Die heutige Generalverasammlung der UBS markiert den letzten Auftritt von Ralph Hamers als CEO. Mit ihm verliert die Grossbank einen Chef, dessen Führungsstil in die Zukunft wies – und der sinnigerweise mehr über Firmentransaktionen weiss als Sergio Ermotti.
Die Geste im Augenblick der Niederlage bringt Ralph Hamers als Manager auf den Punkt. Am Mittwoch vor einer Woche, als die UBS überraschend Sergio Ermotti als neuen CEO angekündigt hatte, erhob sich Hamers zu Beginn der Medienkonferenz noch kurz: Er schritt auf dem Podium zu seinem Nachfolger hinüber und richtete diesem die Verkabelung für das Mikrofon (siehe Bild oben) – damit die Öffentlichkeit Ermotti gut höre.
Auch in diesem für ihn persönlich bitteren Moment – neun Tage zuvor war Hamers noch als Chef des Grossbankenprojekts UBS/CS ausgerufen worden – gab sich der Niederländer als Teamplayer. Wiederholt erklärte er, dass er zum Wohl der Bank und des Schweizer Finanzplatzes den Entscheid des Verwaltungsrats um Präsident Colm Kelleher akzeptiere. Und dass er in seiner neuen Rolle als Berater Ermotti und das Management nach Kräften unterstützen werde.
An die Börse verkauft
Am Mittwoch hat Hamers nun an der Generalversammlung des Jahres 2022 seinen letzten öffentlichen Auftritt als CEO der Grossbank. Noch am gleichen Tag übernimmt Ermotti bei der UBS das Zepter, überlässt aber seinem Vorgänger für diesen letzten Event das Rampenlicht. Dann beginnt bei der Grossbank eine weitere Ära unter dem mittlerweile 62-jährigen Tessiner.
Sinnigerweise hat sein Vorgänger Hamers in seiner Karriere viel Erfahrung mit Firmentransaktionen gesammelt: in den 29 Jahren, in denen er bei der niederländischen Grossbank ING die Karriereleiter nach oben bis zum Chefposten kletterte, trieb er nicht nur die Digitalisierung voran – er verkaufte auch mehrere Versicherungsgesellschaften und brachte die NN Gruppe im Jahr 2016 an die Börse, stiess Fondsgesellschaften ab und führte auf Länderebene Retailbanken zusammen.
Bei der UBS verabschiedete er sich vom Private Banking in Österreich und Spanien. Ermotti, der seine Karriere als Investmentbanker im Handel der damaligen US-Institute Citicorp und Merrill Lynch begann, stemmte in seiner ersten Amtszeit bei der UBS in neun Jahren keinen grösseren Deal. Einen solchen, konzedierte Ermotti am vergangenen Mittwoch, habe er sich aber zuletzt für die Grossbank sehr gewünscht.
Aktienrückkäufe angehalten
Die heutige Aktionärsversammlung wird nun nochmals zeigen, was die UBS-Aktionäre an der Ära Hamers hatten: Im Jahr 2022, gemeinhin ein Horrorjahr für die Vermögensverwaltung, vermochte die grösste Privatbank der Welt den Gewinn noch zu steigern, zog 60 Milliarden Dollar gebührengenerierendes Neugeld an und verwaltete am Ende 3,98 Billionen Dollar. Vor diesem Hintergrund kann die UBS ihren Eigentümern nun eine höhere Dividende vorgeschlagen.
Das ebenfalls angekündigte Aktienrückkauf-Programm wird wegen der Übernahme der Credit Suisse (CS) allerdings vorläufig auf Eis gelegt.
Der hartnäckig träge Aktienkurs der Grossbank kletterte unter Hamers' Ägide immerhin um mehr als 16 Prozent, seit Anfang Jahr resultiert ein Plus von fast 20 Prozent – soweit sein Leistungsausweis zugunsten der Investoren. Bankpräsident Kelleher hat nicht untertrieben, als er am Mittwoch vor einer Woche erklärte, die Übernahme der CS sei nur deshalb möglich, weil Hamers der Bank in seiner Amtszeit zur nötigen Stärke verholfen habe.
Reiche Menschen noch reicher machen
Die Spuren, welche Hamers konzernintern hinterlässt, sind hingegen schwieriger auszuloten. Bei seinem Antritt im November 2020 hatte der Manager, der nicht viel auf Förmlichkeiten gibt – er stellte sich gerne mit «ich bin’s, Ralph» vor – der UBS-Belegschaft eingebläut: Unter ihm werde die Veränderung die einzige Konstante sein. Man war geneigt, ihn misszuverstehen. Denn nach aussen hin schien es, als fasse der CEO die gut geölte Vermögensverwaltung der UBS kaum an und gebe seinen Managern dort Carte blanche. Er selber wirkte vorzugsweise in den Kulissen.
