Es gibt derzeit keine Anzeichen dafür, dass die UBS aktiv Alternativen zur Schweiz sucht. Im internationalen Standortwettbewerb ist aber einiges im Fluss, wie eine neue Studie zu den Gewinnsteuern zeigt. Besonders interessant sind zwei Länder.

Vor einigen Jahren hat die OECD mit ihrem Programm zur Reduktion von «Base Erosion and Profit Shifting» (BEPS) bei den Gewinnsteuern international eine untere Grenze von 15 Prozent bei den ordentlichen Gewinnsteuer-Sätzen eingezogen.

Alljährlich analysiert KPMG die neuesten kantonalen, nationalen und internationalen Entwicklungen im Steuerrecht für Unternehmen. 

In ihrer neuesten Untersuchung stellen die Steuerexperten des Unternehmens rund um Stefan Kuhn, Leiter der Steuer- und Rechtsberatung von KPMG Schweiz, fest: «Staaten sind daran, den durch die globale Mindestbesteuerung eingeschränkten Spielraum im Bereich der Gewinnsteuersätze durch Massnahmen wie Steuergutschriften und Subventionen zu kompensieren.»

Welche Jurisdiktion wäre am attraktivsten?

In diesem Kontext stellt sich auch die Frage, welche Jurisdiktion für die UBS am attraktivsten wäre, sollte sie ihren Hauptsitz von der Schweiz weg verlegen wollen. Auf diese Frage und auf einzelne Unternehmen geht die KPMG-Studie verständlicherweise nicht ein – steuerlich wird der UBS-Konzern von Ernst & Young beraten. 

Was die ordentlichen Gewinnsteuer-Sätze angeht, zahlt die UBS derzeit laut Jahresbericht auf ihre Gewinne in der Schweiz rund 18,5 Prozent. Dieser Wert ergibt sich aus einer Mischkalkulation aus den kantonalen Sätzen, welche KPMG mit 19,61 Prozent für Zürich und 13,04 Prozent für Basel-Stadt angibt. Basel-Stadt bewegt sich damit schweizweit im untersten Bereich, Zürich im oberen Mittelfeld.

Benchmark 23 Prozent

Im vergangenen Jahr 2023 zahlte die Grossbank nur 3 Prozent Gewinnsteuern, was 873 Millionen Franken entsprach. Dies, weil der Erfolg aus dem negativen Goodwill nicht steuerwirksam war, der sich aus der Übernahme der Credit Suisse (CS) ergeben hat. In den Vorjahren hatte die Gewinnsteuer-Belastung bei jeweils rund 2 Milliarden Franken gelegen.

Ihre längerfristige strukturelle Gewinnsteuerbelastung auf Gruppen-Ebene (inklusive internationale Aktivitäten) beziffert die UBS mit 23 Prozent. Mit anderen Worten: ein Wechsel des Hauptsitzes, der eine Senkung dieses Wertes bewirkt, wäre aus steuerlicher Sicht vorteilhaft.

Teures Europa

Wie also sieht die globale Arena diesbezüglich aus?

Viele europäische Länder verzeichnen höhere Gewinnsteuer-Sätze als das, womit die UBS derzeit langfristig rechnet. Sie reichen von 25 Prozent in Frankreich oder Grossbritannien bis zu 30 Prozent in Deutschland, wie aus der KPMG-Analyse hervorgeht. 

Die Deutsche Bank rechnet mit einem gemischten gesetzlichen Steuersatz zwischen 28 und 30 Prozent. Die BNP Paribas versteuerte letztes Jahr in Frankreich effektiv 31 Prozent. Mit anderen Worten: in den wichtigen europäischen Ländern zahlen Grossbanken rund ein Drittel mehr Einkommenssteuern als in der Schweiz.

Teilweise bei null liegen nach wie vor gewisse Offshore-Paradiese wie die Cayman Islands und Bahamas. Eine global tätige Grossbank kann allerdings aus Reputations-Überlegungen hier ihre Zelte nicht aufschlagen.

