Wo lassen sich neue Kunden gewinnen, ohne in die Fallgruben ausländischer Gesetze zu tappen? Namhafte Privatbanken zieht es vermehrt in Richtung Osteuropa.

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Abseits der grossen Öffentlichkeit eröffnete die Liechtensteinische Landesbank (LLB) vor einigen Monaten eine neue Niederlassung in Genf. Das Büro, mit derzeit sechs Beschäftigten, richtet sich nicht etwa an frankophone Europäer oder an Araber, wie das in der Rhonestadt üblich ist, sondern an vermögende Kunden aus Osteuropa und Russland, wie Filialchef Jean-Marie Deluermoz gegenüber finews.ch erklärt.

Noch sei es zu früh, um über Zahlen oder Erfolge zu sprechen, sagt Deluermoz. Doch die Ambitionen seien klar. Mit der Expansion ins osteuropäische Offshore-Banking wolle man allfällige Rückgange in anderen Marktregionen kompensieren. Diesen Weg geht mittlerweile nicht nur die LLB.

Swiss Banking als Massstab

Neben den grösseren Schweizer Banken mischen auch noch viele andere, zum Teil kleinere Akteure in diesem Geschäft mit, das einerseits mit ansehnlichen Erträgen winkt, andererseits aber auch mit erheblichen Risiken verbunden ist.

Auffallend ist jedoch in diesem Zusammenhang, dass die Swiss-Banking-Tradition für viele (besonders ausländische) Institute nach wie vor der Massstab ist, und die Schweiz ungeachtet der jüngsten Turbulenzen als internationales Buchungszentrum für zahlreiche Finanzhäuser dient, wie auch an einer kürzlichen Private-Banking-Konferenz der Firma EBCG in Prag (Bild) klar zum Ausdruck kam.

Parallelen zur Monarchie

«Genauso wie in Grossbritannien regelmässig vom Untergang der Monarchie die Rede ist, wird auch das Ende des Schweizer Bankgeheimnisses immer wieder eingeläutet», sagt LLB-Banker Jean-Maire Deluermoz, und trotzdem sei die Monarchie stärker denn je, sagt er und zieht so eine Parallele zum Bankgeheimnis, das als Schutz der finanziellen Privatsphäre ebenso sehr gefragt und geschätzt werde von der Klientel. Besonders bei osteuropäischen und russischen Kunden, wo die Steuerthematik – wie sie in Westeuropa bisweilen der Fall sei – keine Rolle spiele, wie Deluermoz anfügt.

Tatsächlich geniesst das Schweizer Bankwesen im Ausland ein wesentlich höheres Ansehen, als es die jüngsten Entwicklungen hierzulande vermuten liessen. Die Deutsche Bank  habe den Sitz ihres Private Wealth Managements nach wie vor in der Schweiz, und daran werde sich vorläufig auch nichts ändern, erklärt Patrick Butler, verantwortlich für das Vermögensverwaltungsgeschäft der Deutschen Bank in Zentral- und Osteuropa.

Kaufobjekte gesucht

Auch Paolo Molesini, CEO der Private-Banking-Sparte des italienischen Intesa-SanPaolo-Konzerns, ist von der Schweiz angetan: Um seinen mehrheitlich italienischen Kundenstamm zu diversifizieren, hält er nun, im Zuge der Konsolidierung, Ausschau nach einer Privatbank in der Schweiz. Gesucht werde ein Institut mit Kundengeldern zwischen 5 und 10 Milliarden Franken, wie Molesini in Prag erklärte.

Das italienische Finanzinstitut ist bereits mit einer Bank in Lugano vertreten, die rund eine Milliarde Franken an Depots betreut. Daran will Molesini anknüpfen – nicht zuletzt mit frischem Kundengeld aus Osteuropa und Russland, das dann den Weg in die Schweiz finden soll.

Ambivalente Angelegenheit

Für viele schweizerische und europäische Finanzhäuser war die Expansion nach Osten lange Zeit eine ambivalente Angelegenheit. Zum einen lockten andere, wesentlich lukrativere Märkte wie die Golfregion oder Südostasien. Zum anderen waren Osteuropa und Russland unmittelbar nach der Wende ein rechtlich heikles Terrain. Hinzu kam, dass abgesehen von Russland, die Kundenvermögen in Osteuropa bis heute wesentlich kleiner sind als das im Wealth Management sonst üblich ist.

Das war ein weiterer Grund, der vor allem Schweizer Banken davon abhielt, schon früh im grossen Stil nach Osten zu expandieren. Inzwischen hat diese Situation geändert. Zahlreiche Schweizer Banken sind bereits in Russland operativ, was sich gerade in den letzten Monaten wieder bemerkbar machte, da viele russische Bürgerinnen und Bürger nach der Wiederwahl Wladimir Putins zum Staatspräsidenten, grössere Teile ihrer Vermögen ins Ausland verlagerten.

Verändertes Kundenprofil

Mittlerweile ist auch nicht alles Geld, das von russischen Kunden kommt, rechtlich so heikel wie früher, wenngleich sich akribische Kontrollen nach wie vor aufdrängen, wie die meisten Banker berichten. Doch mit dem unaufhaltsamen Heranwachsen einer Mittelschicht, die mit transparenten Geschäften Geld verdient, verändert sich auch das Profil der russischen Kundschaft zusehends.

