Die UBS profitiert von einem für die Grossbank äusserst günstigen Umfeld. Der Erfolg macht die Arbeit für Chef Ralph Hamers nicht einfacher – obwohl die von ihm erwartete Transformation dringlich ist.
Die Flut der Finanzmärkte hebt auch den «Supertanker» UBS. Wie finews.ch berichtete, hat die grösste Schweizer Bank am (heutigen) Dienstag kräftig von den bewegten Börsen und der regen Kundenaktivität profitieren können. Gut 2 Milliarden Dollar Gewinn zuhanden der Aktionäre, 25 Milliarden Dollar gebührenbringendes Neugeld in der Globalen Vermögensverwaltung (GWM), weitere Zusagen für Aktienrückkäufe: das alles ist so recht nach dem Gusto der Investoren.
Was Wunder, kletterte die UBS-Aktien im Handel zeitweilig um über 4 Prozent; ein Kurssprung, den man in der jüngeren Geschichte des Institut länger suchen muss. Mit einem Kurs-Buchwert-Verhältnis von 0,84 Prozent ist der Titel nicht mehr weit davon entfernt, endlich wieder zu seinem inneren Wert gehandelt zu werden.
Mit Vorschusslorbeeren angetreten
Das sind auch gute Nachrichten für Konzernchef Ralph Hamers – oder eben gerade nicht. Der jüngste operative Erfolg der Grossbank macht nämlich die Mission ihres Chefs keineswegs einfacher.
Zur Erinnerung: Hamers ist letzten November bei der UBS mit viel Vorschusslorbeeren angetreten, um den hierarchisch geprägten Finanzriesen agil zu machen und ins digitale Zeitalter zu führen. Doch nun punktet die Bank mit bewährten Stärken und in Disziplinen, in denen der Digitalisierer Hamers wenig Erfahrung mitbringt. Also im Private Banking, mit Lombardkrediten, im klassischen Investmentbanking mit Fusionen und Übernahmen (M&A).
Die Helden im Management
«Unsere Geschäftsentwicklung nimmt immer mehr an Fahrt auf, und unsere strategischen Entscheidungen und Initiativen tragen Früchte», freute sich Hamers zwar am Dienstag. Doch eigentlich wird nun dank guter Börsenlage die Saat geerntet, die schon Vorgänger Sergio Ermotti bei der UBS ausbrachte.
Die Architekten der jüngsten Gewinne sind denn auch eher die GWM-Chefs Tom Naratil und Iqbal Khan, Robert Karofsky als oberster Chef der UBS-Investmentbank und die ihm unterstellten Co-Chefs Ros L'Esperance und Javier Oficialdegui im Firmengeschäft (Global Banking).
«Never change a winning horse», heisst ein englisches Sprichwort. Wechsle nie dein Pferd, wenn es einen guten Lauf hat. Dasselbe könnte Transformator Hamers nun öfters zu hören kriegen. Denn die jüngsten Erfolge geben jenen Recht, die am Geschäft und den Strukturen, so wie sie sind, nichts ändern wollen. «Nur nichts anfassen», dürfte deren Devise lauten.
Den Zweihänder stecken lassen
Hamers hat bei der UBS bisher relativ sanft Hand angelegt. Manche Beobachter und auch finews.ch haben dies schon kritisch beurteilt, fallen einem CEO doch gewöhnlich die Veränderungen leichter, wenn er neu zum Unternehmen stösst. Hamers habe eine Chance vertan, hiess es. Möglich, dass der Zweihänder nicht dem Stil des jovialen Niederländers entspricht.
Doch die grossen Würfe hat man ausserhalb der Bank von ihm tatsächlich nicht wahrgenommen – abgesehen von der Ernennung eines Chief Digital and Information Officer (CDIO) und eines Sparziels von jährlich 1 Milliarde Dollar bis 2023. Medienberichten zufolge will die UBS zudem 700 Stellen in der Schweiz streichen.
In seinem Antritts-Interview im Schweizer Boulevard-Blatt «Blick» sagte Hamers über seinen zweiten Eindruck der UBS: «Jetzt sehe ich es anders: Die Bank ist sehr professionell aufgestellt und handelt sehr gründlich. Gleichzeitig können wir noch schneller und agiler werden.» Das kann alles bedeuten. Oder auch nichts.
Wolkige Worte
Wie aus der Bank zu hören ist, führen die wolkigen Worte der Chefs intern bereits zu Ermüdungserscheinungen. «Vielleicht könnten wir mal übers Geschäft reden, anstatt immer über den ‹Purpose› des Banking», lautet eine Kritik.
Vergangenen April hatte Hamers in seinem strategischen Ausblick für die UBS erklärt, es sei der oberste Zweck der Bank, Menschen für eine bessere Welt miteinander zu verbinden.» Einigen Bankern an der Kundenfront ist das offenbar zu esoterisch.
Ebenfalls fragt sich, wie sich die Stimmung der Investoren nach den lang ersehnten Erfolgen der Grossbank entwickelt. 23 Analysten folgen derzeit der UBS-Aktie, und die Mehrzahl von ihnen empfiehlt den Titel zum Kauf. Was die gebeutelten UBS-Aktionäre wollen, sind eine solide Eigenkapital-Rendite und mehr Ausschüttungen – trotz eines überraschend guten Ergebnisses für 2020 entschied sich die Grossbank vergangenen Januar, eine markant tiefere Dividende als noch im Vorjahr bezahlen.
Genügend Polster vorhanden
Jegliche Transformation hingegen kostet zunächst ein Heidengeld, das bei der Gewinnverteilung abgehen muss. Gut möglich deshalb, dass die Börsianer allfällige grosse Würfe Hamers mit Ablehnung taxieren und lieber das Geld nehmen, das die letzten erfolgreichen Quartale in die Bank gespült haben.
Wohlgemerkt: die UBS hat auch letztes Quartal ihre Kapitalbasis auspolstern können. Insofern, und im Unterschied zur Schweizer Rivalin Credit Suisse, kann sie sich eine Transformation durchaus leisten. Die Gelegenheit dazu erscheint günstig wie nie.
Fünf vor Zwölf fürs Banking
Unbestritten ist auch, dass es in Sachen Digitalisierung für die Grossbanken Fünf vor Zwölf ist. Diverse Studien beleuchteten zuletzt die Tendenz der reichen Private-Banking-Klientel, zu Fintechs oder gleich zu Tech-Unternehmen zu wechseln. Die renommierte Beratungsfirma McKinsey konstatierte schon vor drei Jahren, dass die tiefe Bewertung der Grossbank-Aktien an den Börsen das fehlende Vertrauen der Investoren in die Zukunft des Banking widerspiegelt.
Die Furcht vor der Disruption ist nach wie vor gegenwärtig. Entsprechend gefährdet sind Institute, die sich bei der Digitalisierung nicht bewegen. Nicht zuletzt bei der UBS zeigte sich zuletzt, wie zäh die Bürokratie dem Wandel widersteht.
«Wir werden alles daran setzen, UBS in eine erfolgreiche Zukunft zu führen», sagte Hamers am Dienstag. Die Frage ist nun, ob man ihn lässt.