Nachdem Michael Bornhäusser im ersten Teil seines Beitrags beschrieb, wie er den Zugang zur Venture-Capital-Branche fand, geht es nun um die Frage, wie man in ein spezifisches Unternehmen investiert oder eben nicht.

Von Michael Bornhäusser, Teilhaber der Sallfort Privatbank

Die Erfahrung aus der Schweiz zeigt, dass viele Anleger in diesem Bereich oft zu wenig genau hinschauen. Bei Sallfort scannen wir jährlich zwischen 40 und 50 Unternehmen genauer. Dabei kann es vorkommen, dass wir in einem Jahr kein einziges neues Investment machen, da wir nichts gefunden haben, was unseren Erwartungen entspricht.

Über die Jahre haben wir aber auf der Basis der eigenen Erfahrungen einen umfangreichen Prozess entwickelt, der grundsätzlich immer gleich abläuft. Wir haben dafür eine Checkliste entwickelt:

1. Alleinstellungsmerkmal

Haben das Produkt oder der Service ein Alleinstellungsmerkmal (Unique Selling Proposition, USP)? Wir machen grundsätzlich unsere eigene Wettbewerb- und Marktanalyse und vergleichen ähnliche (oder oft auch gleiche) Produkte und Services am Markt.

Nur wenn klar ist, dass die Firma einen klaren Vorteil gegenüber dem Wettbewerb hat und das Marktpotenzial auch vorhanden ist, geht es weiter. Hierzu bedienen wir uns oft unserer «Reality Checks», bei denen wir potenzielle Kunden, Nutzer und Partner aus unserem Netzwerk mit dem Produkt konfrontieren und deren Feedback einholen.

2. Marktführer im Fokus

Wenn ein Unternehmen zehnmal grösser ist als die Nummer zwei im Markt, geht es in erster Linie darum, diese Position zu festigen respektive weiter auszubauen. Die Chancen, dass so ein Unternehmen eine weit höhere Bewertung erreicht als die Nummer zwei am Markt, ist sehr hoch.

Wir investieren daher in erster Linie in Marktführer. Im High-Tech-Bereich spielen die Urheberrechte an technischen Lösungen eine grosse Rolle. Wir validieren diese IP (Intellectual Property) daher oft mit Patentanwälten, um sicherzustellen, dass diese auch durchsetzbar, also werthaltig ist und dem Unternehmen den Vorsprung sichert.

3. Qualität des Managements

Keine erfolgreiche Unternehmensentwicklung ohne gutes Management. Das heisst, dass das Managementteam in der Lage sein muss, nicht nur das aktuelle Unternehmen, sondern auch das zukünftige, also das um einiges grössere Unternehmen, zu führen.

Unter diesem Gesichtspunkt machen wir ein ausführliches Assessment mit dem Managementteam und den wichtigsten Köpfen (Entwickler und andere Schüsselpersonen). Das schliesst auch die Prüfung der Qualität der Software durch Experten mit ein.

4. Vertrieb und Marketing

Wer wachsen will, muss verkaufen können. Wir überprüfen detailliert die Vertriebsstrategie sowie das Marketingkonzept jeder einzelnen Gesellschaft. Investiert sie genug? Spricht sie die richtigen Zielgruppen an? Stimmen die Firmen-Message und der kreative Auftritt?

5. Businessplan und Finanzplan

Businesspläne, und hier zählt vor allem der Finanzplan, von Startups sind immer sehr optimistisch. Im Rahmen der Marktanalyse validieren wir das Ertragspotenzial der Firma und vergleichen dieses mit dem Finanzplan.

Grundsätzlich erstellen wir einen eigenen Finanzplan und setzten voraus, dass die Entwicklung jeweils länger geht als vom Unternehmen projiziert und die Umsätze geringer zunehmen als angenommen. Wenn sich auf der Basis dieser konservativen Betrachtung das Investment immer noch darstellen lässt, geht es weiter.

6. Exit-Strategie

Unser Investmenthorizont beträgt drei bis maximal fünf Jahre. Das heisst, in der Phase, in der wir investieren, sollte ein «Exit» bereits in Planung oder zumindest andiskutiert worden sein.

Welche potenziellen Käufer für ein Unternehmen existieren? Gibt es eine Chance für einen Börsengang (Initial Public Offering, IPO)? Ist das Unternehmen gross genug respektive wächst es überproportional, um ein IPO überhaupt zu ermöglichen?

Anders als in der Schweiz gibt es in USA neben dem klassischen Trade-Sale oder einem IPO auch die Möglichkeit, über eine «Secondary Transaction» aus einem Unternehmen auszusteigen. Gemeint ist damit der Fall, dass im «Late Stage» ein Investor, etwa ein Private-Equity-Fonds, einsteigt und mit einem Teil des Kapitals frühere Investoren auskauft.

