Ratlosigkeit gegenüber Herausforderung «Digitalisierung»

Die Nominationen sprechen es deutlich aus: Die obersten Führungsgremien der Banken zeichnen sich durch zwei Merkmale aus: Ein grosses Übergewicht an männlichen Mitgliedern und eine gewisse Ratlosigkeit gegenüber der Herausforderung «Digitalisierung».

Belliger 500

Andréa Belliger, Aargauische Kantonalbank

Der Eindruck drängt sich auf, dass zahlreiche Institute nun versuchen, zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen. Daniela Stehli, Inhaberin und Geschäftsführerin der Fachschule für Bankwirtschaft, bestätigt dies. «Die Kombination 'Frau und 'IT-Kenntnisse' scheint im derzeitigen Umfeld eine Idealbesetzung in Bank- und Verwaltungsräten zu sein», sagt sie.

Ein Strauss von Lösungen gesucht

Wie ideal die Personalien hingegen tatsächlich sind, darf in Frage gestellt werden. Die Erwartungen sind hoch. Von den gewählten und nominierten Frauen wird erhofft, dass sie Lösungen für das Problem Cyber Risiken erarbeiten, neue digitale Produkte lancieren helfen, die digitale Transformation des Instituts lenken.

Den Erwartungen steht zwar jeweils IT-Know-how gegenüber, welches die Kandidatinnen wohl auch unbestritten mitbringen. Doch spezifisches Banken-IT-Know-how ist eher die Ausnahme.

IT ist nicht gleich IT

So ist Vacalli Geschäftsführerin des Online-Handelsregisters Moneyhouse und war früher einmal stellvertretende Technologiechefin beim Kabelnetzbetreiber Cablecom.

Doris Agotai

Doris Agotai, Hypothekarbank Lenzburg

Fachhochschul-Professorin Agotai ist Expertin in Human Computer Interaction, User Experience und Informationsvisualisierung, was der Hypi Lenzburg bei der weiteren Digitalisierung der Bank helfen soll.

Und AKB-Bankrätin Belliger ist eine Kommunikations-Spezialistin und Digitalisierungs-Expertin im gesellschaftlichen Kontext, verfügt aber über keinerlei Bankenexpertise.

Sita Mazumder

Sita Mazumder, Clientis

«IT ist ein sehr weites Feld – und das spiegelt sich auch in den jüngst bekannt gewordenen Nominationen» sagt Stehli. «Was auffällt: Kaum eine der Kandidatinnen verfügt über Bankenerfahrung respektive über Kenntnisse von IT-Bankensystemen.»

Wo sind die Finnova- oder Avaloq-Leute?

Während Mazumder und auch Bundt immerhin über entsprechende Erfahrungen verfügen, sind die anderen Frauen Banken-Novizinnen.

Bundt

Maya Bundt, Valiant

Es ist nicht ungewöhnlich, dass Verwaltungs- und Bankräte explizit auch branchenfremdes Know-how in ihre Gremien holen. Doch für digitale Transformation, Modernisierung von IT-Systemen und digitale Kundenansprache sind zurzeit brennende Themen, für welche spezifisches Fachwissen vonnöten wäre.

Es verwundert, dass sich dies in den jüngsten Nominationen nicht niederschlägt. Theoretisch müssten die neuen Gremiumsmitglieder aus Firmen wie Finnova, Avaloq SIX oder Swisscom kommen, wo digitales Banken-Know-how gepflegt und lange aufgebaut worden ist.

Es bleibt viel Aufholbedarf

Doch herrscht wohl bei diesen möglichen Bezugsquellen für Bank- und Verwaltungsräte ein ähnliches Problem wie bei den Banken selber: An Frauen herrscht Mangel. So suchen die Headhunter an Hochschulen und Universitäten geeigneten Kandidatinnen. Stehli ist skeptisch, dass diese Rekrutierungsstrategie wirklich zum Ziel führt.

«Es bleibt ein Fakt, dass die Führungsgremien von Banken bezüglich IT-Know-how noch viel Aufholbedarf haben», sagt sie.