Flamboyant bis verspielt: Uhren-Neuheiten aus dem LVMH-Reich
Die Durststrecke zwischen dem Jahresende, wo der eine oder andere Uhren-Wunsch erfüllt unter dem Weihnachtsbaum lag und dem Monat April, in dem das neue Uhrenjahr mit der grossen Messe «Watches and Wonders» in Genf so richtig durchstartet, überbrücken seit dem Jahr 2020 die Uhrenmarken aus der LVMH-Gruppe mit ihrer eigenen vorgezogenen Watch Week. Wir stellen die schönsten Neuheiten vor.
Von Marianne Eschbach
Es begann im Jahr 2020. Die bis dato grösste und wichtigste Uhrenmesse der Welt, die Baselworld, war soeben zu Grabe getragen worden und der Pandemie-Lockdown gerade noch nicht verhängt, als vier LVMH-Brands, nämlich Bulgari, Hublot, Tag Heuer und Zenith, vor allen anderen Uhrenmarken ihre Neuheiten präsentierten und zwar in Dubai.
Die «LVMH Watch Week» war geboren und von Beginn laut der Veranstalterin ein Erfolg, dem – kaum gestartet – zwei pandemiebedingte digitale Ausgaben in den Folgejahren nichts anhaben konnten. Es folgten Ausgaben in Singapur und Miami und 2025 stand Los Angeles auf der Agenda.
Klein und fein
Die verheerenden Feuer in den ersten Wochen des Jahres verunmöglichten jedoch die geplante Durchführung in der kalifornischen Metropole, weshalb der Anlass kurz entschlossen zweigeteilt wurde; für den amerikanischen Markt gab es die Zeitmesser-Vorschau in New York, Europa bekam die Informationen zehn Tage später in Paris. Zu den beiden kurzfristig ausgewählten Austragungsorten hiess es in einem Communiqué sie seien bestimmt worden, «um die beiden Kontinente, die für die LVMH-Gruppe von zentraler Bedeutung sind, miteinander zu verbinden.»
Zum Uhrenportfolio des französischen Luxuskonzerns gehören inzwischen auch kleine, feine Nischenmarken wie Daniel Roth und Gérald Genta (1931 bis 2011). Letzterer war einer der bekanntesten Uhrendesigner vor allem in den 1970er-Jahren. Unter seinem Zeichenstift nahmen Ikonen wie Audemars Piguets «Royal Oak», Patek Philippes «Nautilus», Cartiers «Pasha» und 1959 bereits Omegas «Constellation» Gestalt an.
Auf den Spuren von Daniel Roth und Gerald Genta
Gérald Genta hatte 1969 sein eigenes Uhrenunternehmen gegründet, das über eine kurzzeitige asiatische Besitzerschaft zu Bulgari und somit zu LVMH gelangte, wo man vor ein paar Jahren beschloss, die Marke mit ihren expressiven Designs neu aufzustellen. Daniel Roth (78) ist emeritierter Meisteruhrmacher, der zusammen mit ein paar Weggefährten traditionelle uhrmacherische Fertigkeiten über die Quarzkrise hinweg rettete. Auch er hat für die Grossen der Branche gearbeitet, u.a. viele Jahre für Breguet.
1988 brachte Daniel Roth seine eigene Uhrenmarke auf den Markt, deren elegante aussergewöhnliche mechanische Zeitmesser im charakteristischen ellipsenförmigen Goldgehäuse unverkennbar Breguets ästhetische Codes zeigen. Der Brand Daniel Roth wurde im Jahr 2000 von Bulgari übernommen und verschwand darauf von der Bildfläche bis er vor zwei Jahren in Louis Vuittons Genfer Fabrique du Temps von den Autoritäten Michel Navas und Enrico Barbasini mit Unterstützung des Namensgebers wieder zum Leben erweckt wurde.
Auftritt von Louis Vuitton, Tiffany & Co. und L'Épée
Daniel Roths «Extra Plat Souscription» und Gérald Gentas ausgefallene Schmuckuhr «Gentissima Oursin Fire Opal» wurden beide an der LVMH Watch Week präsentiert.
Zum ersten Mal an der diesjährigen Uhrenwoche des Mutterkonzerns nahmen die Marken Louis Vuitton, Tiffany & Co. sowie L’Épée 1839 teil. LVMH Louis Vuitton Moët Hennessy hat die Herstellerin mechanischer Tischuhren und aussergewöhnlicher Zeitmaschinen aus Delémont im letzten Jahr gekauft, während Tiffany & Co. schon 2021 für über 16 Milliarden Dollar von LVMH übernommen worden war.
Aus vier werden neun
Das Uhrenportfolio des Konzerns ist damit auf neun Marken angewachsen. L’Épée bereichert die Uhrenwelt 2025 mit einer mechanischen Aufbewahrungs- und Präsentationsbox aus Acrylglas während Tiffany & Co. den legendären französischen Gestalter Jean Schlumberger (1907 bis 1987) mit Schmuckuhren in dessen typischer Ornamentik ehrt.
Namensgeberin Louis Vuitton ihrerseits zeigte die nostalgisch anmutende Fensteruhr «Tambour Convergence» sowie eine neue Version der «Tambour Spin Time» mit deren Haute-Horlogerie-Finissierung und origineller Zeitanzeige das Unternehmen 2009 seinen Eintritt in die Disziplin der Uhrmacherei gab. So individuell verschieden die gezeigten Neuheiten sind, eines haben sie gemeinsam: Edle Materialien, ausgefeilte technische Merkmale und Preise, die steil nach oben zeigen.
