Mit Philipp Rickenbacher als CEO hat der Verwaltungsrat von Julius Bär auf die Karte Sicherheit – anstatt aufs Risiko. Was heisst das für die neue Strategie der Privatbank?
Er war augenscheinlich der Beste: Philipp Rickenbacher hat im Auswahlverfahren um den Chefposten bei der Privatbank Julius Bär sowohl interne wie externe Kandidaten ausgestochen, wie auch finews.ch am Montag vermeldete.
Rickenbacher habe bei den Assessments «gute Ideen präsentiert», heisst es bei Julius Bär. Welche Visionen der 48-Jährige mit der Traditionsbank allerdings verfolgen wird, ist höchst unklar.
Es wird zu Umbrüchen kommen
Julius Bär und Verwaltungsratspräsident Romeo Lacher (Bild unten) halten sich bedeckt bezüglich der Richtung, welche die grösste reine Privatbank der Schweiz unter dem 48-Jährigen Rickenbacher einschlagen wird.
Dass es zu Umbrüchen kommt, hatte Lacher bereits angekündigt. Rickenbacher solle das nächste Kapitel für Julius Bär schreiben, sagte der erst diesen Frühling angetretene Verwaltungsratpräsident am Montagmorgen. Die Ausarbeitung einer neuen Strategie sei angelaufen. Man werde zu gegebener Zeit informieren. Die Finanzziele blieben vorderhand dieselben.
Anders als Collardi, anders als Hodler
Welches Kapitel soll Rickenbacher, der seit 15 Jahren für Julius Bär tätig ist und die letzten drei Jahre in der Geschäftsleitung sass, also schreiben?
Die letzten zehn Jahre Julius Bär lassen sich in zwei Kapitel einteilen. Die Überschrift des ersten könnte «Wachstum auf Teufel komm' raus» lauten: CEO Boris Collardi hat die verschlafene Privatbank mit einem aggressiven Akquisitionskurs auf die Weltkarte des Wealth Managements katapultiert – und dabei der Bank auch problematische Kundenvermögen aufgehalst.
Hodlers Kapitel noch nicht zu Ende geschrieben
Das darauf folgende Kapitel muss folgerichtig mit «Aufräumen» benannt werden. Ironischerweise oblag diese Aufgabe Bernhard Hodler, der als Risiko- und Compliance-Chef Collardi zu Diensten sein musste.
In seiner knapp zweijährigen Amtszeit hat Hodler das Lateinamerika-Geschäft neu ausgerichtet, zig Kundenportfolios durchleuchtet sowie den technologischen Ausbau der Bank vorangetrieben; vor seinem endgültigen Austritt aus Julius Bär wird der 59-Jährige, wie angekündigt, die Bereinigung der Kundenportfolios abschliessen.
Das Kapitel, welches Rickenbacher schreiben muss, wird weniger aufregend sein als jenes von Collardi, jedoch deutlich länger und inhaltlich angereicherter, als jenes seines direkten Vorgängers Hodler.
Verzicht auf Grossbanker-Ambitionen
Dass die Wahl des Verwaltungsrates auf den bislang unauffällig gebliebenen Rickenbacher fiel und nicht etwa auf einen sogenannten «Star Banker« wie Iqbal Khan, spricht Bände. Mit Khan, der erst vergangene Woche die Credit Suisse verlassen hat, wäre ein Mann mit der Kultur und den Ambitionen eines Grossbankers gekommen.
Mit Rickenbacher wählte Bär-Präsident Lacher einen dem Vernehmen nach ebenfalls überaus ehrgeizigen Mann. Doch ist die Nomination für diesen ein Aufstieg und in dem Sinne ein logischer Karriereschritt; er ist ein berechenbares Eigengewächs.
Vor allem auf der Produkteseite
Laut Lacher hat sich der bisherige Custody-Chef und Leiter des Geschäfts mit externen Vermögensverwaltern zwar auch als «Treiber von Innovationen und Effizienz» und als «scharfsinniger Denker» bei Bär hervorgetan. Doch im Prinzip war Rickenbacher während seiner bisherigen Karriere als Banker in erster Linie auf der Produkteseite tätig.
Die Herausforderungen von Julius Bär liegen derweil sicherlich woanders. Die Privatbank hat im technologischen Bereich noch viel Aufholbedarf, sowohl im Back-Office als auch an der Kundenschnittstelle.
Die neuen Herausforderer
Sie ist mit einer immer anspruchsvolleren reichen Kundschaft konfrontiert, die ihre Investments keineswegs mehr ausschliesslich über den Kundenberater und das Advisory einer Privatbank tätigt, sondern über ihre eigenen Family Offices und Netzwerke.
Zudem hebt sich die Kundensegmentierung im globalen Vermögensverwaltungsgeschäft zunehmend auf. Dank digitalen und hybriden Wealth-Management-Angeboten können Konkurrenten die Eintrittshürden für Neukunden massiv senken, während für das klassische Beratungsgeschäft à la Julius Bär Mindestvermögens-Grössen notwendig sind.
Hohe Erwartungen
Die Überalterung der Kundenstruktur ist ein weiteres Risiko für Privatbanken wie Julius Bär. Die Erbengeneration der «Millennials» verfolgt oftmals ganz andere Anlageziele und Investmentansätze, an die sich die traditionellen Institute noch anpassen müssen.
Rickenbacher ist kein Übergangs-CEO wie Hodler. Von ihm wird erwartet, dass er Julius Bär nicht nur durch die kommenden strukturellen Umwälzungen in der Finanzindustrie führt, sondern dass die Privatbank mittels entsprechender Transformationen den Aktionären nachhaltig steigende Dividenden bezahlen kann.
Verwaltungsratspräsident wählte für diesen Weg die Berechenbarkeit und Beständigkeit eines Rickenbacher.