80 Schweizer Banken hatten vor vier Jahren den Steuerstreit mit den USA beigelegt – glaubten sie jedenfalls. Doch jetzt fordern die Amerikaner immer mehr Institute zu Nachzahlungen auf.
Lieber ein Ende mit Schrecken als Schrecken ohne Ende: Das sagten sich wohl die Chefs der 80 hiesigen Geldhäuser, die als so genannte Kategorie-2-Banken am 2013 lancierten US-Programm zur Beilegung des Steuerstreits teilnahmen. Die Institute mussten sich damals auf Vorrat schuldig bekennen, Daten nach Übersee übermitteln und teils happige Strafzahlungen leisten.
Nach Abschluss im Januar 2016 wertete das Department of Justice (DoJ) dort das Programm als vollen Erfolg. Die Bussen summierten sich laut dem amerikanischen Justizministerium auf mehr als 1,36 Milliarden Dollar.
Doch nicht der Schlussstrich
Doch wie sich in den letzten Monaten und Wochen gezeigt hat, war dies nicht der Schlussstrich. Immer neue Kategorie-2-Banken werden von den USA ein zweites Mal zur Kasse gebeten.
Aus Sicht der Banker steht die bange Frage im Raum, ob jetzt eine neuerliche Welle von Bussen auf sie zukommt. Ein guter Kenner der Verhandlungen, der aber anonym bleiben möchte, sagte zu finews.ch: Voraussichtlich muss jede zehnte Kategorie-2-Bank nochmals zahlen.
Coutts-Mutter muss zahlen
Getroffen hat es bereits im August 2018 die Genfer Privatbank Lombard Odier. Sie hatte sich Ende 2015 mit dem DoJ auf eine Strafzahlung von 99,8 Millionen Dollar geeinigt – und musste nochmals 5,3 Millionen Dollar überweisen. Dies, weil sie im Vergleich von 2015 nicht alle unversteuerten Gelder von US-Kunden offengelegt hatte, von denen sie aus Sicht der Amerikaner hätte Kenntnis haben müssen.
Im Juli 2019 traf es dann die Neuenburger Banque Bonhôte mit einer Nachzahlung von 1,2 Millionen Dollar. Im vergangenen Januar folgte die Genfer UBP mit 14 Millionen Dollar, kurz zuvor hatte die Bank Coutts mit satten 27,9 Millionen Dollar nachbessern müssen. Die Rechnung berappte das einstige Mutterhaus, die britische Royal Bank of Scotland (RBS) – das internationale und Schweizer Geschäft von Coutts war bereits 2016 in der UBP aufgegangen.
Grosses Delta
Ein klares System ist hinter den Nachzahlungen nicht zu erkennen. Sie stehen wohl auch nicht in direktem Zusammenhang mit der vierjährigen Zusicherung von Straffreiheit, die das DoJ den Kategorie-2-Banken zugestand und die nun für alle Teilnehmenden ausgelaufen ist.
Viel eher ist laut dem Kenner der Verhandlungen so, dass die Amerikaner besonders stossende Diskrepanzen herauspicken. Dank den «Leaver»-Listen anderer Banken, neuen Transferdaten und den Zeugenaussagen von Schweizer Bankern haben die US-Ermittler ein noch genaueres Bild als 2016 übers Schwarzgeld auf Schweizer Konti. «Wo das Delta zu den gemeldeten Vermögen besonders gross ist, werden die Amerikaner vorstellig», so die Quelle.
Der Trick der Doppelbüger
Während sich diverse der zur Nachzahlung verknurrten Häuser selber gemeldet haben, gibt es noch andere Gründe für jene verhängnisvollen Lücken.
Einerseits lieg das an den Kunden, die vielleicht ihre US-Bürgerschaft geheim hielten – zitiert wird der Fall von Doppelbürgern, die nur ihre andere Staatszugehörigkeit bei der Schweizer Bank meldeten. Allerdings ist es auch möglich, dass die Compliance der Häuser zu wenig genau arbeitete. Oder, dass Banker aus Angst vor dem Abfluss von bonusrelevanten Vermögen schlicht ihre US-Kunden nicht meldeten.
Zitrone ausgepresst
Hatte der Bund 2013 beim Aufgleisen des US-Programms für die Banken geholfen, ist er bei den Nachzahlungen nun nicht involviert, wie es beim zuständigen Staatssekretariat für internationale Finanzfragen (SIF) in Bern hiess.
Den Ermittlern des DoJ kann hier in der Schweiz kaum jemand ins Blatt sehen. Doch dass sie im Steuerstreit nochmals ein Fass aufmachen, damit rechnet niemand. Denn wie sagt der Kenner wohl richtig: «Die Zitrone ist ziemlich ausgepresst.»