Andreas Ita hat für die neue Strategie der Credit Suisse überraschend viel Lob übrig. Der einstige hochrangige UBS-Kader und heutige Geschäftsführer der Beratungsfirma Orbit36 sagt zu finews.ch, wo das Bankmanagement um Ulrich Körner nebulös geblieben ist.


Herr Ita, die Credit Suisse hat am gestrigen Donnerstag einen ganzen Strauss an Massnahmen präsentiert, um die Bank zu stabilisieren. War die Führung unter Ulrich Körner dabei mutig genug?

Wir denken, ja. Mit der angekündigten Reduktion der Investmentbank um 40 Prozent hat die Führung der Credit Suisse ein klares Bekenntnis abgegeben, sich inskünftig auf das Wealth Management und das Schweizer Bankgeschäft zu konzentrieren und den Bereich Markets, also die neue Investmentbank, auf eine reine Zuliefererfunktion zu reduzieren.

Was hat gefehlt – was hätte die Bankführung in dem Moment besser machen können?

Die CS-Führung hatte vermutlich nicht so viele strategische Optionen, die sich in der gegenwärtigen Lage auch umsetzen lassen. Die angekündigte Strategie entspricht daher durchaus unseren Erwartungen. Etwas zu kurz kamen aus unserer Sicht Angaben über die erwartete langfristige Profitabilität der neuen Investmentbank sowie der Gesamtbank.

«Die CDS-Spreads sowie die Kurse der AT1-Anleihen haben sich bereits von ihren Extremwerten erholt»

Es bleibt bisher etwas nebulös, wie die Bank nach Abschluss der strategischen Transformation nachhaltig Mehrwert für die Aktionäre schaffen kann. So liegen die Ziele für die Rendite auf dem regulatorischen Kapital bis 2025 unter den Kapitalkosten. Diese liegen bei der Credit Suisse eher im Bereich von 10 Prozent als den anvisierten 6 Prozent Rendite auf dem regulatorischen Kapital.

An der Börse erlebten die CS-Aktien unmittelbar auf die Bekanntgabe hin einen Kurssturz. Ist es dem Management trotz allem nicht gelungen, neues Vertrauen bei den Investoren zu schaffen?

Der Aktienkursrückgang ist zu einem grossen Teil dem Verwässerungseffekt aus der angekündigten Kapitalerhöhung geschuldet. Wir sehen die getroffenen Massnahmen als geeignet an, um neues Vertrauen zu schaffen. Für diese Sichtweise sprechen auch die CDS-Spreads sowie die Kurse der AT1-Anleihen, die sich bereits wieder deutlich von ihren Extremwerten von anfangs Monat erholt haben. 

Eine böse Überraschung war der milliardenschwere Abschreiber auf latenten Steuerguthaben, welche die CS im dritten Quartal in der Bilanz vorgenommen hat. Dies ist offenbar ein Resultat der Restrukturierung. Wo sehen Sie weitere Fallstricke beim Umbau der Bank?

Es geht hier um die Abschreibung latenter Steuerguthaben, die eine direkte Konsequenz der Aufgabe gewisser Geschäftsbereiche sind. Bei Restrukturierungen sind – zu diesem frühen Zeitpunkt – noch nicht alle Details bekannt. Entscheidungen auf einer granulareren Ebene, etwa die Restrukturierung der einzelnen Rechtseinheiten, können oft erst später getroffen werden. Dabei lassen sich Überraschungen durch Steuer- oder Kapitaleffekte nie ganz ausschliessen.

Es gibt also noch mehr Unwägbarkeiten?

Im Weiteren gilt es zu bedenken, dass die Transaktion bezüglich Veräusserung der Einheit Structured Products Group (SPG) noch nicht in trockenen Tüchern ist und auch bezüglich Schaffung der selbstständigen Rechtseinheit CS First Boston noch viele Detailfragen geregelt werden müssen.

Weshalb hat die Credit Suisse im Investmentbanking die Variante mit der Wiederbelebung der CS First Boston gewählt und die Geschäfte nicht einfach direkt veräussert?

Die Veräusserung einzelner Geschäftsbereiche in einem Konzern ist eine anspruchsvolle und aufwendige Angelegenheit. Mit der gewählten Variante verschafft sich die Credit Suisse die nötige Zeit, um die entsprechenden Geschäfte in einem ersten Schritt in eine eigenständige Geschäftseinheit zu transferieren. Dies gibt ihr die notwendige Flexibilität, um Mitarbeiter an der Einheit zu beteiligen, Gelder von Drittinvestoren einzusammeln und später vielleicht ein IPO durchzuführen, was Herr Körner als Möglichkeit angedeutet hat. Die Variante ist elegant, weil die CS die Restrukturierungskosten für Entlassungen einspart, die Mitarbeiter ihre Jobs behalten und die CS Aktionäre noch an einer allfälligen Erholung der Marktbedingungen partizipieren lässt.

Körner & Co haben viel zur neuen Struktur und zu Einsparungen kommuniziert, blieben aber bei den Renditeaussichten des neuen Konstrukts sehr vage, wie Sie sagen. Rächt sich das noch?

Entscheidend ist, dass die Bank es nach 2025 schafft, zumindest ihre Kapitalkosten zu decken und für die Aktionäre Mehrwert zu schaffen. Nur so lässt sich ein anhaltender Bewertungsabschlag auf den Buchwert vermeiden. Fairerweise muss aber auch gesagt werden, dass sich höhere Renditen oft erst einige Quartale nach einer erfolgreichen Restrukturierung materialisieren.

«Die Option einer neuen SKA entspricht eher den romantischen Vorstellungen vieler Schweizer»

Dies war auch bei der UBS seinerzeit so. Wir vermuten, dass die Führungsspitze der CS heute bewusst eher konservative Angaben gemacht hat, um den Markt später nicht mit einer Zielverfehlung überraschen zu müssen. In diesem Sinne scheint die Bank ihre Lehren aus der Vergangenheit gezogen zu haben.

Die Zukunft der Bank hängt nun vorab am Wealth Management. Doch die Sparte hat zuletzt nicht zu glänzen vermocht. Sind die Hoffnungen auf dieses Zugpferd überzogen?

Vermögende Kunden haben mehrere Bankbeziehungen. Sie reagieren typischerweise mit Umschichtungen, wenn sie Zweifel an der Bonität einer Bank haben. Kehrt das Vertrauen zurück, werden sie die Mittel tendenziell wieder zurückführen, um eine ausreichende Diversifikation ihrer Guthaben sicherzustellen.

Auffällig ist, dass von allen strategischen Optionen sich die CS beim Schweiz-Geschäft sehr zurückgehalten hat. Was spricht gegen die Vision einer neuen SKA, die als eigenständiges Unternehmen geführt wird?

Diese Option entspricht eher den romantischen Vorstellungen vieler Schweizer als einer wirtschaftlich sinnvollen Strategie. Im Bankgeschäft und auch der Vermögensverwaltung spielen Skaleneffekte eine grosse Rolle.


Andreas Ita ist Gründer und geschäftsführender Gesellschafter der Firma Orbit36, die Banken und Versicherungen bei der strategischen Planung sowie dem Risiko- und Kapitalmanagement berät. Der Schweizer Banker begann seine Karriere im Handel mit Aktienderivaten und arbeitete insgesamt 22 Jahre bei der UBS. Zuletzt leitete er bei der Schweizer Bank bis Mitte 2019 den Bereich Group Economic Performance and Capital Optimization. Er promovierte in Banking und Finance an der Universität Zürich.