Mit dem Rückzug Joe Bidens aus dem Rennen werden die Karten für die US-Wahlen neu gemischt. Das könnte die Marktvolatilität erhöhen. Was sind die Folgen?

Wie sollen Investoren auf den Verzicht Joe Bidens auf eine neuerliche Kandidatur als US-Präsident reagieren? Zwar hat Biden seiner Partei die derzeitige Vizepräsidentin Kamala Harris als Nachfolgerin empfohlen, doch ist es nicht ausgeschlossen, dass sich noch eine andere Exponentin oder ein anderer Exponent der demokratischen Partei berufen fühlt, sich um das höchste Amt der Supermacht zu bewerben.

Das Chief Investment Office GWM von UBS geht in der jüngsten «House View – Daily Europe» davon aus, dass die Volatilität an den Märkten zunehmen könnte, weil die Akteure die Nachricht erst verdauen müssen.

Von «blau» zu «rot» – und zurück?

In den vergangenen Wochen sei am US-Aktienmarkt eine Rotation weg von «blauen» hin zu «roten Sektoren» zu beobachten gewesen, schreibt die UBS. Anleger hätten also Unternehmen, die von einem Wahlsieg der Republikaner profitieren könnten, den Vorzug gegenüber solchen gegeben, die möglicherweise aus einem Sieg der Demokraten Nutzen ziehen. Diese Bewegung könnte in den kommenden Tagen wieder kehren.

Die Grossbank erinnert ihre Kunden aber auch daran, dass der Ausgang der US-Wahlen erfahrungsgemäss bei weitem nicht der wichtigste Treiber für die Erträge an den Finanzmärkten insgesamt ist. Selbst für die einzelnen Branchen sei dies nicht der Fall.

Unterschiedliche Hoffnungsträger

Unternehmen, die beispielsweise im Bereich grüne Energie oder Elektromobilität tätig sind, gelten gemeinhin als Hoffnungsträger bei einem demokratischen Sieg, während zum Beispiel die fossile Industrie und der Finanzsektor zu den Nutzniessern einer republikanischen Wende gehören.

Die UBS unterstreicht die grosse Bedeutung der Wirtschaftsdaten und der Erwartungen in Bezug auf eine Zinssenkung der US-Zentralbank. Vor diesem Hintergrund rät sie ihren Kunden davon ab, aufgrund politischer Erwartungen oder Präferenzen dramatische Umschichtungen vorzunehmen.

Vorsicht vor Erdrutschsieg

Stattdessen empfiehlt sie, gut diversifizierte Portfolios zu halten und strukturierte Anlagelösungen zu prüfen, die das Kapital schützen oder regelmässige Erträge erzielen.

Die grösste Auswirkungen auf die Märkte dürfte ein Erdrutschsieg der einen oder anderen Partei haben, also wenn diese nicht nur das Präsidentenamt, sondern zugleich auch noch die Mehrheit in den beiden Kongresskammern gewinnt und damit ihr Programm mit entsprechend wenig Widerstand umsetzen kann. Die UBS misst diesem Szenario eine geringe Wahrscheinlichkeit zu, weist aber gleichwohl auf mögliche Folgen hin.

Hohe Zölle oder hohe Steuern

Bei einem Triumph der Republikaner könnte Donald Trump versucht sein, die Zölle so stark zu erhöhen, wie er das angekündigt habe, mit gravierenden Folgen für US-Unternehmen, die von globalen Lieferketten abhängig sind. Umgekehrt könnte ein demokratischer Durchmarsch deutlich höhere Unternehmenssteuern nach sich ziehen, was die Verteilungsmasse für die Finanzinvestoren verkleinert.

Und für diejenigen Investoren, die den Ratschlag der Grossbank beherzigen, aber trotzdem ein bisschen Spielgeld auf eine «politische Börse» setzen möchten, gibt es Strukturierte Produkte, die auf einen Wahlsieg der Demokraten oder der Republikaner setzen. So hat etwa die Bank Vontobel vor kurzem Zertifikate auf zwei entsprechende Aktienkörbe lanciert.

Bidens Verzicht

Bei solchen Finanzinstrumenten dürfte sich die Ausgangslage mit Bidens Verzicht vorerst wenig geändert haben, geht doch die UBS nicht davon aus, dass irgendeiner der möglichen demokratischen Ersatzkandidaten in einem für die Investoren relevanten Bereich eine vom bisherigen Kurs wesentlich abweichende Haltung einnehmen wird.