In der Schweiz soll es eine obligatorische Erdbebenversicherung für Hauseigentümer geben. Dies stösst auf heftigen Widerstand. Urs Arbter, Direktor des Schweizerischen Versicherungsverbandes sagt, wie sich das Problem schnell lösen liesse.
Das Parlament will eine Pflichtversicherung für Erdbeben. Die Hauseigentümer sind nicht zufrieden, aber auch der Schweizerische Versicherungsverband (SVV) nicht. Was stört Sie, Herr Arbter, so sehr daran?
Verschiedene Gründe sprechen gegen die bundesrätliche Lösung. Zum einen handelt es sich bei dem am Freitag zuhanden des Parlaments verabschiedeten Vorschlag nicht um eine Versicherung als vielmehr um eine Steuer. Mittels einer Eventualverpflichtung sollen Hauseigentümer zur Kasse gebeten werden – nach dem Erdbeben.
Was spricht weiter dagegen?
Versicherer generieren Mittel, um im Ernstfall Schäden rasch zu beheben. Diese Rolle kann die Versicherungswirtschaft auch beim Erdbebenrisiko übernehmen. Da braucht es den Staat nicht.
Alle 500 Jahre ereignet sich in der Schweiz ein schweres Beben. Der volkswirtschaftliche Schaden wird auf 30 bis 40 Milliarden Franken beziffert. Mit einem zweckgebundenen Beitrag von 0,7 Prozent der Gebäudeversicherungssumme wäre schon mal ein Grossteil der Schäden gedeckt. Dagegen können die Sachversicherer doch nicht sein – oder?
Die Zahlen, die Sie aufgeführt haben, stimmen. Zwei Aspekte darf man hierbei aber nicht vergessen: Zum einen werden mit diesem Beitrag nur Gebäudeschäden, nicht aber Schäden an Hausrat und Fahrhabe gedeckt.
«Staatliches Handeln können wir nicht versichern.»
Zum anderen muss man diesen Betrag dann aufbringen, wenn ein Erdbeben eingetreten ist und das eigene Haus möglicherweise beschädigt oder zerstört ist. Wenn also nach einem Ereignis der Lebensmittelpunkt oder im Falle von Fahrhabe die wirtschaftliche Grundlage weg ist, sollen Hausbesitzer auch noch 0,7 Prozent der Gebäudeversicherungssumme aufbringen. Das ist schlicht nicht durchsetzbar.
Letztlich muss dann der Staat wieder einschreiten, und wir bürden der nächsten Generation einen grossen Schuldenberg auf.
Gerade die Corona-Pandemie hat gezeigt, dass es ohne staatliche Hilfe nicht geht. Dies hat selbst der SVV attestiert. Weshalb nun diese Meinungsänderung bei der Erdbebenversicherung?
Schwere Beben verursachen zwar viel Leid und Zerstörung, sie treten aber regional begrenzt auf. Und hier liegt der grosse Unterschied zu einer Pandemie. Eine solche ist ein globales Problem. Corona konnten die Versicherer nicht allein meistern, insbesondere auch, weil es der Staat ist, der eine Pandemie ausruft. Staatliches Handeln können wir nicht versichern, respektive nur einen Beitrag leisten.
Ganz anders bei schweren Erdbeben. Diese treten zufällig und unabhängig voneinander auf. Dies macht das Risiko berechenbar und damit versicherbar. Erst- und Rückversicherer verfügen also über die Kapazitäten, Erdbebendeckungen in grossem Umfang anzubieten. Ein weiterer Vorteil ist, dass über den Rückversicherungsmarkt nicht der ganze Schaden in der Schweiz geschultert werden muss, sondern global gestreut werden kann. Das entlastet die Schweiz.
Hauseigentümer könnten sich schon heute gegen die Folgen eines Erdbebens versichern. Der Anteil jener, die eine Versicherungslösung haben, beträgt aber nur gerade 15 Prozent. Was will der SVV dagegen unternehmen?
Ob es wirklich 15 Prozent sind, mag ich zu bezweifeln. Wir sollten in der Abdeckung inzwischen etwas höher liegen. Aber auch damit können wir uns nicht zufriedengeben.
Welche Lösung sehen Sie?
Das Problem liesse sich schnell lösen, wenn wir Erdbeben als zehntes Risiko in die Elementarschadenversicherung aufnehmen. Diese Lösung führt auf einen Schlag zu einer praktisch vollständigen Abdeckung.
«Die Schweiz ist mit privatwirtschaftlichen Lösungen immer gut gefahren.»
Der Elementarschaden-Pool, der freiwillige Zusammenschluss privater Versicherungen zum besseren Risikoausgleich bei Elementarschäden, hat unter anderem den Vorteil, dass er für seine Mitglieder auf dem globalen Markt Rückversicherungsschutz auf gemeinsame Rechnung einkaufen kann. Damit wäre eine attraktive Lösung sichergestellt.
Im Parlament ist gemäss den Vernehmlassungsantworten eine knappe Mehrheit für den Vorschlag des Bundesrates möglich. Hat der SVV für diesen Fall einen Plan B?
Eine Eventualverpflichtung, wie dies der Vorschlag des Bundesrates vorsieht, ist nichts weiter als eine Scheinlösung: Bei schönem Wetter gibt sie das wohlige Gefühl, vorbereitet zu sein, bei Sturm verschwindet sie aber schnell in der Schublade. Übrig bliebe mit hoher Wahrscheinlichkeit die Übernahme der finanziellen Verpflichtungen durch den Staat und damit wieder Schulden. Nachsorge statt Vorsorge.
Dies müssen wir den Parlamentarierinnen und Parlamentariern deutlich machen.
Sie haben also keinen Plan B in der Hinterhand?
Wir brauchen keinen Plan B. Die Schweiz ist mit privatwirtschaftlichen Lösungen immer gut gefahren. Diesen Pfad sollten wir nicht verlassen. Staatspolitisch sind Lösungen, wie sie der Bundesrat bei der Erdbebenversicherung vorschlägt, falsch.
Urs Arbter, 59, ist Direktor des Schweizerischen Versicherungsverbandes SVV. Zuvor war er bei verschiedenen nationalen und internationalen Versicherungsunternehmen in leitender Funktion tätig.