«Wir erleben einen notwendigen Bereinigungsprozess»
Werden Sie als kleiner Fisch im Ozean der Vermögenverwalter von den Unternehmen denn überhaupt wahrgenommen?
Jeggli: Durchaus. Unsere Erfolgsaussichten steigen in dem Masse, wie wir einen Punkt präzise und gezielt behandeln. Wir verfügen über eine äusserst engagierte Engagement-Managerin und einen klar definierten Eskalationsprozess, der bis hin zum Verwaltungsrat des betroffenen Unternehmens reicht. Hier sehen wir durchaus positive Resonanz, insbesondere wenn man berücksichtigt, dass Unternehmen wie Suez und Nordea diese Anfragen ernst nehmen und aktiv darauf reagieren. Solange eine solche Anfrage jedoch noch offen ist, tätigen wir keine Investitionen in diese Schuldner.
«Unternehmen wie Suez und Nordea reagieren aktiv auf unsere Engagement-Anfragen.»
Was ist der Vorteil, wenn die Nachhaltigkeits- und die Bonitätsanalyse getrennt durchgeführt werden? Oft gibt es doch schon innerhalb von ESG bestimmte Zielkonflikte. Wer hat im Zweifelsfall das letzte Wort?
Good: Der Vorteil liegt darin, dass die Beurteilung erstmals aus zwei unabhängigen und unterschiedlichen Perspektiven erfolgt – wir verfügen über Scores für einzelne Nachhaltigkeitsbereiche sowie einen Score zur Bewertung der Kreditqualität. Im Bereich Nachhaltigkeit verlassen wir uns nicht auf marktübliche ESG-Ratings, sondern verfolgen einen eigenen Ansatz, in den eine Vielzahl an Daten einfliesst. Dies ermöglicht deutlich detailliertere und umfassendere Analysen. Bei den Kreditratings stützen wir uns im Investment-Grade-Bereich auf die Bewertungen von Independent Credit View. Dank der Trennung können wir auch klar messen, was die Ergebnisse gegenüber Kunden einfacher transportierbar macht. Unsere Sustainability- und Portfoliomanager stehen im kontinuierlichen und engen Austausch miteinander. Sollte keine Einigung erzielt werden, nehmen wir keine Investition vor. Unser unabhängiger Verwaltungsrat, dem wir beide nicht angehören, legt grossen Wert darauf, dass sowohl die Nachhaltigkeitsziele als auch die finanzielle Performance erreicht werden.
Jeggli: Nein heisst nein! Auch wenn es für den Portfoliomanager manchmal herausfordernd sein kann, insbesondere wenn ein solcher Schuldner am Markt gut läuft, bleiben wir konsequent bei dieser Entscheidung. Aber im Bondbereich gilt der Grundsatz, dass das Vermeiden von Risiken wichtiger ist als Auspressen von Renditen. Konflikte innerhalb von Nachhaltigkeitsbereichen werden oft schon durch die Ausschlüsse gelöst. Ein Unternehmen, das z.B. das Klimaziel stark verfehlt, kann dies dann nicht durch gute Sozialleistungen für die Mitarbeiter kompensieren.
Ist High Yield und Nachhaltigkeit nicht eine per se seltsame Kombination? Schuldner sind doch meist Unternehmen in eher problembehafteten wettbewerbsintensiven Branchen mit einem relativ hohen Verschuldungsgrad, welche die hohen Erwartungen von Finanzinvestoren erfüllen und somit auch wachsen müssen – und für die Nachhaltigkeit daher in der Regel keine Priorität hat.
Jeggli: Die Herausforderung besteht gerade darin, in einem Bereich tätig zu sein, wo man es nicht unbedingt erwartet. Aber es gibt durchaus logische Argumente für den Einbezug von Nachhaltigkeitskriterien. Für Anleiheninvestoren ist nicht das Wachstum entscheidend, sondern dass Bonds fristgerecht und vollumfänglich zurückbezahlt werden. Unser Universum ist kleiner, aber auch resilienter, nicht zuletzt in Korrekturphasen.
«Der Bondmarkt reagiert Problemen z.B. bei der Arbeitssicherheit viel empfindlicher als früher.»
Good: Wir investieren nicht in hochspekulative Schuldner (Triple-C) und auch bloss selektiv in Unternehmen aus Emerging Markets, weil für uns die Datenverfügbarkeit und -qualität sehr wichtig ist. Unternehmen, die aktiv Nachhaltigkeitsziele in ihrer Geschäftstätigkeit berücksichtigen, sind tendenziell stabiler. Man sieht heute schon, dass der Bondmarkt bei Problemen im sozialen Bereich, z.B. bei der Arbeitssicherheit, viel empfindlicher reagiert als früher.
Wie wichtig ist für Sie das Zinsniveau?
Jeggli: Es spielt eine entscheidende Rolle und ist noch wichtiger als der Risikoaufschlag (Spread). Bei Null- oder gar Negativzinsen sind Unternehmensanleihen wenig attraktiv. Jetzt, wo das absolute Zinsniveau wieder höher liegt, kommen die Vermögensverwalter in den Markt zurück. Was 2022 2 Prozent geboten hat, steht heute bei 5 Prozent – und ich spreche nicht von High Yields. Die Spreads sind zwar generell weiterhin recht eng. Doch zugleich ist die Duration gesunken, weil Unternehmen nur noch wenige langlaufende Emissionen lancieren. Dadurch sind die Spreads für Investoren trotzdem recht attraktiv.
Good: Ich hatte gerade ein Treffen mit deutschen Kunden. Sie sind glücklich, dass es wieder Anleihen mit Renditen von 3 bis 4 Prozent gibt, weil das zur Struktur ihrer Verbindlichkeiten passt.
«Kunden sind glücklich, dass es wieder Anleihen mit Renditen von 3 bis 4 Prozent gibt.»
Wo wird ESG-AM in fünf Jahren stehen?
Good: In fünf Jahren sehen wir uns als wichtigen Player im Bereich Nachhaltigkeit, der nicht von seiner Überzeugung abrückt und diese auch im eigenen Unternehmen vorlebt. Was wir versprechen, liefern wir. Das höchste Ansprüche im Bereich Nachhaltigkeit, ohne finanzielle Einbussen in Kauf nehmen zu müssen. Somit werden wir langfristig unseren Bekanntheitsgrad in der Industrie deutlich steigern. Unser Geschäftsmodell, unsere Portfoliomanagement- und Cloud-Systeme sind gut skalierbar. Vielleicht werden wird dann auch ausserhalb der DACH-Region aktiv sein, z.B. in Frankreich und Skandinavien. Und wir rechnen damit, dass es bei den Vermögensverwaltern auch hierzulande zu einer grossen Konsolidierung kommen wird.
- << Zurück
- Seite 2 von 2