UBS-Whistleblower Bradley Birkenfeld verfügt über eine Fülle von Daten kanadischer UBS-Kunden und Steuerhinterzieher. Bloss: Kanada ist daran nicht interessiert.
Bradley Birkenfeld hat die höchste Belohnung in der amerikanischen Geschichte der «Whistleblower« erhalten: 104 Millionen Dollar. Mit Hilfe seiner, von der UBS gestohlenen Kundendaten konnten die amerikanische Steuerbehörde sowie Behörden weiterer Länder Milliarden Dollar von unbezahlten Steuergeldern einziehen.
Die UBS musste im Jahr 2009 wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung eine Busse von 780 Millionen Dollar bezahlen.
Eine Milliarde Dollar hinterzogener Steuergelder
Zu diesem Zeitpunkt hatte Birkenfeld bereits Kontakt mit den Straf- und Steuerbehörden in Kanada aufgenommen und ihnen Informationen zukommen lassen, wie er der kanadischen Wirtschaftszeitung «Financial Post» sagte.
Darunter waren Namen von UBS-Bankern, Angaben zu rund 5,6 Milliarden Dollar verwalteten Vermögen kanadischer Kunden bei der Bank sowie einer Berechnung, dass diese Kunden rund 1 Milliarde Dollar an Steuern hinterzogen hätten.
Kanada hat Birkenfeld nie befragt
Hatte Birkenfeld erwartet, dass die kanadischen Behörden die Informationen verwerten und ihn als Kronzeugen verwenden würden, so sah er sich getäuscht. Kanada hat bis heute verzichtet, ihn wegen seiner Daten zu befragen.
Kanada startete keinen Feldzug gegen die UBS wie es die USA und zuletzt auch Frankreich getan haben. Es gab keine Strafuntersuchungen gegen UBS-Mitarbeiter.
Stattdessen offerierte das US-Nachbarland Steuerhinterziehern eine Art Amnestie: Sie konnten ihre offen Steuer nachträglich begleichen, ohne Busse und mit reduzierten Zinszahlungen.
UBS: Nicht sonderlich erpicht
Gemäss der Canade Revenue Agency (CRA) haben seit dem Jahr 2009 rund 3'000 UBS-Kunden von diesem Angebot Gebrauch gemacht und 270 Millionen Dollar nachgezahlt. Das sei rund ein Viertel der Summe, die Kanada mit seiner Hilfe hätte einholen können, sagte Birkenfeld.
«Financial Post» konfrontierte die UBS mit den Informationen Birkenfelds, dass kanadische Kunden rund 1 Milliarde Dollar kanadische Steuergelder hinterzogen hätten. Ein Sprecher sagte lediglich: «Wir sind nicht sonderlich erpicht darauf, einen Kommentar dazu abzugeben.»
Zu milde oder erfolgreiche Strategie?
Alain Deneault von der Universität Montreal findet, Kanada gehe mit Steuerhinterziehern und den Drahtziehern viel zu milde um. So habe die CRA auch jenen reichen Kanadiern einen Steuerdeal angeboten, die mit Hilfe des Beratungsunternehmens KPMG auf der Isle of Man Gelder in anonymen Trusts versteckt hatten.
Andere sehen hinter Birkenfelds Feldzug gegen Kanada bloss eine PR-Masche, um den Verkauf seines Buches anzukurbeln. Steueranwalt David Sohmer sagte der «Financial Post», die meisten UBS-Kunden, von denen Birkenfeld Kenntnis gehabt habe, hätten sich ohnehin schon bei der CRA gemeldet.
AIA mit Kanada
Der Whistleblower, der im Jahr 2005 die UBS verlassen hatte, verfüge nicht über Informationen, die heute noch von Wert seien. Kanada sei mit seiner milden Strategie wohl viel erfolgreicher gewesen, entgangene Steuergelder einzuziehen, als mit strafrechtlichen Massnahmen gegen die UBS und Kunden, wie sie Birkenfeld propagiert.
Ausserdem steht Kanada seit vergangenem Jahr im Automatischen Informationsaustausch mit der Schweiz. Deklarierte Offshore-Konten sind kein Verbrechen.
Kanadas Strategie der Milde gegenüber Steuerhinterziehern war bislang erfolgreich, doch Repressalien gegen kanadische Offshore-Bankkunden, die das Offenlegungsprogramm nicht mitmachen, fehlen.
Umfangreiche Korrespondenz verschwunden
Für Birkenfeld sind dies Anzeichen, dass die Behörden in Kanada mit reichen Bürgern und Angehörigen des politischen und wirtschaftlichen Establishments zu nachsichtig umgehen. So ist eine umfangreiche Korrespondenz, die er mit einem Angestellten der Justizbehörde geführt hatte, verschwunden.
Birkenfeld will nicht lockerlassen. Er sei nicht publizitätssüchtig und könne als verurteilter Whistleblower auch nicht auf eine Belohnung hoffen. «Ich habe genug Geld», sagte er. «Was ich tue, ist richtig.»
Seine Mission gegen Kanada erklärt er so: «Wenn Du deine Mutter nach dem Autoschlüssel fragst und sie gibt ihn nicht her, dann fragst Du immer wieder. Darum geht es hier.»