Die Kunden der Greensill-Fonds der Credit Suisse warten seit Wochen auf weitere Rückzahlungen. Eine volle Entschädigung kann sich die Grossbank angesichts ihres Eigenkapitals möglicherweise gar nicht leisten.
Am Anfang ging es noch relativ schnell: Nach der Schliessung der Supply Chain Finance Fonds und dem Kollaps des Fondsmanagers Greensill Capital konnte die Credit Suisse (CS) bislang 4,8 Milliarden Dollar an die Kunden zurückführen. Die letzte Tranche in der Höhe von 1,1 Milliarden Dollar erfolgte Mitte Mai. Damals sagte die CS, die nächsten Informationen zu weiteren Rückzahlungen seien Ende Mai oder Anfang Juni zu erwarten.
Inzwischen ist die letzte Juniwoche angebrochen – und die CS-Greensill-Kunden sind mit Blick auf die blockierten Fondsvermögen weiterhin über 5,2 Milliarden Dollar im Minus. In allen vier Greensill-Fonds lagen vor dem Kollaps rund 10,1 Milliarden Dollar Kundengelder. Dies, nachdem die CS in den 24 Monaten zuvor die Produkte in die Portfolios von rund 1'000 Kunden gelegt, darunter offenbar viel Private-Banking-Klientel.
Ins Herz getroffen
Das Versprechen einer risikoarmen Alternative zu Barmitteln mit Zinszahlung hatte gemäss Nachrichtenagentur «Bloomberg» auch Sheikh Hamad bin Jassim Al Thani zur Anlage überzeugt, Mitglied der Herrscherfamilie des Emirats Qatar, dessen Staatsfonds wiederum unter den grössten Aktionären der CS ist.
Diese Verflechtungen zeigen auf, in welches Dilemma die CS aufgrund ihrer Zusammenarbeit mit dem australischen Financier Lex Greensill gefallen ist: Ihr Geschäft mit internationalen sehr vermögenden Privatkunden, die eigentliche raison d'être als Universalbank, ist direkt betroffen. Kunden, die auf einer Rückzahlung beharren, haben sich einer der zahlreichen Sammelklagen angeschlossen, die durch den Milliarden-Verlust mit der New Yorker Finanzfirma Archegos Capital über noch mehr Munition verfügen.
Konfliktreich und komplex
Gründe zum Versiegen der Greensill-Rückzahlungen wollte die CS auf Anfrage von finews.ch nicht angeben. «Wir konzentrieren uns weiterhin darauf, das Geld unserer Anleger zurückzubekommen», sagte eine Sprecherin. Es bestehe weiterhin die Priorität, ein Gleichgewicht zwischen einer rechtzeitigen Liquidation der Fonds und der Maximierung des Wertes für die Anleger sicherzustellen.
Die Liquiditation der Assets von Greensill Capital in Grossbritannien liegt beim Beratungsunternehmen Grant Thornton. Dieses wiederum hat die Anwaltskanzlei Herbert Smith Freehill engagiert, um Gelder von den Versicherern einzuholen. Die CS hat ihrerseits mit dem Industriellen Sanjeev Gupta, von ihm will die Bank rund 1,2 Milliarden Dollar zurück haben, ein Stillhalte-Abkommen ausgehandelt, um dessen Firmen Zeit für eine Refinanzierung zu geben.
Gleichzeitig ist die CS mit einem früheren Grosskunden im Clinch, dem japanischen Tech-Konzern Softbank und dessen Chef Masayoshi Son. Softbank hatte Greensill im vergangenen November eine Kapitalspritze gegeben, das Geld landete aber nicht in den Fonds.
Kein Thema
In einem Liquidations- und Rückzahlungsprozess scheint es logisch, dass die juristischen Auseinandersetzungen zunehmen, während der Geldrücklauf abnimmt.
Innerhalb der CS hatte man damit gerechnet, weitere Milliarden an Kunden zurückführen zu können – auch wenn es Jahre dauern würde. Aber über die Werthaltigkeit der Greensill-Finanzierungen gibt es starke Zweifel, seit bekannt geworden ist, dass auch sogenannte Luftbuchungen in Milliardenhöhe in den Fonds lagen; also mögliche zukünftige Zahlungen.
Während Kunden auf Rückzahlungen in Form einer Entschädigung pochen, ist dies bei der CS offenbar kein Thema. Dies auch, weil sie keinen «moral hazard» und Begehrlichkeiten für andere Fällen und Kunden schaffen will. Handkehrum nimmt die CS so bewusst in Kauf, wertvolle Kundenbeziehungen auf Jahre hinaus zu beschädigen.
Angespannte Eigenkapitalsituation
Die grundsätzliche Vermeidung des Themas Entschädigung der Kunden kann aber einen anderen Grund haben, wie auf dem Finanzplatz verschiedentlich zu hören ist. Die CS könne es sich aufgrund ihrer angespannten Eigenkapitalsituation momentan schlicht nicht leisten, Milliarden an ihre Kunden zu zahlen. Die CS kommentierte dies nicht.
Fakt ist, dass die Grossbank im April knapp 2 Milliarden Franken bei Aktionären aufnehmen musste, um auf die Eigenkapitalquote von 13 Prozent zu kommen. Um die Lage etwas komfortabler zu gestalten, ist die CS auch dran, risikogewichtete Aktiven (RWA) auf das Niveau von Ende 2020 abzubauen. Diese waren zuletzt aufgrund des grossen Risikoappetits der CS in die Höhe geschnellt.
Unfreundliche Gesichter
Der Kapitalaufbau könnte sich zudem als schwieriger gestalten, seit die CS von der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht (Finma) Auflagen erhalten hat, ihre Risiken bei Neugeschäften zu minimieren. Somit hat das Dilemma der CS viele Gesichter – und keines sieht besonders freundlich aus.