Zwischen der Credit Suisse und der UBS hat sich ein Graben aufgetan. Dieser verläuft nicht nur entlang der Aktienkurs-Entwicklung der beiden Schweizer Grossbanken. Die Erwartungen an die Zweiquartals-Ergebnisse könnten unterschiedlicher nicht sein.
Derzeit ist ein Vergleich eigentlich unzulässig: UBS oder Credit Suisse (CS) – welches Schweizer Grossbank performt im Hinblick auf die Veröffentlichung der Zahlen (UBS am morgigen Dienstag, die CS am 29. Juli) zum zweiten Quartal 2021 besser?
Die Antwort liefert der Blick auf die Kursentwicklung der beiden Aktien: Die UBS ist mit einem Plus von knapp 10 Prozent seit Anfang Jahr zwar beileibe keine Top-Performerin. Aber für eine noch schlechtere Aktie am Schweizer Markt als es die CS mit ihren Minus 27 Prozent ist, muss man lange suchen.
Die CS hat ein Quartal der Leidenszeit hinter sich. Nach dem Milliarden-Verlust mit der New Yorker Finanzfirma Archegos Capital herrscht in der Bank hohe Unsicherheit über die mittelfristige Zukunft. In der Investmentbank ebbt die Welle von Abgängen nicht ab. Die vagen Perspektiven, was Rückzahlungen aus dem Debakel mit den Greensill-Fonds betrifft, lasten auf den CS-Angestellten ebenso wie auf den betroffenen Kunden im Asset Management und im Private Banking.
Im dümmsten Moment
Die angeschlagene Reputation macht die Akquisition von Neukunden und -Geldern zur schwierigen Aufgabe. Die Untersuchungen zu den Vorfällen und die Weisungen der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht, nur mit eingeschränkten Risiken Geschäfte zu machen, erschweren das operative Geschäft.
Mit Blick auf die UBS wie auf die Entwicklungen bei der US-Konkurrenz kämpft die CS im dümmsten Moment mit bestehenden und alten Lasten. Gegenüber der robusteren UBS, die mit Archegos zwar auch 800 Millionen Franken in den Sand gesetzt hat, droht die CS in eine andere Kategorie abzusinken. Im Vergleich zu Banken wie Goldman Sachs oder J.P. Morgan, mit denen sich die CS in der gleichen Peer-Gruppe sieht, ist das schon geschehen.
Archegos schlägt auch im zweiten Quartal durch
Goldman Sachs rapportierte vergangene Woche einen Quartalsgewinn von 5,5 Milliarden Dollar, J.P. Morgan von knapp 12 Milliarden Dollar – einerseits getragen von einer auf Hochtouren laufenden US-Wirtschaft, andererseits von den jeweiligen Investmentbanken und dem Geschäft mit Fusionen und Übernahmen (M&A).
Die Prognosen fürs zweite Quartal der CS liegen etwa zehn Stockwerke tiefer: Konsens-Schätzungen erwarten einen Vorsteuergewinn von gut 840 Millionen Franken und einen Reingewinn von gut 330 Millionen Franken; der Sondereffekt eines weiteren Verlustes im Zusammenhang mit Archegos von 600 Millionen Franken schlägt auch im zweiten Quartal durch.
Gehemmtes Neugeld-Wachstum
War die CS im ersten Quartal 2021 – abgesehen von den Milliarden-Misstritten – insbesondere in der Investmentbank noch eine Ertragsmaschine gewesen, sind die Prognosen für das zweite Quartal ganz andere: Erträgen von rund 1,75 Milliarden Franken stehen gemäss den Analysten-Prognosen Ausgaben von 1,7 Milliarden Franken gegenüber. Die CS-Investmentbank schreibt demnach auch im zweiten Quartal 2021 einen Verlust.
Sehr verhalten sind auch die Erwartungen an das Vermögensverwaltungs-Geschäft und den Gewinn von Neukunden. Hier wird im Asset Management ein Geldabfluss erwartet, und über alle Einheiten hinweg eine Zunahme von rund 3 Milliarden Franken.
Ruhigere Märkte, weniger aktive Kunden
Viel besser, wenn auch unspektakulär sind die Erwartungen bei der UBS, wo ein Quartalsgewinn von gut 1,3 Milliarden Dollar in Aussicht steht; deutlich weniger als im ersten Quartal, aber mit einem Wachstum gegenüber dem Vorjahresquartal. Im Kerngeschäfts Global Wealth Management haben sich die deutlich ruhigeren Märkte auf die Kundenaktivitäten ausgewirkt.
Die Erträge werden im Vergleich zum ersten Quartal deutlich tiefer ausfallen. Der Blick wird sich demnach auf die Umsetzung des Kostenprogramms richten: Das Ziel lautet, bis 2023 eine Milliarde Dollar einzusparen. Doch im zweiten Quartal dürften zunächst Restrukturierungskosten von rund 300 Millionen Dollar angefallen sein.
Hier die Zukunft, dort die Vergangenheit
Den grossen Graben zwischen der UBS und der CS machen allerdings nicht allein Börsenkurse und Geschäftszahlen aus, sondern die seit diesem Frühling nochmals veränderte Ausgangslage. Während die UBS unter ihrem neuen CEO Ralph Hamers eine Zukunftsstrategie verfolgt sowie über die Mittel und Kapazitäten verfügt, um in den technologischen Umbau zu investieren, ist die CS mit ihrer Vergangenheit beschäftigt.
Sie muss mit Altlasten aufräumen, welche die Unternehmenskultur und konkreter die Mängel im Risikomanagement betreffen. Dass dies Zeit benötigt, hat Verwaltungsrats-Präsident Antonio Horta-Osorio mit der Ankündigung klar gemacht, dass vor Ende Jahr keine Entscheidungen über Veränderungen in der Strategie der CS zu erwarten sind.
Mit anderen Worten: Die UBS baut bereits an der Zukunft, die CS kann sich diese noch nicht einmal vorstellen.