Die nächsten Monate entscheiden über die Zukunft ganzer Branchenzweige im Schweizer Finanzwesen. Im Rampenlicht stehen einmal mehr auch die Grossbanken Credit Suisse und UBS.
1. Das Banking-Jahr beginnt mit einem Strafprozess
Der Strafprozess gegen den früheren Chef von Raiffeisen Schweiz, Pierin Vincenz, war bereits Ende 2019 erwartet worden. Nach zahlreichen Verzögerungen soll er nun Ende Januar vor dem Bezirksgericht Zürich tatsächlich über die Bühne gehen. Verteidigen werden sich dort Vincenz sowie dessen ehemaliger Geschäftspartner Beat Stocker und vier weitere Beschuldigte. Die Zürcher Staatsanwaltschaft verdächtigt sie diverser Vergehen im Zusammenhang mit Firmenkäufen im Umfeld der Grossbank Raiffeisen Schweiz und dem Zahlungsspezialisten Aduno (heute Viseca).
Vincenz und der Ex-Aduno-Chef Stocker sassen nach Strafanzeigen von Aduno und Raiffeisen im Frühjahr 2018 über drei Monate lang in Untersuchungshaft. Für allen Beschuldigten gilt die Unschuldsvermutung.
Sicher ist, das der Fall Vincenz nochmals breit in der Öffentlichkeit aufgerollt wird und die Raiffeisen-Banken mit ins Scheinwerferlicht rücken. Die Delegierten der Genossenschafts-Institute haben vergangenen Dezember mit Thomas Müller einen neuen Präsidenten bei Raiffeisen Schweiz installiert – den dritten in drei Jahren. Mit ihn soll es nun endlich ruhiger werden um die Gruppe.
2. Ich bin’s, Ralph
«It’s me, Ralph», stellt sich der niederländische UBS-Chef Ralph Hamers auf seinen Video-Botschaften an die Belegschaft gerne vor. Seit seinem Antritt Ende 2020 bei der Grossbank hat er die harten Schnitte beim grössten Schweizer Bankinstitut vermieden und vor allem hinter den Kulissen gewirkt – Lieblingsthemen von ihm sind agiles Arbeiten und der tiefere Sinn (Purpose) des Unternehmens. Anfang Februar wird vom Niederländer aber eine handfeste Strategie erwartet. Insbesondere die Erwartungen an die digitale Transormation bei der UBS sind hoch, wurde Hamers doch vor allem deswegen zum Schweizer Institut geholt.
In den kommenden Monaten wird sich zudem zeigen, ob das Damoklesschwert, das über dem Kopf des locker auftretenden Top-Bankers hängt, auf ihn niederfahren wird. In den Niederlanden hat die Staatsanwaltschaft eine Voruntersuchung gegen Hamers aufgenommen; dies in Zusammenhang mit eigentlich als abgeschlossen geltenden Geldwäscherei-Vorfällen bei der Bank ING, die der UBS-Chef zuvor als CEO geführt hatte.
3. Ultimativer Test für die Spitze der Credit Suisse
Nach dem Jahr 2021 sind sowohl der CEO der Credit Suisse, Thomas Gottstein, wie auch der neue Präsident António Horta-Osório, angezählt. Letzterer, nachdem er seit vergangenem Sommer gleich zweimal gegen Corona-Vorschriften verstossen hat, was nun auch Gegenstand einer internen Untersuchung bei der CS ist. Gottstein wiederum könnten neue Enthüllungen rund um die geschlossenen Greensill-Fonds gefährlich werden. Das Debakel vom vergangenen März ereignete sich unter seiner Ägide bei der Grossbank. Eine weitere interne Untersuchung könnte im ersten Quartal 2022 in Auszügen veröffentlicht werden; der Bericht hat bei der CS bereits hochrangige Entlassung nach sich gezogen.
Ebenfalls wird in den nächsten Monaten der Abschluss von Untersuchungen der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht (Finma) zu den Milliardenverlusten mit der New Yorker Finanzfirma Archegos wie auch zu den CS-Greensill-Fonds erwartet.