Zwar nimmt Russland mit seinen rund 131'000 High-Net-Worth-Individuals, HNWI) und investierbaren Vermögen von insgesamt 955 Milliarden Dollar nach wie vor die Leaderposition im Private-Banking-Markt des Ostens ein. Doch andere Staaten holen auf. Dazu gehören vor allem Kasachstan (12'000 HNWI, 90 Milliarden Dollar) und die Ukraine (11'000 HNWI, 84 Milliarden Dollar), wo sich der Wohlstand auf Grund der hohen Nachfrage nach Rohstoffen, namentlich Erdöl und Erdgas, rasant entwickelt.

Vielversprechende Märkte

Als potente Märkte entpuppen sich zusehends aber auch die osteuropäischen Staaten Tschechien (18'000 HNWI, 99 Milliarden Dollarn), Ungarn (18'000 HNWI, 75 Milliarden Dollar) und Polen (54'000 HNWI, 214 Milliarden Dollar). Vom Verständnis und vom kulturellen Hintergrund her steht diese Kundschaft der westeuropäischen sehr nahe.

Im Gegensatz zu den meisten Russen sind manche osteuropäischen HNWI-Kunden unterdessen bereit, einen Teil ihres Vermögens im eigenen Land verwalten zu lassen, wie Antoni Leonik, Leiter für das Private Banking bei der HSBC Bank Polska in Warschau, erklärt. Die robuste Binnenwirtschaft, eine eigene Währung und entsprechend höhere Zinssätze lassen diese Option interessant erscheinen.

Dem pflichtet Michael Wodzicki bei. Er leitet die Kathrein Privatbank aus Österreich. Dabei handelt es sich um ein Institut, das seit 1974 zur österreichischen Raiffeisen International Gruppe gehört und im Private Banking mit einem Fokus auf Osteuropa tätig ist. Wodzicki rekrutiert seine Klientel zu einem grossen Teil aus der Masse der Affluents, die mit der Zeit durchaus grössere Vermögen anhäufen könnten. 

Keine Eile mit dem Euro

Tatsächlich sind die anvisierten Vermögen bescheidener als im Westen, in der Regel unter einer Million Franken – was aber nicht heisst, dass es immer so bleiben muss. Gerade vor dem Hintergrund der anhaltenden Euro- und Verschuldungskrise könnten sich jene Länder, die mittlerweile gar keine Eile mit der Euro-Einführung haben, als attraktive Märkte entpuppen: Polen, Tschechien, Ungarn. Bis zu 80 Prozent unserer Kunden schätzen inzwischen die tschechische Krone mehr als den Euro bei ihren Investments», sagt Miroslav Gajzler, stellvertretender Chef im Private Banking der tschechischen Komercni Banka, die heute zur französischen Société Générale gehört. 

Die österreichische Schoellerbank, die Private-Banking-Tochter des italienischen UniCredit-Konzerns, geht so weit, auf Geschäfte mit russischen Oligarchen oder anderen, sehr vermögenden Privatbankunden, so genannten Ultra-High-Net-Worth-Individuals, grösstenteils zu verzichten und stattdessen vornehmlich mit Unternehmern aus Osteuropa zu arbeiten, wie Stephan Maxonus an der EBCG-Konferenz in Prag betonte, wobei das Buchungszentrum für diese Kunden in Österreich ist.

«Wir haben keine Probleme mit US- oder deutschen Behörden», unterstreicht Maxonus und verweist dabei auch auf dast «strikte» Bankgeheimnis, das in Österreich noch existiere, so Maxonus – nicht ganz zufällig in Anspielung an die aktuelle Situation in der Schweiz.

Unterschätztes Potenzial

Bisher fristete die Region Osteuropa tatsächlich ein Schattendasein in Sachen Private Banking, was angesichts der hohen Wachstumsraten in anderen Märkten (Südoastaisen, Golf-Region) auch verständlich war. Doch die Wachstumsdynamik in Ländern Mittel- und Osteuropas sollte gerade von mittelgrossen Privatbanken nicht unterschätzt werden.

Zwar nimmt der Compliance-Aufwand in Osteuropa nach wie vor einen hohen Stellenwert ein, doch der Mix der Kundschaft verändert sich und stellt so ein Wachstum in Aussicht, das deutlich höher ist als in vielen krisengeschüttelten Ländern Westeuropas. Kommt hinzu, dass man es da mit einer tendenziell jüngeren Klientel, zwischen 30 und 50 Jahren, zu tun hat, die offen für Neues und erst noch online-affin ist.

Regionale Besonderheiten

Prag_q3Als weiterer Vorteil – gerade für Schweizer Banken – erweist sich der Umstand, dass bei vielen Osteuropäern die Schweiz hoch im Kurs steht, besonders was die Sicherheit und Verlässlichkeit anbelangt. Vor diesem Hintergrund könnten Länder wie Tschechien, Polen, Ungarn, aber auch die Slowakei oder Kroatien mittelfristig attraktive Märkte werden.

Allerdings gilt es, die regionalen Besonderheiten zu berücksichtigen. Jene Banken, die diese Individualität in ihre Beratungs- und Geschäftsmodelle integrieren können, werden die Gewinner von morgen sein.