Künstliche Intelligenz und Big Data fehlen seit Jahren in keiner Strategiepräsentation von Finanzunternehmen. Die Corona-Krise macht deutlich, dass Banken hier noch viel zu tun haben, wie Fintech-Gründer Sandro Schmid im Gespräch mit finews.ch sagt.
Dass die UBS als eine der ersten Schweizer Banken auf die Rechenkapazität externer Serverfarmen, der sogenannten Cloud, setzte, ist keine Überraschung. Als Grossbank mit einem – zumindest für europäische Verhältnisse – beeindruckenden Technologie-Budget kann sie die entsprechenden Investitionen stemmen.
Beim Durchschnitt der Schweizer Banken hat der Crash der Märkte aufgrund der Coronavirus-Pandemie allerdings offegelegt, dass sie in der Einsatzfähigkeit von Big Data und Künstlicher Intelligenz noch einen Rückstand haben. Kaum ein Institut hat zum Beispiel die Fähigkeit, die Kundenportfolios wirklich individuell und regelmässig zu analysieren und entsprechende Empfehlungen abzugeben.
Rechenkapazität zu klein
«Das Einzige, was die Banken gemacht haben, war ein Youtube-Video vom Chief Investment Officer und vielleicht noch ein Link zu einem Research Paper», sagt Sandro Schmid (Bild unten). «Auf Stufe Einzelportfolio haben die Kunden kaum Signale erhalten», sagt der CEO des Fintechs Aaaccell, welches sich auf Risiko- und Asset Management spezialisiert hat und seit diesem Jahr zur Deutschen LPA-Gruppe gehört.
Das ist nicht nur der Fehler der Banken. Die Berechnung individueller Risiken für einzelne Kunden braucht Rechner-Kapazität, welche die Möglichkeiten vieler Institute übersteigen.
Unbekanntes Terrain
Erst seit relativ kurzer Zeit haben Schweizer Banken die Gewissheit, dass sie die Cloud tatsächlich nutzen dürfen. Vor einem Jahr veröffentlichte die Schweizerische Bankiervereinigung einen Leitfaden zum Thema, der den Instituten diesbezüglich den Rücken stärkte. Trotzdem – so Schmid – seien noch nicht alle überzeugt.
Die Banken hatten zudem unter Umständen noch gar nicht genug Zeit, entsprechende Projekte umzusetzen. Doch um auch künftig mithalten zu können, muss die Branche beweglicher werden. Heutzutage könne man bei Amazon eine Bank herunterladen, formuliert Schmid.
Nicht nur Roboter
«Die Banken haben so teure IT und entwickeln sich so langsam», sagt ehemalige Berater, der vor der Gründung seiner eigenen Firma zuletzt Schweiz-Chef der Centrum Bank war. «Wenn die das nicht hinkriegen, wie rechtfertigen sie dann die hohen Margen?»
Schmid plädiert nicht dafür, die Kundenbetreuung den Robotern zu überlassen. Um nicht abgehängt zu werden, müssen die Banken aber deren Fähigkeiten vermehrt nutzen.
Alle Fonds analysiert
«Ein Arzt nutzt auch Technologie, um die richtige Diagnose zu stellen», vergleicht er. «Ein Portfolio kann man auch nicht einfach anschauen und für gesund befinden», sagt Schmid, der mit der von Aaaccell und LPA entwickelten Technologie «Fundtastic» auf Basis von Künstlicher Intelligenz sämtliche Fonds der Welt analysiert und nach ihrer nachhaltigen Performance gerankt hat.
Dieses Tool sei ein Beispiel für den Einsatz von Technologie, mit deren Hilfe die Performance eines Kundenportfolios verbessert werden könne. Da es unabhängig von den bestehenden Systemen laufe, sei es zudem schnell einsetzbar.
Fluchtgefahr bei Erben
So oder so wird bei den Banken wird kein Weg daran vorbeiführen, sich stärker auf Technologie zu stützen, als dies heute der Fall ist. Nur so werden die Institute ihre Stärken in der persönlichen Betreuung der Kunden überhaupt ausspielen können.
Wer sich nicht rüstet, um mit agileren Konkurrenten – seien es Grossbanken, Neobanken oder Tech-Konzernen – mitzuhalten, wird möglicherweise bald in Schwierigkeiten geraten. Mit dem Übergang der Vermögen der Babyboomber-Generation an deren Kinder und Enkel, werden sich die Banken beweisen müssen, da diese neuen Kunden sonst abwandern.