4. Geeint im Kampf gegen Hacker
Mit dem Digitalisierung-Schub durch die Folgen der Corona-Krise haben auch die Cyber-Angriffe auf Finanzinstitute eine neues Niveau an Intensität erreicht. Hacker nutzen nun insbesondere aus, dass viele Finanzprofis von zuhause aus arbeiten und in der privaten IT-Umgebung viel weniger gut geschützt sind. Immerhin ist die Problematik nun auf höchster Ebene erkannt: Marcel Rohner, der neue Präsident der Schweizerischen Bankiervereinigung (SBVg), hat eindringlich vor Angriffen auf Schweizer Finanzinstitute gewarnt und den Bund zuhilfe gerufen.
Die UBS nimmt derweil das Heft selber in die Hand und plant ein Cyber-Forschungszentrum in Israel. Das Land in Nahost gilt als Hub für die besten Cyber-Spezialisten.
5. Greenwashern droht die Regulierungskeule
Abgesehen von den damit verbundenen hehren Zielen sind Investments, die Faktoren wie Umwelt, Gesellschaft und gute Geschäftsführung (ESG) berücksichtigen, in der Schweiz auch ein grosses Geschäft. Aktuellen Schätzungen zufolge ist der hiesige Markt für nachhaltige Finanzprodukte in den letzten fünf Jahren um mehr als das Siebenfache auf 1,52 Billionen Franken angestiegen. Doch der aufstrebenden Industrie fehlen die Standards, was es den Investoren erschwert, die Spreu vom Weizen zu trennen.
Zunehmend laut klingt nun auch der böse Vorwurf des Etikettenschwindels, des so genannten Greenwashing. Für das Wachtsum könnte sich dies fatal auswirken, möchte sich der Bankenplatz als weltweiter Hub für die Nachhaltige Finanz profilieren. Recherchen von finews.ch zufolge bleiben der Branche nur noch wenige Monate, um mit einer griffigen Selbstregulierung neuen Vorschriften des Bundes zu entkommen.
6. Achse Schweiz-Grossbritannien gerät in Bewegung
Mit dem Brexit bekommt die Londoner «City» zu spüren, was Schweizer Finanzprofis schon länger erleben: Der Marktzugang zu Kunden in der EU ist von diversen Hürden verstellt. Deren Überwindung ist noch am ehesten bilateral mit einzelnen Ländern zu erreichen. Zwischen dem britischen und dem Schweizer Finanzplatz konkretisiert sich nun nach dem «F4»-Format eine engere Zusammenarbeit. Die Gespräche dazu liefen auf Hochtouren, wie SBVg-Präsident Rohner unlängst verlauten liess. «Ich bin zuversichtlich, dass es 2022 zu einer Einigung kommt.»
Währen sich die beiden rivalisierenden europäischen Finanzplätze also näher kommen, herrscht nach Abbruch der Verhandlungen über ein Rahmenabkommen mit der EU seit 2019 weitgehende Eiszeit. Das trifft direkt auch die Schweizer Börsenbetreiberin SIX, der die Börsenäquivalenz und damit der Zugang zum europäischen Markt gestrichen wurden. Schutzmassnahmen des Bundes für den Handel mit Schweizer Aktien sind Ende 2021 ausgelaufen und müssen nun verlängert werden. Am 4. März entscheidet die das Parlament über eine Ausdehnung auf maximal fünf Jahre.
7. Ende Jahr schallt der Gong für unabhängige Vermögensverwalter
Bis Ende 2022 müssen rund 2’400 unabhängige Vermögensverwalter in der Schweiz ein Lizenz-Gesuch bei der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht (Finma) eingereicht und sich einer bewilligten Aufsichtsorganisationen (AO) unterstellt haben. Trotz eines Weckrufs der Behörde haben sich die Finanz-KMU aber zumeist noch nicht in Bewegung gesetzt – obschon sie Ende Jahres aus dem Rennen zu fallen drohen.
Das Prozedere bis zur Einreichung des Bewilligungsgesuchs kann gut und gerne drei Viertel eines Jahres in Anspruch nehmen, und vor allem bei den AO zeichnet sich ein Flaschenhals ab. Schon zu Jahresbeginn sieht es deswegen sehr danach aus, als ob die Lizenzierung in die Verlängerung gehen würde.