Der Tessiner Stararchitekt Mario Botta hat Bankgebäude gebaut, die an Tempel erinnern. Der Grundgedanke dahinter ist heute für die Branche hoch aktuell.
Mario Botta ist weltberühmt für seine Kirchen – und seine Banken. Die Tessiner Gotteshäuser Chiesa di San Giovanni Battista und Santa Maria degli Angeli sind längst auch für Architektur-Fans zu Pilgerorten geworden; mit der ehemaligen Banca del Gottardo in Lugano und dem BIZ-Gebäude am Aeschenplatz in Basel hat er dem Swiss Banking zu zwei Monumenten verholfen, die weltweite Beachtung geniessen.
Eine Bank wie eine Burg
So stand der 1943 in Mendrisio TI geborene Stararchitekt unlängst der Zeitung «Gulf News» aus Dubai Red und Antwort zur Ideenwelt hinter seinen Bauten – und insbesondere seiner Banken. Während Botta Ende der 1970er-Jahre den Hauptsitz der Freiburger Kantonalbank entwerfen durfte, war es der Auftrag der Banca del Gottardo, mit dem er ab 1982 erstmals ein städtebauliches Wahrzeichen setzen konnte.
Drei Villen und ein Parkhaus mussten den Plänen des damals 46-Jährigen weichen. Aber statt einen einzelnen Turm hochzuziehen, wie es seine Auftraggeber eigentlich wünschten, schuf Botta einen Komplex aus drei Gebäuden, die in ihre granitenen Wuchtigkeit an die Burgen der Region erinnern. Nicht von ungefähr nennt der Volksmund den Bau bis heute den «Palazzo Botta».
Aufs Engste mit dem Finanzplatz verwoben
Das Bankgebäude ist seither eng mit dem Schicksal seiner Bewohner und jenem des Tessiner Bankenplatzes verwoben. Nach langen Jahren im Auslandsbesitz ging die Banca del Gottardo 1999 an die heutige Swiss Life; 2007 verkaufte der grösste Lebensversicherer des Landes das Geldhaus an die Tessiner Privatbank BSI weiter, welche die Gotthard-Bank integrierte.
2017 verschwand auch die Marke BSI, nachdem das Institut wegen seiner Verwicklung in den Korruptions-Skandal um den malaysischen Staatsfonds 1MDB ins Fadenkreuz der Behörden geraten war und von der Privatbank EFG aufgekauft wurde.
Die neue Besitzerin beschloss 2019, aus dem Palazzo Botta (Bild unten) auszuziehen – und veräusserte diesen an den Kanton Tessin. Erstmals in seiner Geschichte beherbergt der Komplex seither keine Bank mehr.
Nurmehr Zeitzeugen
Dieses Schicksal blieb Bottas Bau am Aeschenplatz in Basel erspart. Das trutzige Gebäude mit der zweifarbigen, geschwungenen Fassade hatte der Tessiner 1995 für die UBS-Vorgängerin SBG fertiggestellt. 1997 fusionierte diese mit dem SBV zur heute grössten Bank der Schweiz.
1998 verkaufte die UBS das Basler Wahrzeichen (Bild unten) an die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ), die Zentralbank der Zentralbanken.
Das Monumentale an Bottas Bankbauten ist dabei Programm. Der Tessiner wollte keine gesichtslosen Bürotürme errichten, wie er gegenüber «Gulf News» erklärte. «Wir fanden, Banken müssen Sex-Appeal haben.» Die Glas-und-Stahl-Bauten der 1970er- und 1980er-Jahre seien seither auch schlecht gealtert und würden nur noch als Zeitzeugen ihrer Ära verstanden, sieht sich der Architekt heute bestätigt.
(Bild: Basel Tourismus)
Wall Street als Vorbild
Botta orientierte sich dazumal lieber an historischen Bankbauten, die sich wiederum klassische Tempel zum Vorbild nahmen – ein Beispiel dafür ist das Quartier der New Yorker Börse. Dass dabei das Merkantile ins Sakrale hineinspielt, gefällt Botta nur bedingt: «Kirchen und Banken sind von der Funktion her ganz anders», gab er zu bedenken.
Allerdings finde sich auch in der Banca del Gottardo in Lugano das von oben her in den Bau strömenden Licht, das für Kathedralen typisch sei.
Erleben statt abheben
Die Idee, dass Bankgebäude mehr sein müssen als nur Büro- und Verkaufszonen, dürfte vor dem Hintergrund der veränderten Arbeitswelt im Banking aktueller sein denn je.
Denn die Schweizer Banken – nicht zuletzt die UBS – schliessen nun Filiale um Filiale. Dies mit der Begründung, dass das klassische Schaltergeschäft ausgedient habe. Wo noch Standorte bestehen bleiben, sollen diese dem Kunden hingegen ein «Erlebnis» vermitteln.
Die Architektur, das betonten alle Vordenker des neuen Filialkonzepts, hat dabei eine ganz wesentliche Rolle zu spielen.