Die jüngsten Ergebnisse der grossen US-Banken haben bislang enttäuscht. Folgt nun auch eine kalte Dusche für die UBS und die Credit Suisse? Eine Einschätzung des Bankenspezialisten Alberto Tocchio.


Herr Tocchio, morgen Dienstag publiziert die UBS ihre Jahreszahlen 2018 und am 14. Februar 2018 folgt die Credit Suisse (CS). Was ist zu erwarten?

Die jüngsten Quartalszahlen der US-Banken J.P. Morgan und Citi waren nicht berauschend. Das wird auch bei den europäischen Banken der Fall sein, zumal das vierte Quartal 2018 vermutlich sehr schlecht ausgefallen ist. Die CS dürfte dies im Investmentbanking spüren, namentlich im Kreditgeschäft, wo sie relativ stark exponiert ist.

Vorerst wartet die UBS mit ihrem Ergebnis auf. Trotz einem beständigen Geschäftsmodell reagiert der Aktienkurs kaum. Wo liegt das Problem?

Als weltweit grösste Vermögensverwalterin und mit einem starken Standbein im Wachstumsmarkt Asien bietet die UBS tatsächlich einen attraktiven Geschäftsmix. Trotzdem hat sich das Ertragswachstum nicht in einem besseren operativen Ergebnis niedergeschlagen. Offenbar sind die Kosten noch immer zu hoch.

«Die Wahrscheinlichkeit eines baldigen Wechsels an der UBS-Spitze stufe ich für eher gering ein»

Mit einem geschätzten Kurs-Gewinn-Verhältnis von 9 für 2019 sowie von 8 für 2020 ist die UBS dennoch unangemessen – sprich zu tief – bewertet. Dies vor allem auch im Wissen, dass die Bank in den USA sowie in Asien ein starke Präsenz hat, wo der Wohlstands-Zuwachs auch in den nächsten Jahren weltweit am stärksten sein wird. Gleichzeitig dürfte die Bank ihren Anteil an Vermögensverwaltungs-Mandaten weiter ausbauen und so dem anhaltenden Margendruck standhalten können.

Merkwürdig dünkt die Kommunikation der UBS in Bezug auf die Nachfolgeregelung an der operativen Spitze. Bleibt Sergio Ermotti CEO oder kommt ein neuer Chef von aussen?

Anfang Jahr brachten die Medien den Name von Christian Meissner ins Spiel, einem früheren Investmentbanker der Bank of America, der Sergio Ermotti möglicherweise beerben könnte. Allerdings ist das noch völlig offen. Doch die Investoren haben diese News positiv aufgenommen. Die UBS-Aktie legte gleich um 3 Prozent zu.

Wie hoch stufen Sie die Wahrscheinlichkeit eines baldigen Wechsels an der Spitze der UBS ein?

Eher gering. Natürlich kann man der Bank vorwerfen, die interne Nachfolgeregelung versäumt zu haben. Doch angesichts der Tatsache, dass CEO Ermotti nach dem kürzlichen Investorentag Ende Oktober 2018 persönlich für 13 Millionen Franken UBS-Aktien gekauft hat, gehe ich nicht davon aus, dass es bald zu einem Wechsel kommt.

Läuft die UBS damit nicht Gefahr, dass der Aktienkurs weiter stagniert?

Nein. Wie gesagt, die Aktie ist aktuell bereits sehr tief bewertet, und die Bank hat angekündigt, überschüssiges Kapital über den gesetzlich erforderlichen Mitteln den Aktionären in Form von Dividenden und über Aktienrückkäufe zurückzuzahlen. Das macht die Titel zusätzlich attraktiv. Diese Aussicht hat sich übrigens auch schon im Kurs niedergeschlagen.

«Unter Tidjane Thiam hat die Credit Suisse teilweise ihre Kostenziele übertroffen»

Die UBS-Titel haben die Performance anderer europäischer Banken seit Anfang Jahr deutlich übertroffen. Die morgigen Zahlen werden vor allem Aufschluss geben, wie das schwierige vierte Quartal 2018 verlaufen ist. Das wird für die Investoren zu einer weiteren Verbesserung der Visibilität führen.

UBS oder CS?

Über die vergangenen drei Jahre haben sich die Credit-Suisse-Aktien um 9 Prozent schlechter entwickelt als die UBS-Titel. Aktuell sind beide Grossbanken den gleichen Unwägbarkeiten ausgesetzt, wobei die CS im Geschäft mit festverzinslichen Anlagen sowie in Asien gewisse Schwächen bekunden könnte. Allerdings hat sie nach ihrer dreijährigen Reorganisation unter der Federführung von CEO Tidjane Thiam ihre Kostenziele teilweise übertroffen und ebenfalls ein Aktienrückkaufsprogramm angekündigt. Das ist sicherlich positiv zu werten.

Alles in allem, und sollte ich mich für eine der beiden Grossbanken entscheiden müssen, dünkt mich die UBS derzeit «sicherer», weil sie eine solidere Basis in Wealth-Management-Geschäft vorzuweisen hat.


Alberto Tocchio ist CEO und Chief Investment Officer des in Lugano ansässigen Vermögensverwalters Heron Asset Management. Der 46-jährige Italiener studierte Wirtschaftswissenschaften an der Carlo Cattaneo Universität in Castellanza, bevor er im Jahr 2000 seine Karriere in der Finanzbranche bei Kairos Investment Management in London startete. Nach 17 Jahren verliess er das Mailänder Unternehmen, das mittlerweile zur Schweizer Julius-Bär-Gruppe gehört, und übernahm im August 2017 seine jetzige Funktion.