Die milliardenteuren Fiaskos mit Greensill und Archegos Capital der Credit Suisse stehen in krassem Widerspruch zu den postulierten Werten der Grossbank. Sie betreibt Raubbau an ihrer Substanz, ihrer Reputation und an ihrer Zukunftsfähigkeit.
Die Ernennung von Lydie Hudson zum CEO Sustainability, Research & Investment Solutions Ende Juli 2020 war ein mutiger, ja pionierhafter Schritt der Credit Suisse (CS). Erstmals hatte ein global tätige Bank für das Thema Nachhaltigkeit eine Person in die Konzernleitung berufen.
Auch finews.ch zeigte sich beeindruckt: Die «grüne» Credit Suisse meine es ernst, hiess die Überschrift eines Artikels. Denn mit der Ernennung Hudsons – dass sie Investmentbankerin ist, erweist sich nun als Ironie – formulierte die CS eine Strategie, wie sie als globaler Finanzplayer die Nachhaltigkeit zu ihrem Kernthema machen wollte. Gut 300 Milliarden Franken wollte die CS im kommenden Jahrzehnt an nachhaltigen Finanzierungen bereitstellen, hiess es damals.
Inhalt für Hülsen
Damit schien die CS endlich etwas Inhalt in die bislang eher als Worthülsen daherkommenden Mission Statements zur Nachhaltigkeit zu giessen. Dieses «Statement on Sustainability» ist nicht einfach ein Papier, in welchem nachhaltige Produkte und Dienstleistungen für Kunden beschrieben werden.
Es ist eine Erklärung der CS, die auf ihrem Code of Conduct beruht und detailliert beschreibt, wie die Bank ihre Aktivitäten in Bezug auf wirtschaftliche, ökologische und soziale Probleme ausbalanciert. Darin ist die Rede von Werten, ethischen Standards, Verantwortung, Reputation, Fairness und massvoller Risikobereitschaft. Angesprochen wird stets der Stakeholder. «Der Erfolg der Bank hängt vom Vertrauen all unserer Stakeholder ab», beschwört die CS die Ernsthaftigkeit ihres Mission Statements.
Unvorhersehbar wie eine Naturkatastrophe
Acht Monate später sind diese Erklärungen Makulatur. Die CS hat mit ihren Milliardenverlusten im Greensill- und im Archegos-Kollaps nicht nur Kapital von Aktionären und von Kunden zerstört. Sie betreibt Raubbau an ihrer Reputation, an ihren Werten und an ihrer Zukunftsfähigkeit.
Die Innenansicht der CS respektive ihres Managements ist, dass es sich bei Greensill und Archegos um voneinander unabhängige Vorkommnisse handelt, ähnlich wie Naturkatastrophen, die man schlicht nicht hat kommen sehen können. CEO Thomas Gottstein und der Verwaltungsrat sind davon überzeugt, dass die Doppelstrategie «ein führender Vermögensverwalter mit ausgeprägten weltweiten Kompetenzen im Investment Banking zu sein» die richtige ist.
Vorne ein sicheres Geschäft, im Hinterraum ein Casino
Die Aussenansicht der CS nach den Ereignissen der letzten Monate ist die einer Bank, die im vorderen Teil ihres Hauses ein sehr sicheres Geschäft führt und im hinteren Teil ein Casino, das die sicheren Geschäfte gefährdet.
Es ist der Standardmakel der CS-Strategie (und auch der UBS), dass die drei tragenden Pfeiler des Geschäfts, ein Inland-Retailgeschäft, eine globale Vermögensverwaltung und eine globale Investmentbank, einen inhärenten Interessenkonflikt bergen. In Bezug auf die Nachhaltigkeitsstrategie der CS ist die Investmentbank mit ihrer überdimensionierten Handelsabteilung ein einziger Widerspruch.
Der grosse Reibach mit Spacs
Angefeuert von einer immensen Liquiditätsschwemme liefert die Einheit höchst volatile Ergebnisse, die offensichtlich auf hochriskanten Geschäften beruhen. So hat die CS mit Archegos im ersten Quartal dieses Jahres einen Verlust von 4,4 Milliarden Franken eingefahren. Mit Spacs, dem Börsengang von Unternehmen, die noch kein Geschäft haben, hat die CS gleichzeitig einen Reibach gemacht, der das Quartalsresultat auf rekordverdächtige 3,5 Milliarden Franken Vorsteuergewinn getrieben hätte – wenn Archegos nicht gewesen wäre.
Mit einem nachhaltigen Geschäftsmodell haben diese Aktivitäten nichts zu tun. Im Gegenteil, wie die Ratingagentur Fitch feststellte, als sie kürzlich ihren Ausblick für die CS auf «negativ» senkte. Die Häufung von finanziell schädlichen Vorkommnissen könne ein Anzeichen von «Mängeln in der Governance und bei den Kontrollen» sein. Fitch hob gleichzeitig den sogenannten «ESG relevance score» an, der Nachhaltigkeits-Risiko-Elemente berücksichtigt.
Weniger die Bank, aber die Kunden wollen ESG
ESG-Ratings werden in Research und Analyse zum immer wichtigen Faktor, kann doch die Nachhaltigkeitsstrategie eines Unternehmens mit Blick auf Umwelt- oder Reputationsrisiken einen materiellen finanziellen Einfluss haben.
Dass sich die CS – wie inzwischen praktisch alle Vermögensverwalter – in Nachhaltigkeitsstrategien versuchtn, hat einen weiteren Grund: Die Kunden verlangen danach – vor allem der Bankkunde der Zukunft.
Die CS beschrieb bereits 2018 die Werte der sogenannten «Millennials», die soziale und ökologische Aspekte in ihrem Investmentverhalten hoch gewichten und als Generation von Erben ein zukünftiges Potenzial von 40 Billionen Dollar stellen würden.
Die CS riskiert nicht nur, dass diese Klientel künftig um sie einen grossen Bogen machen wird. Sie riskiert, aus Mangel an Glaubwürdigkeit und strategischer Voraussicht, von bestehenden Kunden verlassen zu werden und auszubluten.