Tidjane Thiam wähnt sich bei der Credit Suisse fest im Sattel. Doch er ist ein einsamer CEO geworden, der um Vertrauen und Glaubwürdigkeit ringt. Wie lange kann das gut gehen?
Der Pulverdampf bei der Credit Suisse (CS) hat sich nach dem Bespitzelungsskandal um Iqbal Khan fürs Erste verzogen. Die Hauptprotagonisten sitzen fest in ihren Sätteln: Khan hat sich in den Schoss der UBS gerettet und seine Arbeit als Co-Chef Global Wealth Management aufgenommen. Derweil ist seine neue Arbeitgeberin aufs Peinlichste darauf bedacht, dass Khans Vergangenheit bei der Konkurrentin CS nicht den geringsten Schatten auf die UBS wirft.
CS-Verwaltungsratspräsident Urs Rohner hat seinen Job äusserst geschickt gemacht, selbst wenn die Ergebnisse einer Untersuchung der Anwaltskanzlei Homburger viele Fragen offen lassen und zum Teil bis heute wenig glaubwürdig sind.
An Rohner bleibt nichts hängen
Doch das muss den mit allen Wassern gewaschenen Juristen nicht kümmern: Sollten weitere unangenehme Details ans Tageslicht kommen oder würde sich ergeben, dass Tidjane Thiam entgegen seiner Aussagen über den Einsatz der Privatdetektive gegen Khan orientiert war, hätte Homburger ungenau gearbeitet und stünde der CS-CEO als Lügner da. An Rohner bliebe nichts hängen.
Und Thiam selber? Sein Ruf ist angekratzt – an seiner Glaubwürdigkeit wird gezweifelt. Der Missmut innerhalb der Grossbank ist spürbar, und sein wichtigster Mitarbeiter, Pierre-Olivier Bouée, hat die Koffer packen müssen.
Ein vielsagendes Schreiben
Bislang musste sich Thiam keine Blösse geben. Er sieht sich nach dem ihn entlastenden Untersuchungsergebnis gestärkt. Aufschlussreich ist dabei das Schreiben, das der CS-Chef direkt im Anschluss an die Veröffentlichung der Homburger-Untersuchung an alle Mitarbeiter der Bank verschickt hatte, und das finews.ch in voller Länge vorliegt (Illustration unten).
Auf wenigen Zeilen erklärt er im Wesentlichen, dass die Beschattung Khans ausschliesslich ein «isolierter Vorfall» gewesen sei und die verantwortlichen Individuen ihre Konsequenzen gezogen hätten. Der Verwaltungsrat habe nun für Transparenz und Verantwortlichkeiten gesorgt. Er danke allen Mitarbeitern, in diesen schweren Zeiten zur CS gehalten zu haben.
Abrupter Themenwechsel
Dann wechselt Thiam abrupt zu einem ganz anderen Thema: zur starken Performance der CS im laufenden Jahr, zur erfolgreichen Restrukturierung und zur kürzlich erreichten Eigenkapitalrendite von 10 Prozent.
Er schliesst eindringlich, er wisse, dass jeder in der Bank alles geben werde, um das Jahr 2019 als Bestätigung für den erfolgreichen Turnaround der CS beenden zu können.
Mitwisser können gefährlich werden
Doch der ganze Skandal ist noch längst nicht Geschichte. Da ist zum einen die Staatsanwaltschaft in Uster, die den Einsatz der Privatdetektive untersucht und dabei auch innerhalb der CS ermittelt. Von ihr hat Thiam wenig zu befürchten, da es höchst fraglich ist, ob der Anzeige Khans überhaupt ein strafbares Handeln der Privatdetektive vorangegangen ist.
Gefährlicher sind die Mitwisser innerhalb der CS – und es verdichten sich die Informationen, wonach es diese gibt –, die über die genauen Ursachen des Bruchs und der Eskalation zum zuletzt erbitterten Streit zwischen Thiam und Khan im Bild sind.
Stimmung verschlechtert
Es hat sich nicht erst durch die Berichterstattung der vergangenen Wochen gezeigt, dass Thiam mit seinem selbstherrlichen Managementstil und seiner ihm eng ergebenen Truppe von Ausführenden in der CS nicht nur Freunde hat. Vielmehr hat der Skandal der Stimmung innerhalb der Bank massiv geschadet.
Zudem hat Thiam mit Bouée nicht nur einen langjährigen Vertrauten aus McKinsey-Tagen verloren, sondern ebenso seinen «Maschinenmann», der seine Befehle ausführte und dafür sorgte, dass sie umgesetzt werden.
Nicht vertrauensbildend
Das Verhältnis zu Verwaltungsratspräsident Rohner hat sich seit geraumer Zeit zu einer Zweckgemeinschaft gewandelt. Dass Rohner den schnellen Wechsel Khans zur UBS ermöglicht hat und Thiams Rolle im Beschattungsskandal Gegenstand der Homburger-Untersuchung war, wird das gegenseitige Vertrauen nicht gestärkt haben.
Das vorläufige Ergebnis dieser Affäre ist ein zunehmend isolierter und in seiner Integrität angekratzter CEO innerhalb einer Grossbank, die als weltweit sechstgrösster Verwalter von Kundengeldern nun eine angeschlagene Reputation hat.
Sowohl Rohner als auch Thiam werden sich der Tatsache nicht verschliessen können, dass die Ereignisse der vergangenen Wochen und Monate an ihnen haften bleiben, solange sie nicht vollständig geklärt und transparent gemacht werden.