Im Überwachungsskandal rund um die Grossbank Credit Suisse ging vieles schief. Laut einer neuen Analyse nicht zuletzt die Kommunikation.
Einen ersten Schnitt hat die Credit Suisse (CS) getan: Mit dem Rücktritt von COO Pierre-Olivier Bouée und Sicherheitschef Remo Boccali sind die scheinbar Verantwortlichen für den Überwachungsskandal um Iqbal Khan, den ehemaligen Chef des International Wealth Managements, nicht mehr für die Grossbank tätig. Da die Staatsanwaltschaft weiter zum Fall ermittelt, ist es jedoch sicher zu früh, um zur Tagesordnung überzugehen.
Derweil sieht die Zwischenbilanz nicht gut aus. Der Kurs der Aktie hat gelitten, zwei Kaderpersonen sind weg, das Vertrauen in die Geschäftsleitung und in den Verwaltungsrat der Bank ist wohl nachhaltig erschüttert. Auch wenn man im Nachhinein immer schlauer ist, stellt sich die Frage, was die Bank denn hätte tun können, um den Skandal einigermassen im Schach zu halten.
Laut Jeannette Nagy und Uwe Stolzmann so einiges: Die Kommunikationsberaterin und der Texttrainer haben die Affäre der Grossbank unter die Lupe genommen.
Vertrauen bröckelt
Einer der beiden grundlegenden Fehler ist laut der Analyse, dass Khan überhaupt überwacht wurde. Denn damit habe die Bank den Manager «verraten» und mit ihm alle Mitarbeitenden. Zudem: das grösste Kapital einer Bank sei Vertrauen. «Bröckelt das Vertrauen, bröckelt die Reputation.»
Der andere Fehler sei gewesen, dass die CS den Namen des Detektivbüros preisgegeben habe – das ist zwar nicht bewiesen, wird aber weithin angenommen. Damit habe die Bank hier wichtige Stakeholder einfach im Stich gelassen.
Selektive Kommunikation
Dann richtet die Analyse ihre Kritik auf die Kommunikation der CS: Am 20. September soll der Zürcher Finanz-Blog «Inside Paradeplatz» eine Anfrage an die Bank gestellt haben, im Zusammenhang mit der Strafuntersuchung wegen der geplatzten Observation von Khan.
Bis zu diesem Zeitpunkt hatte die CS zum dem Vorfall geschwiegen. Die Medienstelle habe dem Blog aber keine Antwort geben wollen, bestätigte aber zwei Tage später der Schweizer «Sonntagszeitung» den Vorfall, er sei eine «persönliche Sache» gewesen.
Ein No-Go für die Kommunikationsexperten: «Totstellen geht gar nicht. Nicht für einen Bereich mit Namen 'Kommunikation', nicht für ein Unternehmen in der Krise.» Ausserdem seien selektive Auskünfte, die je nach Fragesteller variierten, auch keine gute Idee.
Funkstille nach Suizid
Als sich am 24. September der Mittelsmann zwischen CS und Detektivbüro das Leben nahm, blieb die Bank immer noch still. Die Medienkonferenz, an der sich CS-Verwaltungsratspräsident Urs Rohner bei allen Betroffenen im Namen der Bank entschuldigte, fand erst am 1. Oktober statt.
Schwaches Timing, so Nagy und Stolzmann: «Schweigen ist Gold – aber wie lange, bei einem Skandal dieser Grösse? Einen Tag, zwei?» Eine Entschuldigung sei nach einem Fehlverhalten sicher gut, doch solle sie nicht auf sich warten lassen.
Thiams Memo
Und selben Tag meldete sich schlussendlich CS-CEO Tidjane Thiam selber, per Memo an die Mitarbeitenden, und verkündete, seine rechte Hand Bouée habe die volle Verantwortung übernommen für die vorgefallenen «Fehler».
«Unglaubwürdig», lautet auch hier das Urteil der Kommunikationsexperten: «Wer trägt die 'volle Verantwortung' für Vorgänge in der Spitze eines Unternehmens? Und: Wie glaubhaft ist ein CEO, der von diesen Vorgängen weit oben nichts mitbekommt?»
Fazit: Ein zweiter Skandal
Die Kommunikation der CS sei nach der Affäre gründlich schief gegangen, so die Autoren weiter. «Und das ist der zweite Skandal.» Was die Gründe dafür waren, darüber können auch Nagy und Stolzmann nur spekulieren. Möglicherweise habe es zwischen Verwaltungsrat und Geschäftsleitung geknirscht, schreiben sie aber vielsagend.
Fakt sei: Wie bei vielen Unternehmen habe auch in der CS die Kommunikation keinen Sitz in der Geschäftsleitung. Darum könne sie im Krisenfall nur so agieren, wie es der Kopf der Organisation vorgebe. «Verweigert sich der Kopf, schweigt die Kommunikation.»