USA machen bei BEPS nicht mit

Die USA tanzen international aus der Reihe. Der nominelle Durchschnittssteuersatz über alle Bundesstaaten liegt gemäss der Studie zwar mit 27 Prozent etwas höher als die derzeitige strukturelle Steuerbelastung der UBS. 

Allerdings gibt es auf Ebene der Bundesstaaten signifikante Unterschiede. Und die USA haben sich im Gegensatz zu vielen anderen Ländern bislang nicht auf das BEPS-Programm der OECD festgelegt. 

Dies bedeutet, dass hier gewisse Praktiken zur Steuerreduktion im grenzüberschreitenden Geschäft erlaubt bleiben, die anderswo nicht mehr angewendet werden können. 

Sollten die Republikaner ihre parlamentarische Mehrheit im Herbst auf den Senat ausdehnen, wollen sie Länder, die Strafsteuern auf amerikanische Firmen im Rahmen von BEPS erheben, ihrerseits mit Vergeltungsmassnahmen bestrafen.

Goldman Sachs zahlt 21,1 Prozent

Der effektive Gewinnsteuersatz von Goldman Sachs lag im Durchschnitt der Jahre 2019 bis 2023 bei 21,1 Prozent. Das ist einerseits minimal höher als das, was die UBS derzeit in der Schweiz bezahlt. Andererseits aber leicht tiefer als der Wert, mit dem die UBS auf globaler Ebene strukturell rechnet.

Was ein Umzug in die USA genau für die Besteuerung des Business der UBS bedeuten würde, wäre im Detail zu analysieren. Eine deutliche Verschlechterung gegenüber der heutigen Position ist aber aufgrund der Zahlen und Vergleichswerte eher unwahrscheinlich.

Singapur befeuert Wettlauf bei Subventionen

In ihrer Vorstellung der Studienergebnisse am gestrigen Mittwoch erwähnten die Steuerexperten von KPMG auch Singapur. Dort ist der Gewinnsteuersatz mit 17 Prozent auch nach heutigen Massstäben bereits sehr konkurrenzfähig.

Zusätzlich tut sich der Stadtstaat in der neuerdings dominanten Disziplin der steuerlichen Subventionen hervor. Konkret hat er ein sogenanntes «Refundable Investment Credit Scheme» entworfen, mit welchem er «die Attraktivität für Investoren» steigern möchte. 

Magnet für Headquarters

Gemäss Ankündigung des Programms können Unternehmen bis zu 50 Prozent gewisser Ausgaben als Steuergutschriften zurückfordern. Genannt werden, je nach konkretem Investitionsprojekt, zum Beispiel «Investitionen in physisches Kapital», «Personalkosten», «Ausbildungskosten» oder «Kosten für den Aus- und Aufbau von Konzernhauptsitzen».

Auf Anfrage von finews.ch betont KPMG-Steuerexperte Kuhn, dass seines Erachtens allfällige Erwägungen zur Verlagerung von Hauptsitzen nicht primär steuerlich getrieben seien. Stärker ins Gewicht fielen Branding-Überlegungen und das allgemeine regulatorische Umfeld. Ihm seien derzeit keine Anstrengungen irgendwelcher Jurisdiktionen bekannt, Schweizer Banken abwerben zu wollen.

Spiel von Pull- und Push-Faktoren

Wie sehr die Anziehungskräfte von Ländern wie Singapur oder den USA zunehmen, hängt auch davon ab, wie umfangreich die vom Bundesrat angekündigte Erhöhung der regulatorischen Eigenkapital-Anforderung für die UBS ausfällt.

Denn aus Sicht des Aktionärs wirken sich diese während des Aufbaus des zusätzlichen Eigenkapitals ähnlich aus wie eine Gewinnsteuer: Sie reduzieren den Betrag, den eine profitable Bank an ihre Aktionäre ausschütten kann. Und treiben damit, zumindest in der Tendenz, das Unternehmen ins Ausland.