Für seine jüngste Reorganisation hatte Julius-Bär-Chef Boris Collardi andere Motive als diejenigen, die er ausgab.
Keine zwei Wochen ist es her, da herrschte bei Julius Bär Schweiz noch Hochstimmung. Das Institut meldete, es habe gleich elf Kundenberater von der Berner Valiant Bank abgeworben und zusätzlich würden verschiedene neue Regionenleiter eingesetzt. Das alles, um die Wachstumsdynamik weiter voranzutreiben, wie sich Schweiz-Chef Barend Fruithof vernehmen liess.
Umso merkwürdiger mutet nun die jüngste Meldung an, wonach die Bank ihre Organisationsstruktur per Anfang September völlig umstellt. Das alles, um die Kundenorientierung zu stärken und die Effizienz zu steigern – als ob diese beiden Ansprüche nicht schon längst erfüllt sein sollten.
Unerschöpflicher Quell an Platitüden
Doch offenbar ist und bleibt der Marketing-Jargon ein unerschöpflicher Quell an Plattitüden, und gleichzeitig offenbart sich so auch, dass die vollmundigen Ankündigungen dieser Bank wohl kaum von langer Hand vorbereitet wurden, wie sie den Anschein machen sollten, sondern eher von opportunistischer Natur sind.
Eigentlich handelt es sich bei der jüngsten Reorganisation auch bloss um eine Neuverteilung von Ämtchen auf andere Personen – ein Planspiel, wofür CEO Boris Collardi (Bild oben: Keystone) schon lang ein Gespür zu haben scheint.
Public Policy und Rotlicht-Eskapaden
Schnell ist er bei der Sache, wenn es darum geht, Leute zu engagieren oder zu befördern. Beispiele dafür gibt es genug: So holte er vor zwei Jahren den etwas glücklosen Direktor der Economiesuisse, Pascal Gentinetta, und hievte ihn in die Funktion eines Head Public Policy; auch Bernard Kobler, CEO der Luzerner Kantonalbank bis er wegen seiner notorischen Rotlicht-Eskapaden einen Reputations-Kollaps erlitt, fand dank Collardi im Hause Bär eine neue Anstellung, als Leiter des Standorts in Luzern – zumindest bis vor zwei Wochen, bevor er im Zuge der damaligen Rochade wieder ausschied.
Bemerkenswert war auch folgende Personalie: Als sich Collardi die Möglichkeit bot, den renommierten Investment-Experten Yves Bonzon zu engagieren, nahm er gleichzeitig in Kauf, den bisherigen Stelleninhaber, Burkhard Varnholt, zu verlieren, was dann auch geschah, indem dieser zur Credit Suisse (zurück-)wechselte.
Unausgefülltes Dasein
Wie schnell solche «Moves» erfolgen können, erfuhr auch der einstige Asien-Chef Tom Meier, der schneller als er es sich hätte vorstellen können, an den Hauptsitz zurückbeordert wurde, wo er seither ein eher etwas unausgefülltes Dasein als Non-Executive Vice Chairman fristet. Erstaunlicherweise kam er auch bei der jüngsten Reorganisation nicht zum Zug.
In dem ganzen Wust an Namen und Veränderungen, welche Julius Bär am Dienstag präsentierte, geht es letztlich um eine Personalie: Barend Fruithof (Bild unten). Der viel gepriesene Ex-CS-Manager war im vergangenen Jahr, als er überraschend zur Bank gestossen war, sogleich zum grossen Hoffnungsträger aufgestiegen, der das Schweizer Geschäft wieder auf Vordermann bringen sollte.
Aus seinem Herzen nie eine Mördergrube gemacht
Fruithof, ein polyvalenter Banker ohne Allüren, dafür mit dezidierter Meinung, liess sich nicht zweimal bitten, sondern ging schnurstracks ans Werk. Dabei scheute er sich nicht, auch mit einigen Tabus zu brechen, indem er selbst den erfolgreichsten Kundenberatern zu verstehen gab, dass er noch mehr von ihnen erwarte.
Von «Underperformern» verabschiedete er sich zielstrebig und holte frische Kräfte an Bord. Dass er aus seinem Herzen nie eine Mördergrube machte, brachte er auch in seinem Interview mit finews.ch unmissverständlich zum Ausdruck, als er unter anderem sagte: «Wir müssen überall noch einen Zacken zulegen.»
Bloss keine Halbbatzigkeiten
Doch offenbar ging das alles vielen gestandenen Managern bei Julius Bär doch etwas zu weit; sie wollten nicht herausgefordert werden durch einen «Outsider», der noch nie in seinem Leben als Private Banker gearbeitet hatte. Also gingen sie zum Angriff über.
Der Rest ist Geschichte. Collardi wurde sich bewusst, dass er seinen Schweiz-Chef nicht mehr länger verteidigen konnte. Doch ganz verlieren wollte er ihn trotzdem nicht. Also bot er ihm eine neue Funktion an und übertrug das Schweiz-Geschäft Gian A. Rossi, einem langjährigen Weggefährten, der schon einige Umstellungen überstanden hatte.
Fruithof hingegen, der noch nie für Halbbatzigkeiten zu haben war, zog die Konsequenzen und verlässt demnächst das Unternehmen, wie am Dienstag bekannt wurde.
Auf dem Schleudersitz?
Boris und Barend wurden also nie Freunde, selbst wenn beide sehr viel voneinander halten. Doch der umtriebige Fruithof entwickelte nicht nur neue Dynamik im Hause, sondern sich selber auch noch zu einem ernsthaften Anwärter auf den CEO-Sitz.
Denn Collardi steht mittlerweile an verschiedenen Fronten unter Druck: Fifa-Affäre, Petrobras-Korruptionsskandal, stockendes Neugeld, schwaches Schweiz-Geschäft, schlechte Finanzmärkte, Frankenstärke und der Brexit, der die Rehabilitierung des europäischen Finanzsektors um mindestens 18 bis 24 Monate verzögert – das alles sind Stichwörter, die das Leben des Julius-Bär-CEOs nicht einfacher machen.
Collardi auf dem Schleudersitz? Fruithof wäre der Mann gewesen, der ihn beerbt hätte. Doch soweit kommt es nun nicht, dank einer weiteren Reorganisation, die erst noch die Vergleichbarkeit der Zahlen mit dem Vorjahr erschwert.