Solche Optionen prüfen wir und entwickeln unsere Sicht eines «Exit». Diese Sicht muss in unseren erwähnten Investmenthorizont passen, sonst geht es nicht weiter.

7. Unterschiedliche Bewertung

Am Ende dreht sich alles um die Bewertung. Dabei gibt es grundsätzlich zwei Situationen in einem Venture-Capital-Deal: Entweder hat die Firma einen Lead-Investor, der den Grossteil der Investmentrunde abdeckt und daher die Konditionen mit dem Unternehmen ausgehandelt hat. Hier heisst es «take it or leave it», da man entweder diese Konditionen akzeptiert oder eben nicht mitinvestieren kann.

Oder aber, man ist selber Lead-Investor und handelt mit dem Unternehmen sämtliche Konditionen wie die Bewertung und die Liquidation-Preference sowie weitere Sonderrechte aus. Um eine faire Bewertung zu validieren, nutzen wir Daten von vergleichbaren Unternehmen mit kürzlich durchgeführten Investmentrunden aus «Crunchbase» und anderen Publikationen.

Die besten Hinweise auf aktuelle Bewertungen kommen allerdings aus dem Netzwerk von Venture-Capital-Partnern, die uns oft detaillierte Angaben zu Investmentkonditionen geben, die sie selber durchgeführt haben. Am Ende des Tages ist die «richtige» Bewertung aber jene, die von verschiedenen Investoren akzeptiert und bezahlt wird.

Einfachere Due Diligence

Natürlich hilft es, wenn einer der grossen Early-Stage-Venture-Capital Fonds bereits seit längerem im Unternehmen investiert ist. Durch die Struktur dieser Anleger wird sichergestellt, dass das Financial Reporting, das Vertragsmanagement sowie das Management nach internationalen Standards aufgesetzt sind und funktionieren. Dies macht die Due Diligence einfacher, die wir zusätzlich zur Bewertung durchführen.

Wer nun denkt, dass nach dem Sourcing und der Evaluation eines Unternehmens die Arbeit getan ist, der irrt. Startups, die genügend Finanzierungsangebote haben und sich für einen oder mehrere Investoren entschieden haben, fordern deren Leistungen auch ein. Hier gilt es also, die Firmen aktiv zu unterstützen, sei es nun mit dem eigenen Netzwerk, um neue Kunden zu gewinnen, oder strategischen Input zur Unternehmensentwicklung oder Hilfe bei Marketing, Organisation und HR zu leisten.

Regelmässige Besuche

Ich besuche unsere Firmen im Schnitt alle zwei Monate in den USA, Grossbritannien und Lateinamerika, sei es nun an Verwaltungsratssitzungen oder auch ausserhalb dieser Events. Conference Calls mit dem Managementteam finden monatlich statt, und normalerweise werden wir um Unterstützung gebeten, die dann auch erbracht werden muss.

Venture-Capital-Investoren sind vor allem gefordert, wenn es um die Vorbereitung des «Exit» geht. Wie stellen sich die Gründer einen solchen vor? Welche Art des Ausstiegs ist sinnvoll, und wie bekommt man die verschiedenen Investoren auf eine Linie, was die Art des Ausstiegs und vor allem den Verkaufspreis angeht?

Lieber 300 Prozent in drei Jahren

Oft starten solche Diskussionen bereits ein bis zwei Jahre vor einem Ausstieg. Wir nehmen diese Diskussionen immer wahr und sind oft in einer Führungsposition.

Denn: «Es ist noch niemand arm geworden, weil er zu früh verkauft hat», wie ein Sprichwort besagt, und mir ist eine Rendite von 300 Prozent in drei Jahren lieber als die Wette auf das nächste Snapchat oder Facebook mit einer Ausfallquote von 90 Prozent.


Öffnung für institutionelle Investoren

Bisher waren Co-Investments mit Sallfort-Aktionären den Privatkunden der Sallfort Privatbank vorbehalten. Da durch das Netzwerk zu anderen Venture-Capital-Investoren, speziell in den USA und England, immer mehr interessante Investmentangebote an Sallfort gelangen, hat man nun Zugang zu grösseren Investmenttickets und kann institutionellen Investoren entsprechende Co-Investments anbieten. Aus diesem Grund hat Sallfort ein Programm für Pensionskassen, Banken und Vermögensverwalter entwickelt. Erste Partner sind bereits an Bord.

Die Sallfort Privatbank mit Sitz in Basel und Zürich vereint die unternehmerische Tradition aus neun Generationen der Familie Barth mit Innovationen im Asset Management. Das Unternehmen entstand aus der Sallfort AG, Basel und der P&P Private Bank AG, Zürich. Geschäftsführer ist Johannes T. Barth.

Michael Bornhäusser ist Teilhaber und Managing Director der Sallfort Privatbank. Er leitet den Bereich Private Equity, Products & Services.