Wir haben lange auf diese Akquisition gewartet, weil wir immer gedacht haben, dass sie am besten zu uns passt.
Eine zweite solche Übernahme ist also nicht mehr denkbar?
Solche Objekte wie Notenstein La Roche sehen wir derzeit tatsächlich nicht. Beide Unternehmenskulturen haben auch sehr gut zusammengepasst– schliesslich war es in grossen Teilen die frühere Wegelin-Kultur, wo einst auch unser CEO Zeno Staub gearbeitet hat. Und einzelne Geschäftsbereiche, wie das Osteuropageschäft von Notenstein, haben wir schon früher übernommen. Insofern war es schon eine sehr gute Transaktion.
Tatsache ist jedoch auch, dass Sie nach der Übernahme die führenden Private Banker von La Roche ziehen lassen mussten. War das nicht eine herbe Enttäuschung für Sie?
Ja, in dem Moment, als ich es vernommen habe, war ich schon enttäuscht. Ich hatte es auch nicht erwartet. Aber wenn sich jemand nicht wohl fühlt, aus welchen Gründen auch immer, dann ist es nur konsequent zu sagen: Wir trennen uns.
«Wir sind nach wie vor offen für Akquisitionen»
Mittlerweile haben wir das auch ganz gut verwunden. Und es ändert auch nachträglich nicht unsere Einschätzung, dass es die richtige Transaktion für weiteres Wachstum war.
Was waren denn die Motive für diese Abgänge?
Es wäre nicht richtig, über vertrauliche Gespräche in der Öffentlichkeit zu reden. Aber wir sind ein moderner Vermögensverwalter , der strikte Compliance-Regeln hat und nicht zuletzt als börsenkotiertes Unternehmen hohe Anforderungen setzt. Wir sind auch viel grösser als es La Roche seinerzeit war.
Hält Sie eine solche Erfahrung von weiteren Übernahmen ab?
Nein. Wir sind nach wie vor offen für Akquisitionen, aber eher als Arrondierungen. Vorerst konsolidieren wir mal und wachsen auf der Basis dessen, was wir jetzt haben.
Vontobel zahlt im Branchenvergleich sehr gute Löhne, wie sich immer wieder zeigt. Gehört das zur Unternehmenskultur?
Nein, das ist eher ein Hygienefaktor.
Wie meinen Sie das?
Wir wollen so zahlen, dass wir gut im Markt liegen.. Zudem sind wir ein reputierter «Player» im Markt, so dass unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auch gesucht sind – selbst von grösseren Instituten als wir, und die zahlen zum Teil sehr gute Löhne.
Daher wollen wir von Anfang an einen Hygienefaktor haben und sagen können: Wir zahlen auch gut. Aber das allein sollte nicht der Grund sein, dass jemand bei Vontobel arbeitet. Wem es nur um den Lohn geht, ist woanders vielleicht glücklicher.
Weshalb sollte man denn sonst noch bei Vontobel arbeiten?
Wir bieten sehr viel unternehmerischen Freiraum. Unsere Leute sollen sich bei uns beruflich entfalten können und wissen, dass wir bei unserer Linie bleiben. Wir lassen uns nicht vom ersten Windsturm umwerfen.
«Ich beobachte die Entwicklung in Hongkong natürlich sehr genau»
Heute wollen die Menschen, die zur Arbeit kommen, nicht nur Geld verdienen, sondern es muss noch mehr sein. Sie wollen erfüllt sein und einen Sinn sehen, in dem, was sie tun. Eine Bank soll nicht ein reiner «Money-Making-Apparat» sein.
Das heisst jedoch nicht, dass wir sagen, Gewinne sind schlecht. Der Markt erwartet von uns eine ordentliche Rendite und ein gutes Ergebnis. Aber um dorthin zu kommen, braucht es den besten Weg zu den Kunden. Das geschieht zusammen mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Es geht nicht darum, den Kunden einfach zu übervorteilen, um einen höheren Gewinn zu erzielen.
Was denken Sie von der jüngsten Entwicklung in Hongkong, wo auch Vontobel vertreten ist?
Ich beobachte die Entwicklung in Hongkong natürlich sehr genau. Aber auch ich habe keine endgültige Antwort darauf. Allerdings stelle ich immer wieder fest, dass wir weit entfernt sind von einem wirklichen Verständnis für die Dynamiken in einem Land wie China mit 1,4 Milliarden Einwohnern.
«Ich glaube, mein deutscher Pass ist sogar abgelaufen»
Umso wichtiger ist es daher aus meiner Sicht, dass wir den Dialog pflegen, um uns gegenseitig zu verstehen. Und wir dürfen nicht ausgrenzen, sondern sollten China in unsere Welt integrieren – in unser globales Netzwerk hineinnehmen. Historisch haben wir schon einmal positive Erfahrungen mit dem Prinzip Wandel durch Handel gemacht.
Dieses Vorgehen ist auch für die Schweiz sehr wichtig. Als relativ kleines Land können wir uns nicht einfach abschotten, sondern müssen offen sein.
Sie sind ursprünglich Deutscher, arbeiten seit bald 20 Jahren für eine Schweizer Bank und sind mittlerweile auch Schweizer. Haben Sie eigentlich noch beide Pässe?
Ja, aber ich glaube, mein deutscher ist sogar abgelaufen. Ich reise nur noch mit dem «Roten». Wenn ich mit einer Schweizer Delegation unterwegs bin und alle ihren roten Pass vorzeigen, wäre es schon etwas komisch, wenn ich da mit einem weinroten Pass erschiene.
Trotzdem, welches Herz schlägt in Ihrer Brust heute stärker?
Ich bin so geprägt von meinem hiesigen Umfeld, natürlich auch von meinen Aufgaben her als Präsident von Vontobel und der Schweizerischen Bankiervereinigung sowie als Präsidiumsmitglied der Wirtschaftsorganisation Economiesuisse. Da schlägt mein Schweizer Herz sicherlich stärker.
«Das Herz ist mittlerweile ein Schweizer Herz»
Ich sehe vieles durch die Schweizer Brille, aber ich versuche immer, auch andere Sichtweisen einzunehmen, zumal ich lange in verschiedenen anderen Ländern gelebt und gearbeitet habe. Das hilft sehr.
Alles nur aus dem Blickwinkel der Schweiz zu betrachten, wäre allzu limitierend. Unser Land ist zu klein, als dass wir uns nur auf uns selber fokussieren. Wir müssen verstehen, was um uns herum geschieht und dies in unsere Handlungsoptionen einpreisen. Aber das Herz ist mittlerweile ein Schweizer Herz.
Herbert J. Scheidt stiess 2002 zu Vontobel, wo er zunächst bis April 2011 als CEO tätig war. In der Folge übernahm er ab Mai des gleichen Jahres das Amt des Verwaltungsratspräsidenten. Zuvor bekleidete er von 1982 bis 2002 verschiedene Funktionen bei der Deutschen Bank in Deutschland, New York, Mailand und Genf und war ab 1996 sechs Jahre lang Leiter Private Banking International bei der Deutschen Bank in der Rhonestadt. Er verfügt über einen Abschluss in Volkswirtschaft an der University of Sussex in England sowie einen MBA der University of New York, USA. Darüber hinaus ist er seit September 2016 Präsident der Schweizerischen Bankiervereinigung und hat weitere Mandate inne, unter anderem als Präsidiumsmitglied der Economieusisse, dem Dachverband der Schweizer Wirtschaft.
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