Mit «Glasgow» und der «Ampel» nehme die Dekarbonisierung der Wirtschaft weiter an Fahrt auf. Für Liechtenstein und seinen Finanzplatz sei das sehr positiv. Gleichwohl müsse die Finanzbranche weiter an Tempo zulegen, wolle sie weiter mit vorne dabei sein, schreibt Simon Tribelhorn, Geschäftsführer des Liechtensteinischen Bankenverbands in einem Gastbeitrag auf finews.ch.

Von Simon Tribelhorn, Geschäftsführer Liechtensteinischer Bankenverband

Dürren in Australien, Abholzungen des Regenwaldes in Brasilien, Überschwemmungen in Europa. schmelzende Gletscher in den Alpen und dann noch eine weltweit wütende Pandemie, deren Ende nicht abzusehen ist. Das vergangene Jahr 2021 hatte wahrlich wenig Erfreuliches zu bieten. Und doch gibt es ob all dieser Tristesse zwei Ereignisse der jüngsten Vergangenheit, die mich optimistisch für 2022 stimmen.

Da wäre einerseits die Weltklimakonferenz von Glasgow, die besser als ihr Ruf war. Natürlich wurden nicht alle Probleme gelöst, aber «Glasgow» war ein weiterer Schritt in die richtige Richtung. So wurden erstmals Kohle und andere fossile Energieträger zum Auslaufmodell erklärt. Und der Treibhausgasausstoss soll bis 2030 um 45 Prozent im Vergleich zu 2010 gedrosselt werden. Die Staaten werden überdies bereits Ende 2022 ihre neuen Einsparziele präsentieren. Das sind drei wichtige Jahre früher als ursprünglich vorgesehen. Die «Roadmap» zu Klimaneutralität bis 2050 wird also immer verbindlicher.

Die Ampel steht auf grün

Andererseits hat sich in Deutschland eine neue sozial-ökologisch-liberale Koalitionsregierung («Ampel») gebildet. Erstmals für ein grosses Industrieland wurde eine Dekarbonisierung der Wirtschaft und Gesellschaft als verbindliches Ziel vorgegeben. Der Klimaschutz wird so quasi zur Staatsräson. Der Ende November veröffentlichte Koalitionsvertrag ist quasi eine Roadmap dazu und versprüht eine ansteckende «Can do»-Mentalität. «Netto-Null» kommt natürlich nicht zum Nulltarif.

Doch die «Ampel» geht auch hier neue Wege. Sie möchte ausdrücklich nicht nur staatliche Mittel, sondern auch privates Kapital zur Finanzierung der Klimawende aktivieren. Grundlage dafür ist eine sehr selbstbewusste Vision: Deutschland soll zum führenden Standort für «sustainable finance» werden.

Roadmap 2025 ausgearbeitet

Unterstützt wird diese ambitionierte Zielsetzung durch den Ausbau der Digitalisierung und den Einsatz der Blockchain-Technologie. Last but not least macht Deutschland nicht nur beim Klimaschutz vorwärts, sondern definiert Nachhaltigkeit weit breiter. Richtschnur sind die 17 nachhaltigen Entwicklungsziele (SDG) der Vereinten Nationen.

Roadmap, SDG, private Finanzierung und Blockchain. Für Liechtensteins Banken nichts Neues. Wir verfolgen diese Stossrichtung nämlich schon seit Längerem. Trotz der Pandemie und den damit verbundenen Einschränkungen haben Verband und Banken im vergangenen Jahr die Roadmap 2025, die neue Mehrjahresstrategie, ausgearbeitet und insbesondere im Hinblick auf Innovationen und Nachhaltigkeit nochmals entschieden nachgeschärft.

Unsere Vision ist ähnlich ambitioniert wie die deutsche: Wir wollen einen wertvollen Beitrag zur Transformation der globalen Wirtschaft zu Netto-Null leisten. Wir haben aufgezeigt, was der Bankenplatz tun muss, um dahin zu gelangen. So haben sich alle drei liechtensteinischen Grossbanken LGT, LLB und VP Bank im Rahmen der Net-Zero Banking Alliance zu Netto-Null verpflichtet und sich einen klaren Fahrplan auf dem Weg dahin gegeben.

Nachhaltigkeitsallianz in Liechtenstein vertiefen

Die Banken sind sich ihrer Verantwortung für das Wohlergehen und den Wohlstand zukünftiger Generationen bewusst. Wie die neue deutsche Regierung sehen wir bei diesem Umbau nicht oder nicht nur Risiken, sondern allem voran grosse Chancen. Und zwar nicht bloss für einzelne Banken, sondern für den ganzen Wirtschaftsstandort Liechtenstein.

Die hiesige Politik sieht dies ebenso, denn im neuen Regierungsprogramm nimmt die Nachhaltigkeit zu Recht einen wichtigen Stellenwert ein. Und dort möchten wir ansetzen. Es gilt Finanzplatz und Land noch besser zu positionieren. Die «Ampel» in Deutschland will gemeinsam mit der Wirtschaft und den Verbänden eine Allianz für die Transformation zu Netto-Null formen. Ähnliches steht auch in unserer Roadmap als wichtiges Anliegen an die Politik.

Weiter an Tempo zulegen

Mit «Glasgow» und der «Ampel» nimmt die Dekarbonisierung der Wirtschaft weiter an Fahrt auf. Für Liechtenstein und seinen Finanzplatz ist das einerseits sehr positiv. Erhalten wir doch so eine Bestätigung, dass wir auf dem richtigen Weg sind.

Andererseits aber müssen wir weiter an Tempo zulegen, wollen wir weiter mit vorne dabei sein. Denn Chancen sind wie Sonnenaufgänge – wer zu lange wartet, verpasst sie. Ähnlich der neuen deutschen Regierung haben wir mit der Roadmap 2025 eine weitblickende Antwort auf die grossen Herausforderungen der Zukunft gegeben. Nun geht es an die Umsetzung.


Simon Tribelhorn ist Geschäftsführer des Liechtensteinischen Bankenverbands (LBV) und Mitglied des Vorstandes von Liechtenstein Finance. Nach seinem Studium an der Hochschule St. Gallen war der Jurist sechs Jahre in der Bankbranche tätig, zuletzt vier Jahre als Rechtskonsulent im Bereich Legal/Compliance bei einer grösseren Schweizer Bank. Seit Februar 2006 ist er für den Liechtensteinischen Bankenverband tätig, zunächst als Jurist, später als stellvertretender Geschäftsführer. Im Januar 2010 wurde er zum Geschäftsführer ernannt.