Auch liess sich Hamers fast über die Gebühr Zeit, der UBS neue Ziele zu stecken. Als diese schliesslich kamen, rieb sich das Publikum die Augen: Da war von einem «Purpose» die Rede, der ins Zentrum des Wirkens der Grossbank gestellt werde sollte. Die UBS sei dazu da, Menschen miteinander zu verbinden, fand der CEO. Sinn eines Unternehmens könne es doch nicht nur sein, reiche Menschen noch reicher zu machen.
Streben nach Sinnhaftigkeit
Das mag man belächelt haben; die britische Zeitung «Financial Times» (Artikel bezahlplichtig) berichtete gar, Präsident Kelleher habe Hamers verboten, das Wort Purpose vor Kunden in den Mund zu nehmen. Doch mit dem Streben nach Sinnhaftigkeit schuf Hamers die notwendige Grundlage, damit Grossinvestoren in Zukunft überhaupt noch in die Bank investieren. Firmen, die ihr Dasein nicht auf eine den Faktoren Umwelt, Gesellschaft und Governance (ESG) auszurichten vermögen, fallen bei nach nachhaltigen Prinzipien geführten Staats- und Pensionsfonds zunehmend durch.
Auch die Ausrichtung auf agile Arbeitsmodelle mag man nicht zuletzt bankintern als Fetisch von Hamers wahrgenommen haben. Dass da plötzlich Jungspunde altgedienten Bankern erklärten, wie letztere zu arbeiten hätten, kam nicht überall gut an.
Geht man aber vom spezifischen Auftrag an Hamers aus, die grösste Schweizer Bank fit für den digitalen Wandel zu machen, war der Schwenk auf die in der Techbranche verbreitete Agilität aber folgerichtig. Der rasche Ausbau des Digitalangebots Key4 in der Schweiz zeigte im vergangenen Jahr auch erstmals, wozu die neue Methode nützlich ist: der «Megatanker» zeigte sich wendiger und nahm Abstand von Grossprojekten, zugunsten kleinerer «Proof of concept»-Lösungen.
Teamansatz für das Topmanagement
Bei den flachen Hierarchien, welche agiles Arbeiten ebenfalls erfordert, war Hamers überraschend konsequent. Er schleifte die Titel Querbeet und drückte selbst im Topmanagement den Teamansatz durch. Die UBS-Chefinnen und Chefs werden seither auch bei der Entlöhnung am Erfolg des gesamten Unternehmens gemessen, und nicht nur ihrer jeweiligen Chargen.
Hamers der Digitalisierer musste im vergangenen Jahr aber auch eine schwere Schlappe einstecken: Die UBS sagte im September 2022 die Übernahme des amerikanischen Digitalanbieters Wealthfront ab. Die Transaktion hätte einen Wert von 1,4 Milliarden Franken gehabt und der Grossbank Zugang zu Hunderttausenden vor allem jüngeren Affluent-Kunden in den USA versprochen. Doch vor dem Hintergrund des Crashs von Technologiewerten machten die Eckwerte des Deals keinen Sinn mehr. Wie es hiess, zog der knallhart kalkulierende Kelleher die Notbremse.
Zurück in die Zukunft
Der grosse digitale Wurf, auf den alle gewartet haben, ist unter Hamers folglich ausgeblieben. Nun dürfte ein solcher mittelfristig nicht mehr infrage kommen. Die Bank wird bis mindestens 2027 mit sich selber beschäftigt sein: Es gilt, das Versprechen eines 5-Billionen-Dollar-Vermögensverwalters auf den Boden zu bringen und sich gleichzeitig beim Rückbau der CS-Investmentbank möglichst schadlos zu halten.
Diese Jahre werden dem Institut fehlen, um sich zu einer modernen Multichannel-Bank zu wandeln und die Schnittstelle zum Kunden effektiv gegen neue Konkurrenten zu verteidigen. Während Ermotti sein Restrukturierungs-Kunststück «Accelerate» der Jahre nach seiner erstmaligen Ernennung zum UBS-CEO wiederholt, läuft der neuen UBS/CS auf dem Weg zur Zukunftsbank die Zeit davon.