1 Spieltrieb
Zwei Federhäuser liefern die Energie für beeindruckende zehn Tage Gangreserve, abzulesen auf einer digitalen Anzeige. Inspiriert von Modellbausystemen wie Meccano bietet die Uhr der Mikromechanik und der kreativen Konstruktion eine Bühne.
Hublot «Big Bang Meca-10» (42 mm) aus King Gold, skelettiertes Zifferblatt Manufakturuhrwerk mit Handaufzug und 10 Tagen Gangreserve, 38'900 Franken (Bild: zVg)
2 Kreative Komplikation
Inspiriert von den Klappen-Anzeigetafeln an Flughäfen und Bahnhöfen gelang den Meisteruhrmachern der Fabrique du Temps eine davor nie gesehene Interpretation der traditionellen Springenden Stunde. Das Wort «Taiko» bezeichnet übrigens japanische Zeremonien-Trommeln.
Louis Vuitton «Tambour Taiko Spin Time» (39.5 mm) aus Weissgold, delfingraues Zifferblatt mit hellgrauer Anzeige der springenden Stunde via die sich drehenden Kuben, neue Version der ersten Haute Horlogerie-Uhr von 2009, 79'500 Franken (Bild: zVg)
3 Noble Nische
Mit Jahrgang 1988 ist Daniel Roth eine ziemlich junge Uhrenmarke, die aber schon einiges erlebt hat, wie Übernahme und Einstellung des Betriebs. Umso erfreulicher, dass die edlen Uhren unter dem Dach von Louis Vuitton und unter dem wachsamen Auge ihres Gründers ein neues Leben bekommen.
Daniel Roth «Extra Plat Souscription» (38,6 x 35,5 mm) aus Gelbgold, handguillochiertes Zifferblatt aus Gold, mechanisches Manufakturwerk mit Handaufzug, zusammengebaut von den Meisteruhrmachern in der Fabrique du Temps Louis Vuitton, 45'000 Franken (Bild: zVg)
4 Auf Speed
An der anspruchsvollen Monte-Carlo-Rallye verblüffte Porsche 1965 mit einer leicht modifizierten Version des soeben lancierten 911-Modells, das Top-Positionen einfuhr. Gestoppt wurde die Zeit mit Präzisionsinstrumenten der Firma Heuer. Der neue Chronograph ist eine Referenz an die glorreiche Zeit.
Tag Heuer «Carrera Chronosprint x Porsche Rallye» (42 mm) aus Edelstahl bzw. Gelbgold, automatisches Chronographen-Uhrwerk, gewölbtes Glassbox-Uhrenglas, perforiertes Kalbslederarmband, 10'000 bzw. 24'000 Franken (Bild: zVg)
5 Upgrade
Bulgari lancierte das «Serpenti»-Uhrendesign im Jahr 1948, in einer Zeit als es noch keine Quarzuhrwerke gab. Die Uhren waren damals mit feinen Automatikwerken bestückt. Es macht für das Haus also viel Sinn, mit dem neuen, komplett in der eigenen Manufaktur in Le Sentier entwickelten und gefertigten Automatikuhrwerk zum ursprünglichen Spirit zurückzukehren.
Bulgari «Serpenti Seduttori» (35 mm) aus Gelbgold mit Diamanten, neues hauseigenes Automatikuhrwerk Lady Solotempo BVS100, Preis auf Anfrage (Bild: zVg)
6 Durchblick
Das Skelettieren von Uhrwerk und Zifferblatt ist eine seit langem gepflegte Tradition in der Uhrenindustrie. Zenith besticht in diesem Modell mit einer modernen und kunstvollen Herangehensweise an die althergebrachte Finissierungstechnik.
Zenith «Defy Skyline Chronograph Skeletton» (42 mm) aus Edelstahl, El Primero Automatikuhrwerk, skelettiertes Uhrwerk und durchbrochenes Zifferblatt, wird mit Stahl- und Kautschuk-Armband geliefert 14'900 Franken (Bild: zVg)
7 Flamboyant
Nicht nur nüchterne Stahluhren: Der Seeigel (franz. «Oursin») ist ein leuchtendes Beispiel für die Liebe zu Farben und Edelsteinen des Uhrendesigners Gérald Genta.
Gérald Genta «Gentissima Oursin Fire Opal» (36, 5 mm) aus Gelbgold mit Feueropal-Perlen, Zifferblatt aus Cornelian, Automatikuhrwerk, Alligatorlederarmband, Preis auf Anfrage (Bild: zVg)
8 Blaue Stunde
Die Besonderheit der Schmuckuhr ist der drehende Zifferblattring mit den goldenen Kreuzstichen. Das ikonische Kreuzstich-Motiv ist eine Referenz an Jean Schlumbergers Herkunft aus einer elsässischen Textildynastie.
Tiffany & Co. «Jean Schlumberger Twenty Four Stone» (39 mm) aus Weiss- und Gelbgold mit Diamanten, mechanisches Automatikuhrwerk, Alligatorarmband in Tiffany Blue ®, Preis auf Anfrage (Bild: zVg)