Auf globaler Ebene war 2022 ein sehr schwieriges Jahr, ein Jahr, das wir alle gern ungeschehen machen würden, überschattet von einem verabscheuungswürdigen Angriffskrieg in der Ukraine, schreibt Simon Tribelhorn. 

Von Simon Tribelhorn, Präsident von Liechtenstein Finance und Geschäftsführer des Liechtensteinischen Bankenverbands

Mit einem Ende des Krieges und dem damit verbundenen Leid wie auch den globalen Verwerfungen ist leider nicht zu rechnen.

Umso erfreulicher ist es, dass trotz dieser äusseren Umstände Liechtenstein und sein Finanzplatz international grosse Anerkennung für die im Land gemachten Fortschritte der letzten Jahre erfahren durften.

Finanzplatz Liechtenstein überzeugt

Anhand weniger Stichworte ist das wenig erfreuliche Jahr 2022 rasch zusammengefasst: russischer Angriffs- und Zerstörungskrieg gegen die Ukraine, explodierende Energiepreise mit der potentiellen Gefahr eines Energiemangels, galoppierende Inflationsraten und als Reaktion darauf stark steigende Zinsen.

Die Liste könnte man noch beliebig weiter fortsetzen. Doch darüber wurde wahrlich bereits genug geschrieben. Viel lieber nutze ich die Gelegenheit für eine andere, weniger bekannte aber umso erfreulichere Auflistung. In Jahr 2022 konnte nämlich Liechtenstein und sein Finanzplatz in den Augen ganz unterschiedlicher internationaler Organisation rundum überzeugen.

Deren gute Beurteilung bekräftigt die grossen Fortschritte, die in den letzten Jahren gemacht wurden. Doch der Reihe nach.

Hohe Stabilität

Die Ratingagentur Standard & Poor’s (S&P) bestätigt in ihrem Research Update von Ende November 2022 erneut das AAA-Länderrating von Liechtenstein. Der Ausblick ist stabil. Positiv ist, dass diese exzellente Beurteilung trotz der anhaltend extrem grossen politischen und wirtschaftlichen globalen Unsicherheiten erfolgt ist.

Speziell gelobt wurden zum Beispiel. die resiliente und diversifizierte Wirtschaft sowie die gute Vermögenslage der öffentlichen Haushalte. Bereits im Juli stufte S&P mit dem Bankenindustrierating (BICRA) Liechtenstein – gleich wie die Schweiz oder Luxemburg – in die Gruppe zwei ein.

Die ausgezeichnete Finanzierung des Bankensektors mit beispielsweise einer Kernkapitalquote von über 20 Prozent hat eine wichtige Rolle für dieses sehr gute Ergebnis gespielt.

«State of the art» – Geldwäschereibekämpfung

Im Juni bestätigte Moneyval, der Expertenausschusses des Europarates für die Bewertung von Massnahmen gegen Geldwäscherei und Terrorismusfinanzierung, welcher die Einhaltung der FATF-Standards bei der Geldwäschereibekämpfung überprüft, dass Liechtenstein ein hohes Mass an Effektivität in allen Facetten der Bekämpfung von Geldwäscherei und Terrorismusfinanzierung aufweist.

So verlieh Moneyval dem Land in fünf von elf Effektivitätsratings das Prädikat «substantial» und kein einziges mit dem Prädikat «low». Und auch in Bezug auf die technische Compliance betreffend die 40 FATF-Empfehlungen attestiert Moneyval dem Land Liechtenstein mit 26 «largely compliant», 11 «complaint», nur gerade 3 «partially compliant» und keinem einzigen «non compliant» sehr gute Noten.

Banken punkten mit bestem Risikoverständnis

Besonders erfreulich aus Bankensicht ist es, dass die Banken gemäss Moneyval das beste Risikoverständnis gezeigt hätten. Mit dieser Einschätzung schneidet Liechtenstein auch im internationalen Vergleich sehr gut ab.

Das zeigt, dass die langjährigen, konsequenten Anstrengungen insbesondere der Banken in diesem Bereich greifen und erfreulicherweise auch wahrgenommen werden.

Hohe Compliance-Standards in Steuerfragen

Liechtenstein hat als sogenannter Early Adopter und damit als einer der ersten Staaten 2016 den damals neuen OECD-Standard für Transparenz und Informationsaustausch in Steuerfragen (Automatischer Informationsaustausch, AIA) eingeführt.

Im Rahmen eines «Peer Reviews» hat das «Global Forum» als Organ der OECD die Umsetzung und Einhaltung in Liechtenstein mit beträchtlichem Aufwand überprüft. Im November 2022 kamen die Assessoren auch hier zu einer positiven Beurteilung.

Beste Beurteilung für Liechtenstein

Im Bericht wird anerkannt, dass Liechtenstein sowohl bei der Implementierung der rechtlichen Rahmenbedingungen als auch bei der effektiven Umsetzung des AIA in der Praxis den verlangten OECD-Standard vollumfänglich erfüllt. Liechtenstein hat demzufolge die beste Beurteilung (in place) erhalten.

Konsequenz und Innovation zahlen sich aus

Nicht unerwähnt bleiben darf in dieser Zusammenstellung das Lob vieler internationaler Gesprächspartner über die langjährige und konsequente Ausrichtung des Bankenplatzes auf Nachhaltigkeit und «Sustainable Finance».

Schliesslich hören wir auch immer wieder Anerkennung für Liechtensteins Pionierrolle beim Blockchain Gesetz und den daraus folgenden Aktivitäten.

Liechtenstein bleibt proaktiv

Diese proaktive Rolle gilt es nicht nur beizubehalten, sondern sogar auszubauen. Denn wir dürfen uns nicht auf diesen Lorbeeren ausruhen. Es ist aber Ansporn für uns, dass der Finanzplatz als stabil, unternehmerisch, nachhaltig, innovativ sowie als ein good citizen in der Welt wahrgenommen wird.

Wir leben in einer globalen Welt voller Abhängigkeiten – das gilt für das ganze Land und ebenso für den Finanzplatz und die Banken.

Was wir tun können, was in unserer eigenen Hand liegt, ist den eingeschlagenen Weg als verlässlicher und solidarischer Partner konsequent weiterzuverfolgen und in die beiden Zukunftsthemen Nachhaltigkeit und Digitalisierung weiter zu investieren.


Simon Tribelhorn ist Präsident von Liechtenstein Finance und Geschäftsführer des Liechtensteinischen Bankenverbands (LBV). Nach seinem Studium an der Hochschule St. Gallen war der Jurist sechs Jahre lang in der Finanzbranche tätig, zuletzt vier Jahre als Rechtskonsulent im Bereich Legal/Compliance bei einer grösseren Schweizer Bank. Seit Februar 2006 ist er für den LBV tätig, zunächst als Jurist, später als stellvertretender Geschäftsführer. Im Januar 2010 wurde er zum Geschäftsführer ernannt.