Der Angriff auf die Ukraine führt zu einer weiteren Bipolarisierung unserer Weltordnung, was auch den globalen Kampf gegen den Klimawandel erschweren könnte. Der absehbare wirtschaftliche Abschwung kann durch ein starkes Bankensystem abgefedert werden.

Von Simon Tribelhorn, Geschäftsführer, Liechtensteinischer Bankenverband

Seit beinahe zwei Monaten tobt in Europa ein brutaler Krieg mit unzähligen Toten, zerstörten Städten und unsäglichem Leid. Wer hätte Anfang Jahr gedacht, dass man heute in Europa einen solchen Satz schreiben muss. Es ist wahrlich eine Zeitenwende angebrochen. Im Bombenhagel von Putins Armee sind viele Träume über Nacht geplatzt.

Der Traum eines ganzen Volkes nach Unabhängigkeit, Frieden und Freiheit – ungewiss. Der Traum vieler ukrainischer Familien von einem Leben in Sicherheit und Wohlstand – zerstört. Der Traum vom immer währenden Frieden – zerbombt.

Beispiellose Willkommenskultur

Der Ausgang dieses Krieges ist unsicher und die möglichen wirtschaftlichen, politischen oder militärischen Folgen lassen sich noch nicht wirklich abschätzen. Die anstehende militärische Nachrüstung in Europa, die Gefahr einer atomaren Eskalation, galoppierende Energiepreise oder eine am Horizont aufscheinende globale Nahrungsmittelknappheit lassen aber nichts Gutes erahnen.

Demgegenüber stimmt die weltweite fast grenzenlose Unterstützung für die Ukraine, eine beispiellose Willkommenskultur in Europa für die Millionen von Flüchtlingen und ein geschlossen, wie schon sehr lange nicht mehr, auftretender Westen optimistisch.

Bipolare Welt mit zwei gleich grossen Blöcken

Und diese Geschlossenheit ist wichtig und lässt hoffen. Denn der Angriffskrieg droht die regelbasierte auf Multilateralismus aufbauende Weltordnung der letzten 30 Jahre einzureissen. Die Gefahr, dass die Welt in zwei ungefähr gleich grosse Teile zerfällt, ist so gross wie seit dem Kalten Krieg nicht mehr.

Einem immer bedrohlicher auftretenden, machtbasierten, autokratischen System unter der Führung von China, steht unser demokratisches und freiheitliches, westliches Wertsystem gegenüber. Nimmt man die Worte und Taten zum Nennwert, hat Putins Angriffskrieg vom 24. Februar auf die Ukraine den Westen zwar überraschend unvorbereitet, aber vielleicht noch rechtzeitig geweckt.

Die möglichen wirtschaftlichen Folgen dieser neuen, bipolaren Welt lassen sich hier nur skizzieren. Die Wertschöpfungsketten der globalisierten Welt, die auf Effizienz und Arbeitsteilung aufgebaut sind, werden neu zusammengesetzt. Der Preis wird ein tieferes Wachstum bei höherer Inflation sein.

Inwieweit auch der entscheidende Kampf gegen den Klimawandel durch diese Entwicklungen nachhaltig zurückgeworfen wird, ist unsicher. Dass aber der autoritäre Block der grössere Klimasünder ist und gleichzeitig dem Thema weniger Beachtung schenkt, heisst, dass wir im Westen umso grössere Anstrengungen machen müssen.

Stabiles, starkes und resilientes Bankensystem

Es ist Konsens unter den Ökonomen, dass sich die globale Wirtschaft abschwächen wird. Das lange nicht mehr gehörte Wort von Stagflation macht die Runde. Gerade in solchen Zeiten ist es extrem wichtig, über ein stabiles, starkes und resilientes Bankensystem zu verfügen, das einen Abschwung abfedern kann und nicht beschleunigt.

Und dies bringt mich zum liechtensteinischen Finanzplatz und Bankensektor. Die guten Ergebnisse für das anspruchsvolle letzte Jahr wurden kürzlich veröffentlicht. Sie zeigen, dass wir diese neuen Herausforderungen aus einer Position der Stärke angehen können.

Die Kernkapitalquote der liechtensteinischen Banken von über 20 Prozent belegt, dass diese auch für den wahrscheinlicher werdenden globalen Wirtschaftsabschwung gut gerüstet sind. Netto-Neugeld konnte auch im anspruchsvollen letzten Jahr akquiriert werden.

Das alles andere als leichte Umfeld negativer Zinsen schliesslich hat zwar die Ergebnisse im Zinsgeschäft belastet, aber weit weniger als man es hätte befürchten müssen. Die Banken sind strategisch gut aufgestellt.

Epochaler Kampf gegen Klimawandel bleibt dringlich

Dank der guten Ergebnisse konnten grosse Investitionsprogramme in den Zukunftsbereichen Nachhaltigkeit und Digitalisierung getätigt werden, respektive sind budgetiert. Insbesondere die Nachhaltigkeit wird weiter vorangetrieben. Sei es bei den Anlageprodukten oder auch bei den internen Prozessen.

Mit der LGT, der VP Bank und der LLB haben sich nämliche alle drei grossen Banken der von den Vereinten Nationen einberufenen Net-Zero Banking Alliance (NZBA) angeschlossen. Die Welt wird zwar eine andere werden. Das epochale Problem des Klimawandels hat aber nichts an Dringlichkeit eingebüsst. Die Zeit bleibt knapp.

Durchhaltefähigkeit, Kommunikation und Solidarität

Durchhaltefähigkeit, Kommunikation und Solidarität sind Begriffe, die man im Westen oft im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine und den Sanktionen hört. Sie sind aber gleichzeitig der Massstab für einen erfolgreichen Kampf gegen den Klimawandel.

Erstens müssen alle Massnahmen so konzipiert werden, dass sie langfristig ausgelegt sind und über eine lange Zeit durchgehalten werden können. Zweitens braucht es eine gute, wahrhafte und transparente Kommunikation. Denn nur wer den Sinn von Massnahmen erkennt, setzt sie auch um und geht die ganze Distanz.

Und drittens braucht es eine solidarische Weltgemeinschaft, in der jedes Land und jede Person seinen Beitrag leistet.


Simon Tribelhorn ist Geschäftsführer des Liechtensteinischen Bankenverbands (LBV) und Mitglied des Vorstandes von Liechtenstein Finance. Nach seinem Studium an der Hochschule St. Gallen war der Jurist sechs Jahre lang in der Finanzbranche tätig, zuletzt vier Jahre als Rechtskonsulent im Bereich Legal/Compliance bei einer grösseren Schweizer Bank. Seit Februar 2006 ist er für den LBV tätig, zunächst als Jurist, später als stellvertretender Geschäftsführer. Im Januar 2010 wurde er zum Geschäftsführer ernannt.