklärt Wellauer und verweist dabei auch auf die UBS, die als weltweit erste Bank eine digitale Anleihe herausgegeben habe, wie auch finews.ch berichtete. «Soviel ich weiss, sind wir die erste voll regulierte, digitale Börse überhaupt, die so etwas getan hat.»
Wachstum im Ausland im Visier
Der SIX-Präsident bestätigt auch, dass die Schweizer Börsenbetreiberin vor allem im Ausland weiterwachsen müsse, um sich international zu behaupten. «Wir sind laufend am Evaluieren und werden sicher Opportunitäten genau anschauen. Als Plattform-Geschäft müssen wir weiter zulegen. Wir trauen uns aber auch zu, organisch zu wachsen», so Wellauer.
Mit Blick auf 2023 sagt Wellauer, das Umfeld bleibe vorläufig schwierig. Die Stromkrise sei noch nicht ausgestanden, und die geopolitische Situation sei besorgniserregend. «Die Welt muss Lösungen finden, wie sie miteinander umgehen kann. Darunter werden wir bis auf weiteres alle leiden», sagt der SIX-Präsident, betont aber gleichzeitig, dass er zuversichtlich bleibe. «Als Optimist lebe ich besser als ein Pessimist. Darum bin ich auch überzeugt, dass wir einen Weg finden werden.»
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